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Alt 08-11-2007, 21:38   #1
Franki.49
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Ein trauriges Jubiläum in Deutschland; ich war damals 7 Jahre alt.

Trauriges Jubiläum: Contergan wird 50


Am 1. Oktober 1957 kam das Einschlafmittel auf den Markt. An die tragischen Folgen erinnert der NDR nun mit einem zweiteiligen Film.
Eine Contergangeschädigte raucht während einer Gedenkveranstaltung vor den Toren der Firma Grünenthal im deutschen Stolberg eine Zigarette, die sie mit dem Fuß hält. Contergan sei "etwas, was meiner Familie sehr leid tut", sagt er. Und: "Ich denke darüber nach, wie, gegenüber wem, wann, mit welchen Konsequenzen und auf welche Weise eine Entschuldigung möglich ist." Sebastian Wirtz, geschäftsführende Gesellschafter des Contergan-Produzenten Grünenthal, sucht - angesichts des 50. Jahrestags, an dem die Tragödie um das Arzneimittel begann - neue Wege, um vom Präparat geschädigte Menschen zu unterstützen.

Gegen das Vergessen arbeitet auch der deutsche Fernsehsender NDR: "Contergan - Eine einzige Tablette" heißt der 180-minütige Spielfilm von Adolf Winkelmann (Regie) und Benedikt Röskau (Drehbuch). Nach über 18-monatigem Rechtsstreit mit Grünental darf die ARD den Zweiteiler am 07. und 08. November ausstrahlen. Streitpunkt vor Gericht war: Ist "Contergan" ein Spielfilm und somit Fiktion? Oder eine Dokumentation, die nach Presserecht zu bewerten ist? Das Hamburger Landgericht entschied nach einstündiger Sichtung des Films zunächst für den Pharmahersteller, die nächst höhere Instanz, das Hanseatische Oberlandesgericht, sah sich den Film in voller Länge an und entschied nun: "Contergan" ist ein Spielfilm und darf deshalb gezeigt werden.

Besonders Schwangere nahmen Contergan gern
Die Katastrophe bekann am 01. Oktober 1957, also vor exakt 50 Jahren: Das deutsche Pharma-Unternehmen brachte das Schlafmittel auf den Markt. Sensationell war, dass das barbituratfreie Mittel keinerlei Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Leberschädigungen, aufwies. Auch eine Überdosis war an sich nicht gefährlich. Und weil es bei Schwangeren die oft vorkommende Übelkeit linderte, wurde es von dieser Zielgruppe besonders gern genommen.

Die Nebenwirkungen waren nicht bekannt
"Das Teuflische war, dass der Wirkstoff Thalidomid bei Tierversuchen keine Effekte hatte", so Kurt Vymazal, Wiener Pharmazeut, Registrierungsspezialist und Experte für Fach- und Gebrauchsinformationen. "Und weil die Forscher damals noch nicht im Hirn hatten, dass Medikamente auch erbschädigende Nebenwirkungen haben können, hat man diesem Aspekt bei der Entwicklung von Contergan in den fünfziger Jahren noch keine Bedeutung beigemessen."

Bis Ärzte und Forscher entdeckten, dass Contergan im ersten Drittel der Schwangerschaft die Entwicklung des Kindes im Mutterleib schädigt, vergingen vier Jahre. Erst 1961 wurde die Affäre in der BRD ruchbar. 1962 wurde das Mittel auch in Österreich vom Markt genommen. Im Dezember 1967 erhob die Staatsanwaltschaft in der deutschen Stadt Aachen Anklage gegen Grünenthal.

In Österreich gab es neun Fälle
Bis zum Dezember 1976 waren allein in der BRD bereits an die 3.000 Fälle von Missbildungen bekannt. Man nannte die Schädigung "Phokomelie" oder "Dysmelie-Syndrom": Die Kinder der Frauen, die Contergan eingenommen hatten, kamen mit verstümmelten Gliedmaßen zur Welt.

Weltweit schätzt man die Zahl der mit Schädigungen geborenen Kinder auf rund 10.000. In der BRD waren es zwischen 3.000 und 4.000, manche Quellen sprechen von 5.000. Aus Österreich sind neun Fälle bekannt. Dass man hierzulande mit einem "blauen Auge" davonkam, wurde von auf die damals sehr restriktive Handhabung der Rezeptpflicht in Österreich zurückgeführt. "Softenon" - dieser Name wurde für das Produkt in Österreich verwendet - war immer rezeptpflichtig.

Heute ist Contergan die Hoffnung im Kampf gegen Krebs
In den vergangenen Jahren erlebte Contergan eine Art Renaissance: In Österreich erkranken jedes Jahr rund 400 Menschen an "Multiplen Myelom", einer Form von Blutkrebs. Sowohl in den USA als auch in Europa wird hier der Wirkstoff Thaliomid, eine Weiterentwicklung von Contergan ohne die potenziell keimschädigenden Effekte, verwendet. In Kombination mit Cortison zeigt sich bei rund 90 Prozent der Patienten eine Wirkung.

Und Tiere müssen den Menschen schützen
Nach der "Contergan"-Katastrophe wurden die Bestimmungen in der Arzneimittelforschung weltweit stark verschärft: Neue Medikamente werden – bevor sie ein Mensch zu sich nehmen darf – an Tieren ausprobiert. Die umfangreichen Studien testen besonders auf fruchtschädigende Wirkungen. Zum Beispiel werden trächtige Hamster und Ratten mit den möglichen Wirkstoffen gefüttert. Per Kaiserschnitt werden die Föten entbunden. Spezielle Färbemethoden lassen die Knochen deutlich hervortreten. Kommt es zu Schädigungen, kommt die Substanz nicht auf den Markt. Kommt es zu keinen Schädigungen, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder werden die Tests über mehrere Tiergenerationen fortgesetzt, um möglichst alle Risiken auszuschließen. Oder das Medikament wird unter der Auflage der ständigen Beobachtung für den Markt zugelassen.

Hilfe für die Geschädigten
Die Firma Grünenthal hatte damals 50 Millionen Euro für einen Entschädigungsfonds bereitgestellt, mit dem den Contergan-Opfern geholfen wurde. Ein Strafverfahren gegen mehrere Mitarbeiter des Unternehmens wurde daraufhin 1970 eingestellt.

Und auch der Rechtsstreit mit dem NDR hatte sein Gutes: Vor und nach jedem der zwei Teile wird ein geschriebener und gesprochener Hinweis erklären, dass es sich bei diesem Spielfilm nicht um eine Dokumentation handelt.

Artikel vom 01.10.2007, 20:18 | KURIER ONLINE, apa | frö
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Gruss Franki
Franki.49 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08-11-2007, 22:16   #2
Franki.49
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Beiträge: 16.737
Ich war damals 7. In der DDR lebend konnte also meine Mutter eine solch wirkungsvolle Pille nicht nehmen.

Tausende Kinder wurden zu Opfern und deren Eltern waren am zweifeln nahe. Und die Firma Grünenthal schöpfte Gewinne ein, überdimensional.

Was mich wundert ist in der Tat, mit welch einer Leichtigkeit die Betroffenen umgehen mit dem Fehlen der Gliedmaßen, heut im Film das kleine Mädchen so geschickt macht sie alles mit dem einen Fuß als wäre es der Kreatur Mensch gegeben; bewundernswert.

Und der Prozess wurde eingestellt, die Verantwortlichen haben wahrscheinlich lächelnd gezahlt, die Firma hat weitergemacht, vorsichtiger, heut ist es ein weltweit agierendes Pharmaunternehmen.

Gut, das war vor 50 Jahren ca. Heut schaut Pharmakontrolle anders aus, aber ich bin heil froh und fühle mich bestädigt in der Angst Medikamente nehmen zu müssen. Ich fühle mich in einer sehr guten Position keine einnehmen zu müssen, nur stellt sich schnell die Frage, wann wird es zwangsweise anders?
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Gruss Franki
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Alt 09-11-2007, 06:27   #3
william hill
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Zitat:
Heute ist Contergan die Hoffnung im Kampf gegen Krebs
...und gegen Lepra! Habe ich mal in einem TV-Bericht gesehen.
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have a nice day

wh
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