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Alt 29-12-2006, 11:03   #1
PC-Oldie-Udo
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Die Aufsteiger der gr.Koalition

Horst Seehofer - Der Tiefstapler
Die Große Koalition hat die Szene aufgewirbelt. Sicher geglaubte Karrieren fielen aus, andere Politiker stiegen unverhofft auf. Die Gewinner nach der Wahl 2005 stellt die FTD in einer Serie vor.


Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister Horst SeehoferAm liebsten macht sich Horst Seehofer ganz klein, er hat daran eine diebische Freude. Vor allem, wenn er Bekannte trifft. "Ach, Sie sind's", ruft Seehofer dann erstaunt, "lang nicht mehr gesehen. Aber Sie kümmern sich ja jetzt auch nur noch um die große Politik." Er seufzt und zuckt ein wenig mit den Schultern. Ganz traurig will er nun dastehen in den mächtigen Fluren des Reichstags, der arme, kleine Seehofer. Wäre da nicht dieses feine, spöttische Lächeln.

Parlamentspräsident Norbert Lammert rauscht heran mit großen Schritten. "Guten Morgen, Herr Präsident", grüßt Seehofer. "Guten Morgen, Herr Minister", entgegnet Lammert trocken und eilt vorbei. Da ist es wieder, dieses Lächeln: Was amüsiert ihn jetzt eigentlich so, der Herr Minister oder der Eindruck bei den Umstehenden?


ZUM THEMA
Es gärt und gammelt weiter (http://www.ftd.de/politik/deutschland/137105.html)
Seehofer genehmigt Gen-Weizen-Versuch (http://www.ftd.de/forschung/134856.html)
(€) Seehofer und Glos einigen sich auf Gammelfleisch-Gesetz (http://www.ftd.de/politik/deutschland/113473.html)
(€) Seehofer fordert schärfere Lebensmittel-Kontrollen (http://www.ftd.de/politik/deutschland/109799.html)
(€) Seehofer mahnt "strikte Ausgabendisziplin" an (http://www.ftd.de/politik/deutschland/94681.html)
(€) Seehofer will Rauchen in öffentlichen Räumen verbieten (http://www.ftd.de/politik/deutschland/85879.html)
Diesen Artikel jetzt anhören Wahrscheinlich beides. Horst Seehofer ist wieder wer. Als Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz mischt er überall mit, auch bei Forschung, Umwelt oder Gesundheit. Anders als das Gesundheitsressort, das er sechs Jahre unter Helmut Kohl führte, sind Agrar und Verbraucherschutz echte Wohlfühlthemen - zumal, wenn man es wie er blendend versteht, sich als Robin Hood gegen Gammelfleisch und Gentech darzustellen. Er zählt zu den beliebtesten Politikern des Landes.

Dabei liegt der politische Tiefpunkt seines Lebens gerade zwei Jahre zurück: ohne weitere Funktionen nur noch einfacher Abgeordneter, über seinen Widerstand gegen Angela Merkels Gesundheitspolitik fast verstoßen aus der Fraktion. Sein Umgang mit dieser Verbannung erzählt viel über den Machtmenschen Seehofer.

Er litt, aber er tat es öffentlich. Der arme, kleine Seehofer. An erster Stelle stehe für ihn die Loyalität zur Bevölkerung, erklärte er. An zweiter Stelle folge seine Integrität, und erst danach komme die Loyalität gegenüber Parteichefs. Während sogenannte Parteifreunde kolportierten, der Mann sei durchgedreht, suchte er Zuflucht beim Wähler: "Ich habe eine unglaubliche Rückendeckung in der Bevölkerung."

Er blieb ein begnadeter Taktiker. Aus seinem zerrütteten Verhältnis zu CSU-Chef Edmund Stoiber, der ihn im Gesundheitsstreit hatte sitzen lassen, machte er kein Geheimnis. Er wusste, dass Stoiber ihn noch einmal brauchen werde. Für Merkel aber fand er Lob: "Wer sie unterschätzt, hat schon verloren", sagte er. Zwar hatte auch er verloren, aber indem er sie lobte, machte er sich unmerklich etwas größer - und schrumpfte all jene, die Merkel noch immer für überfordert hielten. Seehofer, der Tiefstapler.

Die Wende brachte allein der 18. September 2005. Mit Merkels Kopfpauschale kamen CDU und CSU an diesem Abend auf gerade mal 35,2 Prozent. In seinem Wahlkreis Ingolstadt holte Seehofer über 65 Prozent - das zweitbeste Erststimmenergebnis der CSU. Damit war alles gesagt. Alle Versuche Merkels, einen Minister Seehofer zu verhindern, scheiterten an Stoiber, der Seehofer unbedingt ins Kabinett hieven wollte - um die eigene Partei und seine Kritiker zu besänftigen.

Viel spricht dafür, dass seine Karriere damit nicht zu Ende ist. Er selbst schweigt eisern darüber. Zum Glück ist Weihnachten, keine Auftritte, keine Journalisten. Er kann ganz unverdächtig das tun, was er am liebsten macht, wenn es brenzlig wird - abtauchen.

Gut möglich, dass er sich in diesen Tagen mal wieder seine Modelleisenbahn vornimmt. Dort stellt er mit seinen Zügen genüsslich die große Politik nach. Oder die jüngsten Kapriolen in seiner CSU. Zum Beispiel wie der ICE Stoiber in voller Fahrt auf die Rangierlok Gabi prallt.

Die CSU-Politikerin Gabriele Pauli hat Stoiber in Bedrängnis gebracht. Nach Pauli fordern immer mehr CSU-Politiker Stoibers Rückzug. Und stets taucht sein Name auf. "Seehofer könnte 2007 den Parteivorsitz übernehmen", sinniert ein Präsidiumsmitglied. Gar nicht ausgeschlossen, dass die beiden sogar einen Pakt geschlossen haben: Stoiber tritt den Parteivorsitz an Seehofer ab, dafür geht Stoiber noch mal in die Landtagswahl.

Die Gerüchte sind für Seehofer heikel, sie kommen zu früh. Sein Rückhalt unter den mittleren CSU-Funktionären ist geringer als an der Basis. Für viele Landespolitiker ist er vor allem ein Selbstdarsteller.

Aber wie wird sich wohl Angela Merkel bei dem Gedanken an einen CSU-Chef Seehofer fühlen? Als Parteichef dürfte er sich in Berlin ein neues Ministerium aussuchen. Dass ihn noch einmal das Gesundheitsressort reizt, ist unwahrscheinlich, eher schon das Arbeits- und Sozialministerium. Der Gesundheitspolitik bliebe er damit erhalten, etwa wenn die nächste Gesundheitsreform verhandelt werden müsste, womöglich wieder mit Merkel. Man sehe sich immer zweimal im Leben, sinnierte er schon während seiner Verbannung.

Offiziell will Seehofer jetzt davon nichts wissen. Er sei glücklich in seinem Amt, lenkt er von der Frage nach dem CSU-Vorsitz ab. Und wie immer bei Tiefstaplern - man glaubt ihnen nicht.

Nächste Folge: Bundesumweltminister Sigmar Gabriel

http://www.ftd.de/politik/deutschland/144958.html
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Es grüßt euch
Udo

Sei immer ehrlich zu deinem Nächsten, auch wenn er es nicht gerne hört

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Alt 31-12-2006, 14:42   #2
PC-Oldie-Udo
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Die Aufsteiger der Großen Koalition
Sigmar Gabriel - Volkspolitiker auf Umwegen
von Timm Krägenow
Bei Sigmar Gabriel hat die Große Koalition für einen unverhofften Karrieresprung gesorgt. Als Umweltminister arbeitet das SPD-Nachwuchstalent daran, Wirtschaft und Ökologie zu versöhnen.


Bundesumweltminister Sigmar GabrielDas Büfett ist abgegessen. Satt und zufrieden macht sich der Ministertross auf den Weg zum Bus. Nur Sigmar Gabriel ist plötzlich verschwunden. Es dauert ein paar Minuten, dann taucht der Umweltminister wieder auf - aus der Küchentür. Er hat sich beim Koch und dem Servierpersonal für das Essen bedankt.

Der Mann weiß, was gut ankommt beim Volk. Wenn der Shanty-Chor singt, schunkelt Gabriel in der ersten Reihe. Und wenn sein Diensthubschrauber auf dem Fußballplatz landet, lädt er die staunenden Kinder zur Besichtigung ein.


Meister des direkten Kontakts

Den direkten Kontakt zum Wähler beherrscht Gabriel wie nur ganz wenige in der SPD. Und deshalb gilt er - wieder - als Zukunftshoffnung der Sozialdemokratie. Fraktionsvorsitzender in der nächsten Legislaturperiode, Kanzlerkandidat bei der übernächsten Wahl, so lauten die parteiinternen Prognosen, auch weil es an Konkurrenz für den heute 47-Jährigen fehlt. In seiner Generation gibt es in der SPD kein vergleichbares politisches Talent.


ZUM THEMA
Die Aufsteiger der Großen Koalition: Horst Seehofer - Der Tiefstapler (http://www.ftd.de/politik/deutschland/144958.html)
Gabriel legt sich mit EU an (http://www.ftd.de/politik/europa/136491.html)
(€) Gabriel eröffnet Debatte über Kanzlerkandidaten (http://www.ftd.de/politik/deutschland/103474.html)
(€) Gabriel fordert höhere Sicherheitsstandards bei Atommeilern (http://www.ftd.de/politik/deutschland/103248.html)
(€) Gabriel misstraut Atomindustrie (http://www.ftd.de/politik/deutschland/102525.html)
(€) "Kohleminister" Gabriel (http://www.ftd.de/politik/deutschland/90382.html)
Diesen Artikel jetzt anhören Das wusste auch Franz Müntefering, als er im Herbst 2005 das Personaltableau der Sozialdemokraten für die Große Koalition zusammenstellte. In letzter Minute benannte er Gabriel als Umweltminister, was auch den Betroffenen selbst überraschte. Auf einmal war der gestandene Standortpolitiker und ehemalige niedersächsische Ministerpräsident der erste sozialdemokratische Bundesumweltminister in Deutschland.

In dieser neuen Rolle hat sich Gabriel von Anfang an einen Spagat vorgenommen. Einerseits will er ein guter Fachminister sein, der die Belange der Umwelt ernst nimmt. Andererseits soll klar bleiben, dass er das Gedeihen der Volkswirtschafts als Ganzes im Auge hat. Für den ersten Punkt hat Gabriel den Atomausstieg ausgesucht, an dem er Prinzipienfestigkeit zeigen will. Innerhalb der SPD stößt er damit auf breite Zustimmung.


Innovations- statt Umweltpolitik

Für seine Reputation als Wirtschaftspolitiker aber will Gabriel die Umwelt- zur Innovationspolitik machen, die neue Arbeitsplätze schafft. "Die Märkte der Zukunft sind grün", proklamierte der Minister im Oktober und präsentierte ein Memorandum für einen "New Deal" von Wirtschaft, Umwelt und Beschäftigung: "Umwelttechnik made in Germany bringt neue Märkte, neue Produkte, neue Beschäftigung."

Auf Nachfrage machte Gabriel dann allerdings selbst klar, dass die Formel vom New Deal sogar ihm ein bisschen groß vorkommt. Wahrscheinlich stammt sie aus der Feder seines beamteten Staatssekretärs Matthias Machnig, der bisher vor allem als hochtouriger Wahlkampfmanager und nicht als Umweltexperte aufgefallen ist. Machnig, so heißt es in Berlin, führe das Ministerium nach Tageslage und zeige nur wenig Standfestigkeit in Sachfragen.

Dabei ist Standfestigkeit das, was der ehrgeizige Gabriel am dringendsten für seinen weiteren politischen Aufstieg braucht. Anfang 2003 hatte er wegen des Gegenwinds aus Berlin und eigener Sprunghaftigkeit - unter anderem mit der Forderung nach der Wiedereinführung der Vermögensteuer - sein Amt als niedersächsischer Ministerpräsident verloren. Seither galt er in der Partei als Filou, der kurzfristig die Positionen wechselt. Mit der vorübergehenden Ernennung zum Popbeauftragten der SPD erntete er Hohn.


Rechnung geht nicht auf

Derzeit muss Gabriel die Erfahrung machen, dass die Konzentration auf die beiden Gewinnerthemen Atomausstieg und Umweltinnovation nicht ganz so funktioniert wie geplant. Seit Monaten hat er sich mit Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und der EU-Kommission in einen Streit über den Emissionshandel verheddert, der viel schlechte Stimmung macht, ohne aber bei den Wählern zu punkten. Industrielobbyisten zürnen, weil sie zu wenig Emissionslizenzen geschenkt bekämen. Umweltschützer schimpfen, weil der Minister der dreckigen Stein- und Braunkohle eine Renaissance verschaffe und damit den Klimaschutz aushebele. Auch weil der Allokationsplan für die Emissionsrechte die im Markt vertretenen großen Konzerne bevorzugt, sei von der angekündigten "Effizienzrevolution" im Markt noch nicht viel angekommen, wird moniert. "Jenseits der Atompolitik hat Gabriel versucht, dem Konflikt mit der Energiewirtschaft auszuweichen", sagt Gerd Rosenkranz von der Deutschen Umwelthilfe. "Diese Rechnung geht im Moment nicht auf."

Gravierender noch, dass die Union unter Gabriels Augen der SPD das Kleine-Leute-Thema Strompreise abjagen konnte. Während Wirtschaftsminister Glos den Energiekonzernen mit dem Kartellamt droht und überhöhte Gewinne untersagen will, bremst die SPD den Gesetzesvorstoß, hat aber kein eigenes Konzept. Dabei träumt gerade Gabriel in Interviews immer wieder davon, dass die SPD endlich wieder Politik für die kleinen Leute macht. Da hat er noch zu tun.

Nächste Folge: Ingolf Deubel, Finanzminister von Rheinland-Pfalz

http://www.ftd.de/politik/deutschland/145209.html
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