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Alt 08-10-2003, 16:22   #1
OMI
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Lightbulb Bernd Niquet - Herbst der Konfusionen

Mittwoch, 08.10.2003, 16:01
Der Herbst der Konfusionen



Eigentlich ist ja der September der statistisch schlechteste Börsenmonat im Jahr. Die großen Katastrophen passieren hingegen stets im Oktober. Aber nur dann, wenn sie passieren. Wie 1929, 1932, 1987, 1998 ... (sowie von März 2000 bis März 2003, einem Zeitraum, in dem jeder Monat entweder ein September oder ein Oktober war ...)

Gegenwärtig scheinen alle Kaninchen dieser Welt auf die Schlange im Dollarzeichen zu blicken. Und dann macht es "Klack-klack, Zack-zack, Hopp-auf – und fertig." So schnell ist der Dollar verkauft. Per Kasse, auf Zeit, per Termin, Hauptsache weg, weg, weg. Und wer es nicht mehr schafft, ihn zu verkaufen, der verschenkt ihn eben. Everything must go! Everything must go today!

Da ich sowieso der Meinung bin, dass man die Börsen emotional besser begreifen kann als mit dem Verstand, lehne ich mich in derartigen Momenten zurück und lege eine schöne CD ein. Beispielsweise "My September Symphony" von den Pet Shop Boys. Wenn dann süßlich weich der Gesang daherkommt, "So much confusion – when autumn comes around – uuh, huuh, huuh, huuh", und gleichzeitig die Blätter von den Bäumen fallen, dann fühle ich mich richtig wohl. Noch ein Spaziergang in klarer, kalter Luft, und dann bin ich fest der Meinung, dass die Börsenjahreszeiten diametral entgegengesetzt zu den Jahreszeiten der Natur verlaufen.

Ich meine damit: Wenn nicht alles täuscht, dann haben wir jetzt an den Börsen keine Zeit des Erntens wie in der Natur, sondern eine Zeit des Säens. Die Ernte hätte bereits im Sommer eingebracht werden müssen. Jetzt können wir hingegen schon an das Ausbringen der nächsten Saat denken. Denn alle "Finanzprofis" sind durch die Bank der Meinung, dass die Aktien ihre Baisse beendet haben, der Dollar jedoch weiterhin stark abwerten wird.

Als unendlicher Dickschädel und Querkopf kann ich derartig verfestigten Markterwartungen nur mit Spott und eigenen Aktionen begegnen. Wenn alle Welt erwartet, dass die notwendigen wirtschaftlichen Anpassungen über einen Dollarverfall passieren wird, und die Aktienkurse dabei weitgehend ungeschoren davonkommen, kann es dann nicht sein, dass es vielleicht genau umgekehrt verläuft? Dass es nicht die Wechselkurse, sondern Vermögensabwertungen bewerkstelligen werden, dass sich die weltweiten Leistungsbilanz-Ungleichgewichte letztlich wieder in Richtung auf das Gleichgewicht bewegen.

Im Moment traue ich mich natürlich noch nicht, den Dollar anzufassen. Dazu sind die Erwartungen zu verhärtet. Doch spätestens, wenn weltweit in den Überschriften der endgültige Crash des Dollars proklamiert wird, wird es Zeit, zuzufassen. Und welche inhaltliche Argumentation für mich dahinter steht, werde ich an dieser Stelle beschreiben, wenn meine "Welt am Sonntag"-Kolumne vom Wochenende durch ist.

Quelle: instock
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Schöne Grüße
OMI
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Alt 09-10-2003, 09:35   #2
Vogtlandsiggi
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Zum Wahnsinn getrieben



Die gegenwärtige Berg- und Talfahrt an den Börsen kostet wirklich Nerven. Kurzfristig herrschen in der Anlegergemeinde durchaus heterogene Erwartungen vor. Die Anzahl der Optimisten und die der Pessimisten scheint sich in etwa auszugleichen, weshalb wir dieses heftige Hin und Her beobachten. Mittel- bis langfristig hingegen kenne ich nur einen einzigen Anleger, der optimistisch für den US-Dollar und die US-Volkswirtschaft ist. Alle anderen scheinen rabenschwarz pessimistisch zu sein.

Und wer einmal einen Blick in die Geschichte der Börsentendenzen macht, wird unzweifelhaft feststellen, dass eine gute Börse stets nur mit einem steigenden Dollarkurs kompatibel ist. Ein schwacher oder schwächelnder Dollar hat noch niemals zu steigenden Aktienkursen geführt und ist mit diesen auch nicht vereinbar.

Sollte die gegenwärtig vorherrschende Markterwartung, die ein weiteres deutliches Absinken des US-Dollars sieht, also Recht haben, so werden wir nicht mit guten Börsen zu rechnen haben. Doch wenn an der Börse alle einer Meinung sind, so lehrt ebenfalls die Geschichte, dann liegen sie damit zwar durchaus eine Weile richtig, mittel- bis langfristig jedoch völlig schief.

Die gegenwärtig vorherrschende Erwartung, dass die Kurse bis Jahresende oder bis in das nächste Jahr hinein noch steigen können, dann jedoch wieder fallen werden, kann man daher auch durchaus umdrehen: Denn da beinahe alle Börsianer das glauben, ist die Chance (oder auch die Gefahr) sehr groß, dass es genau umgekehrt kommen wird. Doch wer weiß das schon in diesem ewigen Vollwaschgang, "Börse" genannt.

Und während ich das gerade schreibe, denke ich, dass man doch durchaus auf die Idee kommen könnte, dass in manchen Dingen der Islam mit seinem Koran ein unserem westlichen Welt- (und Überwelt-) Verständnis überlegenes Erklärungssystem darstellt. Denn große Teile des ganzen Gezurres an den Börsen kommen aus geliehenem Geld, das gegen Minizinsen in den Umlauf kommt, die sich sehr schnell für ein ganzes Jahr an einem Börsentag verdienen lassen.

Das ist sicherlich auch ganz richtig so und funktioniert ja blendend. Dennoch ist es interessant, was im Koran über das Verbot steht, Zinsen zu nehmen, also Geld verzinslich in Umlauf zu bringen - und es damit "zum Verdienen" zu treiben: "Diejenigen, die Riba (=Zinsen) verschlingen, sollen am Jüngsten Tag nicht anders dastehen als einer, der vom Satan erfasst und zum Wahnsinn getrieben worden ist." An dieser Stelle zeigt sich dann jedoch sehr deutlich, dass das westliche Modell dem Islam bei weitem überlegen ist: Denn was den Koran-Gläubigen erst im Jenseits droht, das erleben wir alle bereits täglich im Diesseits.

berndniquet@t-online.de



Autor: Bernd Niquet, 11:22 06.10.03
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Grüße von SIGGI
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