Alt 15-02-2007, 20:13   #1
Auf Wunsch gelöscht
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Brüten für den Frieden

Der Blick auf die Bilanz von New Generation Technology (NGT) in Nazareth verrät nichts Ungewöhnliches: NGT ist ein kleiner israelischer Inkubator, der wie andere auch Biotechnologie-Ideen anbrütet und um Investoren kämpft. Aber das Unternehmen verfolgt auch ein weniger eigennütziges Ziel – Frieden zu schaffen. Zu diesem hehren Zweck leistet es auch Starthilfe für arabische Unternehmer und hofft, dass sein zur Hälfte aus israelischen und arabischen Unternehmen bestehendes Portfolio Verbindungen zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen schafft, die zusätzliche Gewinne abwerfen.

Das ist nicht einfach. Anfangs wollte NGT 16 Firmen im Portfolio haben, zu denen jedes Jahr vier neue hinzukommen sollten, während vier ältere auf den Markt entlassen würden. Doch der Inkubator kämpft mit zähflüssigen Investorenrunden, die Gründungen verzögern sich. Die Bemühungen des israelischen CEO Sharon Devir, die jüngste Investitionsrunde über zehn Millionen Dollar abzuschließen, um NGT zu einer Kombination aus Inkubator und Risikokapitalfonds zu entwickeln, sind deswegen besonders wichtig für die künftige Entwicklung des Projektes.

Gründer des ungewöhnlichen Inkubators sind fünf arabische Unternehmer, die gemeinsam mit dem in den USA lebenden Unternehmer Davidi Gilo den Grundstein für das bislang einzige Gründerzentrum legten, das dem arabischen Bevölkerungsteil in Israel helfen soll. Bis zum Sommer 2003 hatten die Initiatoren zwei Millionen Dollar beisammen und konnten damit die ersten vier Firmen finanzieren. Es folgte eine Reise in die USA: Um die Technologieflaute in Israel auszugleichen, gingen Devir und NGT-Direktor und Mitbegründer Omas Mssarwa auf Akquisitionstour bei wohlhabenden Arabern und Juden in Detroit und New York. Doch die erhoffte Resonanz unter Amerikanern arabischer Herkunft fiel geringer aus als erwartet. Die zweite Finanzierungsrunde wird deshalb frühestens Anfang 2005 abgeschlossen sein.

NGT ist eine Partnerschaft der privaten und öffentlichen Hand wie ungefähr bereits jeder zweite Inkubator in Israel. Unter dem gegenwärtigen Arrangement steuert die Regierung für jeden Dollar, den NGT investiert, fünf Dollar bei. Der Staat erhält im Gegenzug Anteile am Start-up, die der Inkubator treuhänderisch verwaltet. Sollte NGT die Anteile innerhalb von sechs Jahren nicht zurückkaufen, gehen sie an den Staat über.

Dass sich potenzielle Investoren bislang zurückhalten, mag auch an der Anti-Diskrimierungsphilosophie des Inkubators liegen: Die Belegschaften und Verwaltungsräte sind paritätisch mit Arabern und Juden besetzt. NGT-Chef Devir ist zuversichtlich, dass das nicht nur dabei hilft, Freundschaften und gegenseitiges Verständnis zu schaffen, sondern zudem dafür sorgt, den besten Kandidaten für eine offene Stelle zu finden. Die Führungskräfte der bei NGT angebrüteten Firmen können sowohl die Ideen, Talente, Erfahrungen und Verbindungen der arabischen Gründungsmitglieder als auch ihrer jüdischen Kollegen nutzen – theoretisch zahlt sich das für alle aus. Deswegen ist sich Devir auch sicher, dass sein Integrationsmodell Nachahmer finden wird.

Denn Israels Bevölkerung von 6,8 Millionen besteht zu knapp einem Fünftel aus Arabern, wenn man die Bewohner der West Bank und des Gaza-Streifens nicht einrechnet. Geht es um Ausbildung und Arbeit, sind Araber allerdings deutlich unterrepräsentiert – ähnlich wie schwarze Amerikaner in US-Bildungseinrichtungen und im Arbeitsmarkt in den Sechzigern und Siebzigern: Nur neun Prozent aller Studienanfänger und vier Prozent aller Studenten im Hauptstudium sind arabischer Herkunft. Zudem dienen Israelis arabischer Herkunft selten in der Armee, der wichtigsten Institution des Landes für die Entwicklung und Nutzung von Hochtechnologie. So fehlt ihnen das technische Training, und vom Kontakteknüpfen in Uniform sind sie ebenfalls ausgeschlossen – eine häufige Grundlage für erfolgreiche israelische Start-ups. Selbst die Arbeit in Software- und Telekommunikationsfirmen ist begrenzt – aus Sicherheitsgründen.

Auch deshalb verlegen sich Araber auf Karrieren in der Biotechnologie oder Medizin und haben inzwischen eine Handvoll erfolgreicher Biotechfirmen gegründet. NGT hat bislang folgerichtig ausschließlich Biotechnologie-Firmen aus der Taufe gehoben und sich auf pharmazeutische Produkte und Nahrungsergänzungsstoffe konzentriert. So beschäftigt sich eine Neugründung damit, traditionelle arabische Heilmittel in pharmazeutische Produkte zu verwandeln, eine andere entwickelt Wachstumsproteine – beide sind mit der Entwicklung von Produkten weit, außerdem gibt es bereits internationale Interessenten.

Barnet Liberman, Chef einer New Yorker Bauträgerfirma und NGT-Investor, ist deshalb möglicherweise im besten Wortsinn Teil einer Avantgarde, wenn er sein Engagement begründet: „Soziales Verantwortungsbewusstsein und der Wunsch, die Welt zu verbessern, sind Motivationsfaktoren. Aber ich bin auch von der wirtschaftlichen Seite sehr beeindruckt.“
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Alt 15-02-2007, 20:16   #2
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Der Niedergang eines Gelobten Landes

Ist der Krieg an ihrem Leben schuld? Ja, klar, findet Myriam aus Kiryat-Gat. Merkwürdiges Städtchen, 52000 Seelen am Kilometer 47 auf der Südostroute von Tel Aviv in die Wüste Negev. Je näher man dem Zentrum kommt, desto leerer ist Kiryat-Gat. Weite, offene Flächen, die man kaum Plätze nennen mag. Mittendrin das Stadthaus. Ein flacher zweistöckiger Bau, Palme, Flaggenmasten. Bei der Palme stehen Myriam, Lili und eine Handvoll Schneiderinnen der Firma Bagir. 1961, als es hier nur ein Dutzend Häuser gab und viele Wohnwagen, hat Israel Pollak, Gründer der Textil-Gruppe Polgat, das Unternehmen hochgezogen. Billige Arbeitskräfte lockten: Die Jewish Agency hatte in Kiryat-Gat marokkanische Juden angesiedelt. Die wären, Gelobtes Land, eigentlich lieber ans Meer gezogen, nach Ashdot oder Haïfa. Später kamen die Falaschas aus Äthiopien und die Russen. Keine gute Nachbarschaft, meint Lili. Man bleibt lieber unter sich.
Textil ist, zumindest in den offiziellen Statistiken, die über Rüstung und andere strategische Güter wenig verraten, ein bedeutsamer Industriezweig Israels, nach Hightech, Lebensmittelverarbeitung und Diamantenschleiferei. Ziemlich hip, was an Tel Avivs Flaniermeile Dizengoff ausliegt. Man macht viel „Bizniz“ mit dem Pariser Textilviertel Sentier, auch London, Mailand oder New York lassen in Israel schneidern. Nur ist da jetzt überall gerade Krise.
Kiryat-Gat ist Bagir ist Textil. Genauer: war. 700 der 1300 Arbeiterinnen wurden auf die Straße gesetzt, im Oktober sollen noch mal 200 Schneiderinnen entlassen werden. Aus Protest wollten sie im Februar die Fabrik besetzen, aber die Direktion sperrte sie aus, „als wären wir Araberinnen“. Myriam: „Hier ist nichts mehr. Hier ist der Tod.“ Jeder Dritte lebt von Sozialhilfe, Drogenkonsum und Gewalt in den Familien nehmen stark zu. Im Flachbau hinter der Palme prophezeit Bürgermeister und Ex-Militär Albert Erez: „Die Regierung steht am Rande einer Katastrophe.“ Ariel Sharon, der General Sharon eher noch als der Regierungschef Sharon, ist sein politisches Vorbild. Doch jetzt würde Erez den Krieg gegen die Palästinenser gern ausgesetzt wissen, für ein Jahr zumindest, um mit einem großen nationalen Aufbauprogramm die Arbeitslosen von der Straße zu holen.
Sharon ist in Bedrängnis. Zwei Jahre Krieg hat dem Wirtschaftswunder den Garaus gemacht. Israel, das Land mit der höchsten Ärztedichte, den meisten Ingenieuren und Wissenschaftlern pro Kopf, Platz 22 auf dem Human Development Index, deutlich vor Portugal oder Singapur und weit vor allen Nachbarn, das Hightech-Land der hohen Wachstumsraten steht vor dem Kollaps.
Die Wirtschaft schrumpft, zum ersten Mal seit der Staatsgründung. Das Sozialprodukt pro Kopf etwa: minus drei Prozent 2001, schätzungsweise minus 8,5 Prozent in diesem Jahr. Die Investitionen: minus elf Prozent im vergangenen Jahr, hoch zweistellig negativ in diesem. Hightech-Exporte: minus 20 Prozent 2001, in diesem Jahr völlig weggebrochen. „Kaum ein Wirtschaftszweig, der nicht langsamer dreht“, sagt der Ökonom Yoram Gabai. Die Investitionen in israelische Wertpapiere an der New Yorker Börse fielen im vergangenen Jahr um 98 Prozent.
Leicht findet man derzeit an den Stränden von Tel Aviv oder von Tiberias am See Genezareth einen Sonnenschirm. Gerade 650000 Touristen werden 2002 erwartet, in normalen Jahren kommen viermal so viel. Dutzende von Hotels und Restaurants haben dichtgemacht, 50000 Gastgewerbler wurden gefeuert, die meisten anderen auf Kurzarbeit gesetzt. „Heiliges Land außer Betrieb“, titelte die »Süddeutsche Zeitung«.
Seit die Palästinenser mit Selbstmordattentaten den Terror in Discos, Restaurants, Busse und Universitäten tragen, bleiben auch die Israelis zu Hause, wann immer sie können. Nachtleben und Freizeitindustrie stehen still. Kaum bedrängt, flaniert der Unerschrockene dieser Tage durch die Altstadt von Jerusalem. Ein paar Gassen weiter herrscht mehr Geschäftigkeit. In einem unscheinbaren Gebäude gibt die Vereinigung für bedürftige Alleinerziehende Lebensmittel aus. 650 Familien stehen hier jede Woche um Hilfe an, vor zwei Jahren waren es 300. Alle regierungsunabhängigen Organisationen sind bis an die Grenze belastet. Die staatliche Sozialhilfe kann die wachsende Not im Land nur noch notdürftig mildern. Neuerdings haben sich sogar auf Tel Avivs schicken Kikar-Ha-Medina-Platz Obdachlose häuslich eingerichtet. Deutlich mehr als zehn Prozent aller Arbeitswilligen finden keinen Job, israelische Ökonomen vermuten eine verschleierte Massenarbeitslosigkeit von real mehr als 20 Prozent. Immer mehr Menschen fallen durch das soziale Netz.
Jedes vierte israelische Kind lebt unter der Armutsgrenze. Die Zahl hat sich im vergangenen Jahrzehnt verdreifacht – und dafür ist nicht der Krieg verantwortlich, meint Yitzhak Kadman, Chef des Nationalen Rates für das Kind: „Unsere Studie zeigt, dass fast jeder Indikator auf Rot steht: Israels Kinder werden ärmer, sind öfter Gewalt ausgesetzt und weniger gut geschult.“ Es ist, wie Kadman anmerkt, sogar noch ein beschönigtes Bild – die Durchschnittswerte täuschen: Unter den arabischen Israelis (20 Prozent der Bevölkerung), unter Immigranten und am Rand der israelischen Gesellschaft ist die Misere noch größer.

In den palästinensischen Gebieten ist die Lage schlimmer als in Somalia

„Schlimm, aber schau dich mal in den besetzten Gebieten um. Dort herrschen Zustände wie in Bangladesch“, sagt Loni, Ingenieurin, Offizierin, Friedensaktivistin und Freiwillige bei zwei Hilfswerken. Zwei Jahre Abriegelung durch die israelische Armee haben die gerade erwachende palästinensische Ökonomie erdrosselt. Die Wirtschaftsleistung der autonomen Gebiete fiel nach Uno-Angaben um zwei Drittel. 160000 palästinensische Arbeiter haben ihre Stelle in Israel verloren, mehr als 2000 wurden getötet, wahrscheinlich mehr als 40000 verletzt. Praktisch die gesamte, von der EU finanzierte Infrastruktur wurde von der Armee zerstört, bis hin zu Wasserleitungen und Schulen. Reiche Palästinenser investieren kaum noch in den Autonomiegebieten; die Korruption in Jassir Arafats Verwaltung besorgt den Rest.
Im Sommer schlug die US-Entwicklungsagentur USAID Alarm. Jedes fünfte palästinensische Kind unter fünf Jahren leide unter chronischer Unterernährung, die Lage sei schlimmer als in Somalia, notierten die Ermittler. 62 Prozent der Familien lebten mit weniger als zwei Dollar pro Tag. Der Generalmajor Amos Gilad, israelischer Koordinator für Westbank und Gaza, wiegelt ab: „Unterernährung ist, wenn die Leute geschwollene Bäuche haben und tot umfallen. Hier gibt es noch keinen Hunger.“
80000 Palästinenser sind vor der Not in Nachbarländer geflohen, schreibt die »Jerusalem Post«. Rania Awwad, Verantwortliche der Organisation Palestine Media Watch in Washington, unterstellt Tel Aviv Absicht: „Das ist ethnische Säuberung durch Aushungern.“ Awwad kann sich dabei auf diverse israelische Internet-Sites berufen, die der „Räumung der Gebiete von allen Arabern“ gewidmet sind und Palästinenser unter anderem mit Geld zur definitiven Emigration verlocken wollen. In dem Manifest „The Logistic of Transfers“ empfiehlt etwa die Gruppe Gamla die Massenausweisung der Palästinenser von der Westbank. Israel hält dagegen, verschiedene arabische Regime, darunter Saudi-Arabien, hielten zugesagte Hilfe zurück, um die Lage eskalieren zu lassen.
Vorbei die Hoffnungen, die sich mit dem Osloer Friedensabkommen verbanden. 1993 waren schöne Visionen von einem blühenden Nahen Osten im Umlauf, von einer neuen Wirtschaftszone mit der boomenden Hightech-Nation Israel als Mittelpunkt. Frieden durch Entwicklung. Zumindest dies verhindert Sharon: Ein palästinensischer Wirtschaftsraum entsteht nicht mehr, der Konkurrent ist ausgeschaltet. Die Palästinenser sind weit über den Nahen Osten hinaus für ihr geschäftliches Talent und ihre Organisationsfähigkeiten bekannt.
In Wahrheit blieb nur das halbe Wunder aus: Während in den palästinensischen Gebieten die Not nach 1993 sukzessive zunahm, rannten die internationalen Investoren – auch palästinensische – die Türen israelischer Konzerne ein und bescherten dem Land ein kurzes Jahrzehnt ungekannten Aufschwungs.
Jetzt hat Regierungschef Ariel Sharon mit seiner Politik der harten Hand den wirtschaftlichen Höhenflug rabiat gekappt. Israel versinkt in der Depression. Bis zu zehn Milliarden Dollar könnte der Krieg die Nation bisher gekostet haben.
Das Argument, Kriege beschädigten eine Ökonomie, wird allgemein akzeptiert. Aber stimmt es? Ökonomen ist aufgefallen, dass manche Kriege, vor allem die gewonnenen, eine Wachstumsphase nach sich ziehen. Kein Wunder: Infrastrukturen müssen neu aufgebaut, Rüstungsgüter ersetzt werden, man verfügt über neue Ressourcen und Märkte, die Lohnansprüche sind in Zeiten nationaler Bedrängnis leicht zu unterdrücken. Auch Israel erlebte etwa nach dem Sechs-Tage-Kriege einen solchen Kriegs-Boom.

Der Krieg ist nicht die Wurzel des Übels – es ist die Wirtschaftspolitik

Genau besehen, erklärt die zweite Intifada den schleichenden israelischen Bankrott nicht. Der Tourismus leidet, trägt aber auch in guten Zeiten nur 3,3 Punkte zur Wirtschaftsleistung bei. Warum sollte der Krieg Investoren bewegen, sich aus der israelischen Hightech-Industrie zurückzuziehen, wo doch gerade diese Konzerne strategische Komponenten für die in Kriegszeiten kaufkräftige Armee herstellen? Warum sollte ein jüdischer Kleiderimporteur in Paris seine Aufträge stornieren, weil Israel bedroht ist?
Das schwante sogar dem US-Think-Tank Stratfor, der fürs Pentagon arbeitet und Israel sehr freundlich gesinnt ist: „Das wirtschaftliche Problem Israels hat seine Wurzeln in der Wirtschaftspolitik, nicht in der Gewalt.“ Einen ersten Schlüssel lieferte die Posse um Neuwahlen, die Sharon Anfang September inszenierte. Alle paar Wochen hatten seine Minister neue Budgetpläne aufgelegt. Ende August eskalierte der Streit:
Sharon schnitt hart ins Sozialbudget. Arbeitslose und Bedürftige sollen, mitten in der größten Wirtschafts- und Sozialkrise des Landes, deutlich weniger Unterstützung bekommen. Begründung: Kriegskosten. Ein trügerisches Argument, denn kurz zuvor hatte die Regierung die Grundstückssteuer revidiert und damit gerade die reicheren Israelis entlastet. Akzeptiert dies, oder wir ziehen die Wahlen vor, blaffte Sharon seine Koalitionspartner von der Arbeiterpartei an. Was wiederum deren Chef Benjamin Ben Eliezer politisch nicht zu nutzen wusste: Der Mann ist Sozialdemokrat und Verteidigungsminister, sein Ressort profitiert von der Neuverteilung des Budgets.
So hielt es der Premierminister bei diversen Novellen regelmäßig mit den Besitzenden. Der Abgeordnete Tamar Gozansky hat ausgerechnet, dass dem Staat durch diverse Nettigkeiten an die Großverdiener acht Milliarden Dollar pro Jahr entgehen – eine Umverteilung von unten nach oben. Die Last des Krieges für die Armen, jede Freiheit für die Eliten, selbst die Freiheit, mit ihrem Kapital zu fliehen. Dieser neoliberale Angriff auf den fürsorglichen Staat folgt zwar den drängenden Empfehlungen des Internationalen Währungsfonds, bricht jedoch mit einer israelischen Tradition, die der Geschichte und der Idee des Zionismus geschuldet war. Der Krieg hilft, die Attacke auf die Grundlagen der israelischen Gesellschaft zu verschleiern.
Wutentbrannt über Schnitte ins Sozialbudget, hohe Inflation, Arbeitslosigkeit und den zurückgehaltenen Teuerungsausgleich, hatte Amir Peretz, der den großen Gewerkschaftsverband Histadrut kommandiert, mit Generalstreik, gar mit einem „Tag der Volksrevolte“ gedroht. Peretz hat ungleich mehr Macht als europäische Gewerkschaftsführer: Wenn er will, stehen Israels Räder wirklich still. Er ist, im Prinzip, ein Linker: Vor der letzten Wahl verließ er die Arbeiterpartei, weil er die Politik des damaligen Premiers Ehud Barak für zu neoliberal hielt und gründete die Partei Am Echad (Eine Nation). Motto: Kampf gegen die soziale Ungerechtigkeit. Seinen Tag der Revolte sagte er dennoch ab: „Ich darf das in dieser angespannten Sicherheitslage nicht tun.“ Er werde noch ein wenig warten, die „Bürger langsam vorbereiten“.
Dann werden die Israelis vielleicht einen Vorgeschmack dessen bekommen, was sie alle befürchten: die soziale Implosion des Landes. Jeder wisse das, hört der Besucher bei Dinners, Kongressen, Kaffeehausgesprächen: Nicht die Araber werden uns vernichten, Israel wird an seinen eigenen sozialen Gegensätzen scheitern.
Wlodek Goldkorn, ein polnisch-italienischer Autor jüdischen Glaubens, zählte in der geopolitischen Zeitschrift »Limes« „vier Länder oder fünf Stämme in Israel“: die säkularisierten Mittelmeerstädte, den sehr orthodoxen Teil Jerusalem und ähnliche Quartiere anderswo, die militanten Siedler, die arabische Minderheit und die auf ihre Traditionen bedachten Russen. „Jede dieser Gruppen hat ihre eigene Agenda für Israel“, schreibt Stratfor. Myriam, die Textilarbeiterin von Kiryat-Gat würde weiter den Rassismus der „reichen“ Volksgruppe der Aschkenasim gegen die der Sephardim betonen und ihren eigenen gegen die äthiopischen Juden ausblenden. Sharon wiederum forderte wegen der hohen Geburtenrate der israelischen Araber „eine Million neuer Einwanderer“.

Die Wirtschaftskrise treibt den Hass weiter: Jetzt sind die Araber auch Konkurrenten um den Job

Brisant, wenn sich diese Gegensätze nun durch soziale Not und eine Globalisierungskrise zuspitzen. Im hohen Grad der globalen Verflechtung findet sich der andere, entscheidende Grund für den gegenwärtigen Zusammenbruch Israels. Israel stürzt ab, weil die Nasdaq-Economy zusammenbrach. Auf Hightech, Internet, Elektronik, IT und Biotechnologie hatte das Land seinen Aufschwung in den vergangenen zehn Jahren gebaut, mehr als auf Landwirtschaft, Tourismus, Diamanten oder Banken.
Entschieden hat das die Politik. Hightech wuchs in der ersten Phase mit enormer staatlicher Förderung aus der Rüstungsindustrie (bis hin zu eigenen Satelliten). Drängend das Bedürfnis, sicherheitstechnisch autark zu sein, nach dem Rüstungsembargo De Gaulles 1967 und der Begegnung mit einem auch technologisch hoch gerüsteten Gegner im Yom-Kippur-Krieg von 1973. Dann holten Tel Avivs Regierungen, zweite Phase, russische Spezialisten ins Land. Schließlich, dritte Phase, erkannte man die Möglichkeiten, diese Produktion in einem deregulierten Markt global zu verkaufen, mit zum Teil stupendem Erfolg.
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Alt 15-02-2007, 20:17   #3
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2.Teil

Der löst mitunter beim Schutz- und Weltpatron Irritationen aus, wie unlängst, als Hamburger Zollfahnder „ganz zufällig“ auf eine Lieferung aus Israel nach Iran stießen, mit Komponenten, die für Waffen verwendet werden können. Wie »Indymedia Israel« enthüllt, hatte kurz zuvor ein US-Senats-Komitee für Sicherheit israelische Waffenlieferungen nach China moniert.
Israel, das von Washington drei Milliarden Dollar Direkthilfe pro Jahr erhalte, sei der zweitgrößte Exporteur nach China. Peking wiederum verkaufe sein Gerät mit israelischer und teilweise amerikanischer Technologie an Nordkorea und Iran, also an zwei der drei Staaten, die Präsident George W. Bush zur „Achse des Bösen“ erklärte.
An der Zahl der an der New Yorker Börse notierten Technologiewerte gemessen, belegten israelische Konzerne Ende 1999 den zweiten Rang: Titel wie Scitex, Elscint, Check Point, Amdocs, ECI Telecom oder Teva zogen das spekulative Hightech-Kapital an. 2000 machten Hochtechnologie-Firmen mehr als die Hälfte der gesamten Exporte Israels. Die Krise dieses Sektors ließ den israelischen Traum platzen. Der Crash beschädigte die nationale Wirtschaft stärker als anderswo.
Lili aus Kiryat-Gat, die um ihre Stelle bei der Textilfirma Bagir bangt, will davon nichts wissen: „Die Ägypterinnen und Jordanierinnen sind schuld. Sie arbeiten für nichts plus ein paar Zerquetschte.“ -----|
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