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Alt 06-11-2003, 23:05   #1
Starlight
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Alfred Maydorn- Interview -- Internet-Aktien vor zweitem Boom

BLUeBULL-Kolumne: Maydorn-Interview - Internet-Aktien vor zweitem Boom
06.11.2003 15:58:00



Internet-Aktien - ein Reizwort par excellence, weckt es doch Assoziationen zu Boom und Crash gleichermaßen. Eng verbunden damit ist ohne Frage der Name Alfred Maydorn, Fondsmanager und stellvertretender Chefredakteur von "Der Aktionär".
Als sich von 1997 bis 2000 unter dem Druck hoher liquider Mittel eine gewaltige Welle in Form von steigenden Internet-Aktien auftürmte, war Alfred Maydorn mitten im Zentrum der Kapitalströme. Er dirigierte durch Empfehlungen Anlegergelder in immer neue Top-Tipps, die kurzfristig außergewöhnliche Gewinne brachten. Doch auf dem Höhepunkt, der maximalen Ausdehnung der Energie, brach die Welle in sich zusammen. Es war Anfang 2000, als Kleinaktionär Herr Mustermann von der Begeisterung mitgerissen wurde, die Bild-Zeitung weglegte, beschloss Aktionär zu werden, mit seinen Pantoffeln und im Unterhemd zum PC schlurfte und Geld in 22 Yahoo-Aktien fließen ließ, was der letzte Tropfen war, der die hoch aufgetürmte Riesenwelle zum Brechen brachte.

Der Neue Markt verlor fast 90 Prozent, viele Internet-Aktien in wenigen Monaten noch mehr. Die Karibik-Aussteiger-Träume von Herrn Mustermann wurden in Sekunden parallel zu seinem Depotwert mitgerissen. Unternehmen versanken in der Insolvenz, ganz oben auf der Welle reitende Börsengurus gingen auf Nimmerwiedersehen in den Fluten unter.

Um so bemerkenswerter ist, dass gerade der Internet-Experte Alfred Maydorn nicht nur wieder aufgetaucht ist, sondern mehr denn je mit allen Wassern gewaschen scheint und mit einer Performance von 140 Prozent seit Anfang des Jahres den derzeit erfolgreichsten deutschen Internet-Fonds managt. Die Bereinigung in der Internet-Branche hat nur die schwachen Unternehmen hinweggespült, den anderen fließt nun wieder Vertrauen in Form von Kapital zu – und das ist erst der Anfang, so Maydorn, denn mehr als 50 Prozent der Internet-Aktien sind mittlerweile schon profitabel.

Frage: Herr Maydorn, können Sie sich noch an ihren ersten Aktienkauf erinnern? Wann und wie hat sie das Börsenfieber gepackt?

Maydorn: Das waren 1989 Aktien der Bremer Vulkan. Und ich hab damit sogar Geld verdient. Das war ja weit vor der Pleite.

Frage: Richtig los an den Börsen ging es ja erst ein paar Jahre später. Sie haben den steilen Aufstieg und den harten Einbruch der Internet-Werte hautnah miterlebt. Hat sich Ihre Einstellung zur Börse danach verändert?

Maydorn: An meiner Einstellung hat sich überhaupt nichts geändert. Man hat viel daraus gelernt. Und es hat sich einmal mehr bestätigt, dass an der Börse alles möglich ist, nach unten wie nach oben.

Frage: Haben Sie Lehren daraus gezogen?

Maydorn: Ja sicherlich, ein bisschen schon. Ich habe ja viele Phasen miterlebt, auch den Anstieg zuvor. Ich bin insoweit vorsichtiger geworden, dass ich weniger extrem handle.

Frage: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung der Aktienkultur in Deutschland ein? Waren die Übertreibungen an den Börsen trotz allem ein Startschuss für eine weiter wachsende Anlegergemeinde, oder haben die teilweise kräftigen Kursverluste auf Jahre potenzielle Anleger verschreckt?

Maydorn: Beides im Prinzip. Klar, es steht außer Frage, dass viele Anleger verschreckt und verjagt worden sind. Es ist aber so, dass ein Grossteil derer, die noch vor einem halben Jahr gesagt haben "nie mehr Börse", jetzt schon wieder Aktien kaufen oder überlegen einzusteigen.

Neue Höchststände in Sicht

Frage: Glauben Sie, dass etwa der DAX seine alten Höchststände wieder erreicht?

Maydorn: Da bin ich mir sicher, absolut - klar. Das wird aber ein paar Jahre dauern, aber auch beim NASDAQ sehen wir die 5.000 wieder. Es hängt ja auch damit zusammen, dass sich die Indexzusammenstellung auch ändert. Es sind ja teilweise ganz andere Werte im DAX als noch vor fünf Jahren. Das passt sich natürlich immer den Branchen an, die gerade gut laufen. Ich wäre überrascht, wenn wir in fünf Jahren keine neuen Höchststände sehen würden.

Groteske Situationen

Frage: Können Sie sich an eine besonders groteske Situation in den Zeiten des Booms erinnern, bei der sie sich gedacht haben: Lange kann das (der grenzenlose Optimismus) nicht mehr gut gehen?

Maydorn: Da gab es viele Momente. Etwa, wenn man Aktien hat, die an einem Tag um 30 Prozent steigen und am nächsten noch mal um 20 Prozent. Es gab da einmal eine Neuemission, die bereits zwei Monate später bei rund 40 Dollar einen Split angekündigt hat.

Frage: Doch nun zurück in die Gegenwart. Sie sind seit Mitte Februar als Fondsmanager des H&A Lux DAC-INTERNET-FONDS tätig. Was kann Ihr Fonds, was unterscheidet ihn?

Maydorn: Im Prinzip unterscheidet ihn alles, da Konkurrenzfonds sehr indexorientiert sind. Sie suchen sich einen Index und bilden ihn weitestgehend nach. Da die Fonds in der Regel von Banken kommen, lehnen sie sich nicht sehr weit aus dem Fenster. Das ist natürlich nicht einfach für Fondsmanager, wenn man vom Index abweicht und es schief geht, riskieren sie ihren Kopf bzw. Job. Wir hingegen können unabhängig von Banken gegen den Mainstream gehen. Ich habe z.B. fast nur Werte aus der zweiten und dritten Reihe in unserem Fonds. Ich habe auch den Vorteil gegenüber anderen Fonds, da das Volumen des Fonds relativ klein ist – rund 7 Mio. Euro – das heißt, ich kann kleinere Werte kaufen, die ein 700 Mio. Euro-Fonds z.B. nicht kaufen kann.

Frage: Wo liegt die Untergrenze bei Ihren Investments?

Maydorn: Ich kaufe nur Aktien, bei denen ich innerhalb von drei Tagen mit meinem Investment rein oder wieder raus kann. Die kleinsten Werte liegen etwa bei einer Marktkapitalisierung von 50 bis 100 Mio. Euro.

Aussichtsreiche Depotwerte

Frage: Können Sie unseren Lesern kurz zwei aussichtsreiche Depotwerte näher vorstellen?

Maydorn: Earthlink ist der drittgrößte Internet-Provider in den USA hinter AOL und Microsoft. Das ist ein klassisches Beispiel, dass Internet-Aktien heute nicht mehr teuer sein müssen, das KGV liegt bei etwa 20, bei einem erwarteten Gewinnwachstum von 40-50 Prozent. Ein Drittel der Marktkapitalisierung ist durch Cash abgedeckt. Das Potenzial ist vergleichbar mit T-Online, wobei T-Online im Vergleich dazu bockteuer ist. Man geht jetzt auf Breitbandzugänge, die deutlich margenträchtiger sind. Airspan Networks macht Technologie für drahtlose Internet-Zugänge im Long-Distance-Bereich. Sie können dann drahtlos im Internet surfen, über mehrere Kilometer hinweg - was natürlich hochinteressant ist für Regionen mit schwacher Infrastruktur wie China oder Südamerika.

Frage: Was halten Sie von dem derzeit sehr populären drahtlosen Einstieg ins Netz per Hot Spots?

Maydorn: Davon halte ich sehr viel. Ich habe relativ viele Aktien, die damit viel zu tun haben. Diese Wireless-Geschichte war schon einmal vor drei bis vier Jahren in der Fantasie eine Riesensache. Dann ist das ganze aber in der Vision steckengeblieben. Jetzt aber hat man hier richtig Fuß gefasst. Es gibt auch in der Branche schon viele Firmen, die schon Gewinne erzielen. In den USA hat mittlerweile fast jeder Starbucks-Laden einen Hot Spot.

Frage: Und welche Werte halten Sie aus diesem Bereich?

Maydorn: Ich suche hier Pure-Players. Netopia beispielsweise ist ein Anbieter von Hard Ware, wie Antennen für die Hot Spots. Sierra Wireless wäre hier noch zu nennen, die die kleinen Einsteckkarten für die Notebooks herstellen.

Frage: 56 Prozent der deutschen Erwachsenen und sogar 77 Prozent der Besserverdienenden in Deutschland sind bereits online. Das große Wachstum scheint hier Vergangenheit zu sein. Sehen Sie noch Wachstumspotenziale rund ums Internet?

Der zweite Boom am Aktienmarkt

Maydorn: Ja, absolut. Es gibt ja eine Entwicklungskurve von neuen Produkten. Aktien erreichen in der Regel die vorläufigen Höchststände, wenn ein neues Produkt oder eine Dienstleistung eine Marktdurchdringung zwischen 10-20 Prozent hat. Und dann gibt es in der Regel bei einer Durchdringung von 50 Prozent einen Shakeout, wenn klar wird, dass die ursprünglichen Prognosen nicht erfüllt werden können. Und dann gibt es den Durchdringungsboom. Das ist genau die Phase, in der wir jetzt sind, in der das Internet von einer Marktdurchdringung von 50 Prozent auf bis 90 Prozent und mehr kommt. Und in genau der Phase gibt es am Aktienmarkt den zweiten Boom. Und dieser wird vom Niveau her deutlich höher sein, als der erste. Allerdings sind auch deutlich weniger Firmen beteiligt. Das gab es bei der Eisenbahn, beim Automobil, beim PC und jetzt beim Internet.

Frage: Demzufolge sehen Sie trotz der jüngsten großen Kursgewinne noch weiteres Potenzial bei den Internet-Aktien?

Maydorn: Ja, sicherlich. Der Vorteil im Internet ist, dass neben den großen Markt-Playern, die überleben werden, immer neue Nischen entstehen, in denen sich neue Firmen etablieren können. Das macht die Sache so interessant.

"Erstaunlich günstig"

Frage: Derzeit stecken Unternehmen nur 2-3 Prozent des gesamten Werbebudgets in die Internet-Werbung. Sehen Sie hier weiteren Spielraum, und welche Firmen könnten davon profitieren?

Maydorn: Ich habe aktuell sogar einen in Deutschland gehandelten betreffenden Wert im Fonds: ad pepper. Die Hälfte der Marktkapitalisierung ist durch Cash abgedeckt, und wenn sie das Cash abziehen würden, liegt das KGV bei ca. 10. Das ist schon erstaunlich günstig. Wenn Sie sich überlegen, dass vor wenigen Jahren Internet-Werte mit KGVs von 200-300 gehandelt worden sind, die nun bei einem KGV von 10 niemand mehr will.

Teuere US-Aktien

Frage: Sie investieren den Großteil ihres Fondsvolumens in den USA. Schrecken Sie ein immer schwächerer USD und die hohe Verschuldung der Haushalte nicht ab?

Maydorn: Das ist natürlich ein Problem. Ich glaube auch, dass man kurzfristig beim Euro neue Höchststände sehen wird. Langfristig sehe ich jedoch durchaus Vorteile für den US-Dollar bzw. die amerikanische Wirtschaft.

Überbewertet: Yahoo und Amazon

Frage: Vielfach ist die Rede von einer vergleichsweise hohen Bewertung von US-Aktien. Was ist Ihre Meinung dazu?

Maydorn: Teilweise sind die Titel durchaus zu hoch bewertet; z.B. eine Yahoo und Amazon sehe ich derzeit klar als zu teuer an. Doch Titel aus der zweiten und dritten Reihe werden von den Analysten teilweise gar nicht mehr gecovert und sind jedoch immer noch unterbewertet. In den USA wie auch in Deutschland ist dies der Fall.

Frage: Haben Sie eine Meinung zum aktuellen Verlauf der deutschen Börsen. Sollten Anleger derzeit beispielsweise ein Investment in DAX-Titel in Erwägung ziehen, oder auf einen eventuellen weiteren Rückschlag warten?

Maydorn: Einen größeren Rückschlag erwarte ich nicht. Den Anlegern rate ich, in die Schwäche hineinzukaufen. Das ist im Prinzip sicherlich eine Phase, in der man jetzt kaufen muss.

Wichtigste Grundregel!

Frage: Was ist Ihrer Meinung nach der häufigste Fehler, den Anleger machen?

Maydorn: Im Prinzip kann man alle Börsenweisheiten vergessen, wenn man folgende Grundregel einhält: Gewinne laufen lassen und Verluste begrenzen. Wenn jemand, der ein prächtig laufendes Auto und einen ruckelnden Zweitwagen fährt, Geld braucht, verkauft er normalerweise doch auch erst das schwach performende Gefährt. Mit Aktien handeln jedoch die meisten unvernünftigerweise genau umgekehrt.

Frage: Was machen Sie, um sich von Ihrer Arbeit zu entspannen, was sind Ihre Hobbys?

Maydorn: Ab und an fahre ich gerne Fahrrad. Ansonsten mache ich in meiner wenigen freien Zeit aber vor allem auch eines gerne: Schlafen.


Quelle:Finanzen Net

Geändert von Starlight (06-11-2003 um 23:11 Uhr)
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