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Alt 09-03-2005, 16:39   #1
Starlight
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"US-Bilanzen sind so gut wie seit langem nicht mehr"

"US-Bilanzen sind so gut wie seit langem nicht mehr"

Von Oliver Süss

Zur Person:

Lee Spelman leitet den Bereich US-Aktien der US-Fondsgesellschaft JPMorgan Fleming Asset Management. Vor ihrer Ernennung war sie als Senior Research Analyst auf amerikanische High-Tech-Aktien aus den Bereichen Computer, Software und Speichersysteme spezialisiert und für diesen Bereich zugleich weltweite Teamleiterin.

Vor ihrer Karriere bei JPMorgan, die sie bereits 1989 begann, war Lee Spelman Partnerin und Research-Direktorin bei der Investmentbank Martin Simpson & Co. Insbesondere den Technologiesektor beobachtet sie seit den siebziger Jahren.


BÖRSE ONLINE: Sie sind nach wie vor im Optimistenlager für den US-Aktienmarkt. Warum?

Lee Spelman: Wir rechnen 2005 mit einem Plus von fünf bis acht Prozent für den Gesamtmarkt. Den Grund für unseren Optimismus sehen wir vor allem im anhaltend guten Gewinnwachstum, das derzeit mit Raten von rund 20 Prozent glänzt. Auch wenn sich das Tempo 2005 etwas verlangsamen wird, stimmen uns weitere Faktoren positiv. Der fallende Dollar kommt beispielsweise den multinationalen US-Konzernen zu Gute. Zudem sind die Bilanzen der 500 größten US-Aktiengesellschaften so gut wie seit langem nicht mehr. Die Tatsache, dass sich immer mehr liquide Mittel in den Bilanzen angesammelt haben, wird zu vermehrten Übernahmen, Dividendenzahlungen und Aktienrückkäufen führen. Das sind alles Argumente für ein moderates aber beständiges Wachstum.

BÖRSE ONLINE: Dennoch sprechen auch viele Argumente dagegen: Der Ölpreis ist wieder über 50 Dollar und damit genauso auf Rekordniveau wie das amerikanische Haushaltsdefizit.

Spelman: Natürlich muss man den Ölpreis genau im Auge behalten. Allerdings sieht er nur auf absoluter Basis hoch aus. Berücksichtigt man die jährlichen Inflationsraten, sind wir noch weit von den historischen Höchstständen entfernt. Aber natürlich werden höhere Ölpreise von den Unternehmen früher oder später an die Konsumenten weitergegeben. Unsere Öl-Analysten rechnen für 2005 mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 40 Dollar pro Barrel. Sollten die Notierungen über 60 Dollar gehen, müssten wir unsere Prognose für 2005 senken. Ähnlich vorsichtig beobachten wir auch die Entwicklung des US-Haushaltsdefizits. Noch scheint die US-Wirtschaft trotz derartiger Einflüsse stark genug.


Warum US-Aktien auch trotz des beständig fallenden Dollars für europäische Anleger interessant sind.

BÖRSE ONLINE: Sind US-Aktien vor dem Hintergrund eines weiter sinkenden Dollars für europäische Anleger überhaupt interessant, die dadurch laufend Währungsverluste erleiden?

Spelman: Es ist nach wie vor wichtig für europäische Anleger, in den USA investiert zu sein. Auf der einen Seite droht zwar das Währungsrisiko, auf der anderen Seite profitieren die multinationalen US-Konzerne aber auch vom Dollar-Verfall. Allgemein ist es ohnehin sehr schwer, die Entwicklung von Wechselkursen vorherzusagen.

BÖRSE ONLINE: Haben Sie trotzdem ein Szenario?

Spelman: Unsere Währungsanalysten prognostizieren derzeit einen Dollarkurs von 1,30 Euro, was ungefähr dem aktuellen Niveau entspricht.

BÖRSE ONLINE: Welche Bereiche der US-Wirtschaft erscheinen Ihnen derzeit besonders interessant?

Spelman: Am meisten versprechen wir uns von zyklischen Industriezulieferern wie beispielsweise Tyco oder Praxair und vom Rohstoffsektor. Es sieht alles danach aus, als ob die Unternehmensausgaben nun endlich nachhaltig anziehen. Daher haben wir beispielsweise auch den Technologiesektor erstmals seit langem sehr leicht übergewichtet und werden diese Position im Verlauf des Jahres wahrscheinlich noch ausbauen. Hier sind unsere Favoriten Cisco Systems und Qualcomm.


Weshalb Lee Spelman die Bewertungen von Technologieaktien eher wieder interessant als zu hoch findet.

BÖRSE ONLINE: Sind Technologietitel inzwischen nicht wieder überbewertet?

Spelman: Im Gegenteil: So langsam werden die Bewertungen aus unserer Sicht wieder interessant. Endlich gibt es Anzeichen einer überfälligen Konsolidierung. Ich beobachte den Technologiesektor seit den Siebziger Jahren. Derzeit durchlaufen wir das erste Mal eine Periode, in der es keinen großen innovativen Treiber wie einstmals den PC oder das Internet gibt. Die Microsoft-Aktie steckt beispielsweise seit mehr als drei Jahren im Bereich zwischen 25 und 28 Dollar fest. Weil es momentan kaum Innovationen gibt, werden wir vor allem im Softwaresektor nach Oracle und PeopleSoft und Symantec und Veritas noch zahlreiche Übernahmen sehen. Das könnte die Branche wieder beflügeln.

BÖRSE ONLINE: Klingt ziemlich optimistisch ...

Spelman: Wir sind nicht allzu bullish, weil wir glauben, dass in den nächsten zehn Jahren die meisten Innovationen nicht von den großen Playern ausgehen werden, sondern eher aus der Open-Source-Bewegung rund um Linux kommen werden. Hier können Firmen groß werden, die wir heute noch gar nicht kennen.
BÖRSE ONLINE: Müssen innovative Softwarefirmen nicht fürchten, von den Branchengrößen aufgekauft zu werden, bevor sie wirklich groß werden?

Spelman: Ich denke, das wird sich wieder ändern, wenn das Klima für Börsengänge allmählich wieder besser wird. Die ersten Erfolge Google beispielsweise haben wir im vergangenen Jahr bereits gesehen. Viele innovative Softwarefirmen wollen sich nicht an Microsoft verkaufen.


Was Lee Spelman von der Finanzbranche und dem Energiesektor hält und wovon sie derzeit die Finger lassen würde.


BÖRSE ONLINE: Wie sehen Sie die Finanzbranche?

Spelman: Die Investmentbank Morgan Stanley sollte von zunehmenden Übernahmeaktivitäten profitieren und die Citigroup sollte so langsam die gröbsten Probleme hinter sich gelassen und ein starkes Dividendenjahr vor sich haben. Außerdem gefällt uns auch der Versicherungssektor, vor allem im Bereich Industrieversicherungen wo wir Firmen wie Ambac Financial Group, Willis Group Holdings oder den Rückversicherer RenaissanceRe für besonders aussichtsreich halten.

BÖRSE ONLINE: Den Energiesektor haben sie im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen jetzt noch gar nicht besonders hervorgehoben ...

Spelman: Wir hatten den Energiesektor 2004 deutlich übergewichtet und haben unsere Positionen nun auf ein sehr geringes Übergewicht reduziert. ConocoPhillips ist derzeit unsere größte Position. Mittlerweile hat jeder gemerkt, was im Energiesektor passiert. Wir wollen dem Markt wenn möglich voraus sein und nicht hinterherlaufen. Der Energiesektor ist mittlerweile überbewertet.
BÖRSE ONLINE: Gibt es Ausnahmen?

Spelman: Nach wie vor lohnt es sich noch, Aktien aus dem Erdgas-Sektor unter die Lupe zu nehmen.

BÖRSE ONLINE: Wo sollte man sich als Anleger gerade zurückhalten?

Spelman: Eher pessimistisch sind wir vor allem für den Einzelhandelssektor und die Automobilindustrie. Japanische und europäische Fahrzeughersteller haben nach wie vor deutliche Wettbewerbsvorteile.


Quelle: BörseOnline
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