Alt 04-12-2006, 00:57   #1
Auf Wunsch gelöscht
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Ins Große durchs Ganze

Gegen Globalisierung, heißt es, gibt es nur zwei Mittel:
mitmachen oder abdichten, seine Identität verlieren oder sein Geschäft.
Besser klappt es umgekehrt: Die Welt erschließt sich durch
Unterschied und Wettbewerb. Auf kleinstem Raum. In der Region.


Das Personal wusste Bescheid, Widerspruch war zwecklos: Wann immer Iwan David Herstatt etwas benötigte, musste es aus Köln sein. Ob Anzüge, Krawatten, Brot oder Schaumwein – gekauft wurde im Auftrag des Bankiers und Gründers der I. D. Herstatt KGaA, dem Inbegriff des deutschen Bankenwirtschaftswunders der fünfziger und sechziger Jahre, lokal, regional, vor Ort. Vom Erfolg seiner Bankgeschäfte sollten auch die profitieren, mit denen der Banker, der in mehr als 50 regionalen Vereinen als Mitglied wie spendabler Gönner wirkte, lebte und groß geworden war. Herstatt war ein deutsches Märchen und endete als deutsches Drama. Nach dem unvergleichlichen Aufstieg stürzte er über seine globalen Devisengeldgeschäfte, die er mit seinem Chefhändler und Stellvertreter Dany Dattel eingefädelt hatte, den der Alte stets seinen „Goldjungen“ nannte. Mit 614 Millionen Euro Schulden ging die Herstatt-Bank unter und mit ihr 70 000 Kunden und 850 Mitarbeiter.

Der Untergang des Iwan D. Herstatt bestätigte scheinbar, was viele im Land bis heute glauben: Solange wir unter uns bleiben, ist alles gut. Doch kaum ist der Rest der Welt im Spiel, geht alles daneben. Warum? Wie kann es sein, dass das zweifellos Gute im Land mit der Welt so schwer zusammenkommt? Oder genauer gefragt: Wie wird man weltfremd? Und was ist die Globalisierung? Die Antwort kennen viele aus dem Effeff: Globalisierung ist, was uns die anderen wegnehmen – Jobs, Geld, Wohlstand, Sicherheit, die Existenz. So hört man es oft. Es sind Debatten so flach wie die Landschaft Nordfrieslands, Ängste null Meter über Normalnull. Die Welt ist keine Scheibe, aber für manche sieht sie trotzdem so aus.

Globalisierung bedeutet nicht mehr und nicht weniger, als dass Menschen und Kapital, Ideen und Güter, Märkte und Wohlstand nicht mehr hauptsächlich von Nationalstaaten kontrolliert und gesteuert werden, so, wie das in Europa seit Jahrhunderten üblich war. Regierungen verlieren als Steuerinstrument der Entwicklung an Bedeutung. Internationale Organisationen und Kooperationen hingegen gewinnen an Einfluss. Regeln und Gesetze, die nur für ein geschlossenes System, den alten Staat, gedacht sind, haben weniger Nutzen. Wer mit dem Rücken zur Welt lebt, versteht sie bald nicht mehr. Dass die Globalisierung die Verhältnisse grundlegend verändert, kann niemand bestreiten. Zum Beispiel sorgt sie dafür, dass der Exportweltmeister Deutschland mehr Waren und Dienstleistungen exportiert als jede andere Nation. Der schwedische Ökonom Johan Norberg hat noch eine Reihe anderer Errungenschaften der Globalisierung hinzugefügt, die seit den fünfziger Jahren zunehmend die Weltwirtschaft bestimmt: „24 arme Länder und damit drei Milliarden Menschen haben sich in die globale Wirtschaft integriert, indem sie ihre Zölle dreimal mehr als andere gesenkt und ihren Anteil am Welthandel im Verhältnis zur eigenen Wirtschaftskraft verdoppelt haben. Ihre jährlichen Wachstumsraten sind um fast fünf Prozent pro Kopf gestiegen, mehr als doppelt so viel wie die Raten in den reichen Ländern.“


II. Innenansichten


Als die Welt noch fest im Griff der Nationalstaaten war, im Jahr 1950, hungerten fast dreimal so viele Menschen in den Entwicklungsländern wie heute, schreibt Norberg. Für all diese Staaten bedeutet Globalisierung Wohlstand durch Öffnung. Damit ist das Unwort eine bedeutende Waffe gegen die Armut und für einen Zustand geworden, der so vielen am Herzen liegt: Gerechtigkeit. Menschen, die in ihrem Leben den Wandel von nationalstaatlicher Enge zur Globalisierung erlebt haben, sehen das anders als die, die ihre Pfründe durch die Öffnung bedroht sehen.

Das Washingtoner Forschungsinstitut PEW – For the People and the Press – macht sich regelmäßig die Mühe, die Bürger der Staaten dieser Welt nach ihrer Einstellung zu ihrem eigenen Leben, ihrer eigenen Nation und zur Welt im Allgemeinen zu befragen. In Asien, einst mit Afrika das Synonym für Armut, halten nur etwas weniger als sechs Prozent der Bürger die Globalisierung für eine üble Sache. In Europa hingegen sieht es deutlich anders aus. Rund 26 Prozent der Deutschen und 36 Prozent der Franzosen halten die Globalisierung für schlecht. Die Reihung ist nicht überraschend. Frankreich gilt als der Nationalstaat per se – man sieht sich gern als „Grande Nation“.

Der deutsche Nationalismus führte zu den Katastrophen des 20. Jahrhunderts. Die Abkehr von den nationalistischen Inhalten nach 1945 ging aber nicht weit genug: Die falschen Ideale wurden beseitigt – aber die falschen Formen weiterhin gepflegt. Nach wie vor fordern viele den starken, geschlossenen, hermetisch abgeriegelten Staat. Sie fordern Vorrechte. Nationalstaaten sind daran leicht erkennbar. Sie beschäftigen sich vorwiegend mit sich selbst, so wie jene, die in ihm das einzig Wahre sehen. Es sind alle, die mit dem Staat Geschäfte machen, für ihn arbeiten, die Hand aufhalten, wenn er umverteilt, all jene also, die sich nicht vorstellen können, dass es irgendwo, irgendwann anders sein könnte, als es ist. Du bist Deutschland.

Aber wer sind eigentlich die anderen da hinten?


III. Die Patrioten


Über Fußball macht man sich nicht lustig. Auch dann nicht, wenn im Rahmen etwa einer Fußballweltmeisterschaft merkwürdige Dinge passieren. Nehmen wir mal die Parole der Bundesregierung, die lautete, dass durch die in Deutschland ausgetragene Fußball-WM die heimische Wirtschaft neuen Schwung bekommen würde. Es schwingt zwar – doch kein ernst zu nehmender Ökonom führt das auf die Binnennachfrage oder die reformatorischen Meisterleistungen der deutschen Regierungen in den vergangenen Jahren zurück. Deutschlands Wirtschaft schwingt mit der globalen Konjunktur mit. Womit auch sonst?

Das ist wahr – aber kein Hindernis für Politiker, ihren Bürgern etwas anderes zu erzählen. Klarerweise, tönten SPD-Funktionäre, sei der Aufschwung dem segensreichen Wirken Gerhard Schröders zuzuschreiben. Quatsch, rief die CDU, natürlich sei die Kanzlerin dafür verantwortlich. In Wirklichkeit haben Schröder und Merkel mit dem leichten Aufschwung ungefähr so viel zu tun wie der Neumond. Möglicherweise, nicht alles ist gewiss, ist die Auswirkung des Mondes auf die deutsche Konjunktur sogar etwas größer. Mit Sicherheit zeigt das Beispiel aber, wem der geschlossene Staat nützt – jenen, die darin die Macht beanspruchen, also Posten, Einfluss, den Zugriff auf die nationale Umverteilung von Vermögen, kurz und gut: nur dem System selbst.

Wer behauptet, er könne den Gang der Welt in einem 82-Millionen-Einwohner-Staat (zur Erinnerung: rund 1,3 Prozent der Weltbevölkerung) gegen den Rest (alias 98,7 Prozent) drehen, glaubt alles, auch, dass man mit halbherzigen Reförmchen wieder in Schwung kommt. Was würden wir von Zimmerleuten sagen, die versuchten, auf offener See Balken ins Wasser zu nageln? Und warum nennen das so wenige beim Namen: Schwachsinn? Nationaler Schwachsinn. Doch niemand guckt hin. So gehen die nationalen Parteien und Organisationen, ihre Ämter, Behörden und Funktionäre ungestört dem nach, was sie für ihre Geschäfte halten. Diese Patrioten in eigener Sache sind ausgesprochen respektlos, wenn sich für sie Vorteile ergeben.

Nehmen wir die Fahne. Schwarzrotgold. Wer die vor der Fußballweltmeisterschaft einfach so hisste, wurde vom Verfassungsschutz beobachtet respektive engagiert. Nach der WM ist der Umgang mit Schwarzrotgold endlich normal, mehr als 60 Jahre nach Kriegsende. Das ist der Verdienst einer jungen Generation, die nicht aus verkappten Nationalisten besteht, sondern aus Realos. Der ungezwungene Umgang mit der Flagge ist ein Zeichen dafür, dass sich diese Generation von der in engen Grenzen verlaufenden Geschichte ihres Landes befreit hat. Schwarzrotgold stand immer für den besseren Teil der deutschen Geschichte, für Patriotismus. Und der ist das krasse Gegenteil des Nationalen. Patrioten sind Freiwillige, Menschen, die sich ohne Zwang für eine Sache entscheiden und damit erst eine Demokratie bilden können. Patrioten müssen weder eine gemeinsame Sprache sprechen noch einer bestimmten Religion angehören. Sie müssen sich nicht auf eine tausendfach geklitterte gemeinsame Geschichte berufen oder auf den seltsamen Umstand, dass nur der ein guter Bürger ist, der in dem Land, in dem er lebt, geboren ist. Sie brauchen keine Einbürgerungstests mit überflüssigen Fragen. Für diese neuen Patrioten bedeutet die Fahne nicht mehr und nicht weniger als das Logo einer Turnschuhmarke – für die sich der Träger ebenfalls freiwillig entschieden hat. Und wie bei Turnschuhen braucht es kein „heiliges Band“, um dieses Verhältnis festzuzurren.

Das ist so ähnlich wie beim Alt-Bundespräsidenten Gustav Heinemann, der den Mut und den Anstand hatte, auf die Frage, ob er sein Vaterland liebe, zu antworten: „Ich liebe meine Frau.“ Das ist kein Widerspruch, sondern ein Unterschied.
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Alt 04-12-2006, 00:58   #2
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IV. Der Reichtum der Regionen


Klug ist auch ein Satz der Bürgerrechtsbewegungen der siebziger Jahre: Global denken, lokal handeln. Mit anderen Worten: mit offenen Augen durch die Welt gehen und das Richtige dort tun, wo man lebt. Diese Haltung ist eigentlich nahe liegend. Nicht nur Menschen sollten sich so verhalten – und tun es letztlich auch immer wieder –, sondern auch die von ihnen geschaffenen Systeme. Das Zauberwort heißt: Erkenne den Unterschied.

Im alten Nationalstaat waren Unterschiede unauflösbare Widersprüche. Die Logik geschlossener Systeme ist immer gleich: Was außerhalb liegt, ist Bedrohung, Konkurrenz. Offene Systeme hingegen nutzen das andere, verbünden sich mit ihm, um in den offenen Wettbewerb zu treten. Wettbewerb braucht Kommunikation und Kooperation. Für Konkurrenten hingegen genügen Kanonen. Dieser Unterschied ist spielentscheidend, und junge Fußballfans wissen das besser als alte Führungskader.

Nehmen wir mal China. Die Volksrepublik ist das Symbol der Globalisierung schlechthin. In einem atemberaubenden Tempo hat das Land mit seinen 1,3 Milliarden Menschen seit 1975 den Aufstieg zur heute viertgrößten Wirtschaftsmacht geschafft, und kaum jemand unter den globalen Mitbewerbern zweifelt daran, dass damit noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Die Volksrepublik China ist ein zentralistischer Nationalstaat. Geschlossen. Straff. Hierarchisch. Und erfolgreich.

Klar, dass die, die früher hier mit den gleichen Methoden prima zurechtkamen, das gern auch in Europa wieder so hätten. Von China lernen heißt siegen lernen, sagen sie. Eine in Wirtschafts- und Sozialordnung gleichgeschaltete EU ist ihr Ziel, zunächst. Doch Europäer sollten es besser wissen. In den vergangenen 500 Jahren hat sich die Welt fast vollständig an Europa orientiert. Europäer oder von Europäern abstammende Nationen, etwa die Amerikaner, mögen nicht überall beliebt sein. Dass ihre Kultur die Welt bis heute stärker geprägt hat als jede andere, steht freilich außer Frage. Und das war zu keinem Zeitpunkt das Resultat von Einigkeit und Geschlossenheit.

Die Lektüre einiger Passagen von Jared Diamonds Buch „Arm und Reich“ kann neuen Zentralisten auf die Sprünge helfen. Der Biologe und Geograf nahm sich 25 Jahre Zeit für dieses Buch. Es sollte beantworten, weshalb manche Völker so reich wurden, während andere stagnierten. Das Geheimnis hinter Europas Erfolg heißt Region, Wettbewerb und Unterschied. Im Jahr 1500 gab es nahezu 500 staatsähnliche Gebilde, Länder, Reiche und Stadtstaaten, die in ihrer Autonomie noch deutlich vielschichtiger waren. Messen, Märkte und Handel sorgten dafür, dass man immer mitbekam, was die Nachbarn hatten und konnten. Es herrschte Vielfalt, Wettbewerb und reger Austausch. Jede Region hatte die Wahl: Veränderungen anzunehmen oder abzulehnen. Wer sich dem Neuen allerdings verweigerte, lief Gefahr, überholt zu werden. So entstand ein lebendiger Markt um Ideen und die besten Köpfe. Innovatoren hatten eine reiche Auswahl an Investoren und Partnern.

Diamond erzählt die Geschichte des Seefahrers und Entdeckers Christoph Kolumbus. Der Genueser wandte sich zuerst an den König von Portugal: „Als der sein Ersuchen ablehnte, ihm Schiffe für eine Entdeckungsreise gen Westen zur Verfügung zu stellen, trat er an den Herzog von Medina-Sedonia heran, der ebenfalls ablehnte, dann an den Grafen von Medina-Celi, der das Gleiche tat, und schließlich an den König und die Königin von Spanien“, schreibt Diamond. Hin und her ging das Ganze, es wurde verhandelt, gedealt, gepokert – und als im April 1492 die Spanier zugriffen, war Kolumbus gerade auf dem Weg nach Paris, um den König von Frankreich anzupumpen. Das war völlig normal.

Andererseits fragt Diamond, warum das Kaiserreich China, das im Mittelalter Europa technisch weit voraus war, nicht die Welt eroberte, wie es die Europäer taten. China war damals seit fast 2000 Jahren ein Zentralstaat. Die Chinesen verfügten über die größte Flotte der Welt, 28 000 Mann stark und mit Schiffen von 120 Metern Länge. Weit besser als das, was die Spanier hatten. Warum fuhren sie nicht nach Amerika?

Die Flotte unterstand den engsten Beratern des Kaisers, den Eunuchen. Und gegen diese Berater wurde im Laufe des 15. Jahrhunderts erfolgreich geputscht. Alles, was mit ihren Erfolgen zu tun hatte, musste verschwinden. Die Flotte, die Werften, das Wissen darum. Ein einziges Dekret des Kaisers reichte dazu aus. Das hatte bereits Tradition, schreibt Diamond: „So brach China die Entwicklung einer raffinierten, wassergetriebenen Spinnmaschine ab, machte im 14. Jahrhundert an der Schwelle zur industriellen Revolution kehrt, schaffte praktisch alle mechanischen Uhren ab, nachdem seine Uhrmacher Weltrang erlangt hatten, und verabschiedete sich gegen Ende des 15. Jahrhunderts ganz von der Herstellung mechanischer Geräte und der Weiterentwicklung von Technik.“ In den sechziger Jahren legte KP-Chef Mao Zedong durch seine Kulturrevolution das Bildungs- und Forschungswesen auf Jahre lahm. Per Dekret. In China herrscht heute unfreier Kapitalismus, der jederzeit von der KP-Spitze per Dekret verändert werden kann.


V. Union der Regionen


Es gibt aber Stimmen in Europa, die der Geschlossenheit – oder besser: Verschlossenheit – Chinas mit einer neuen Einheit begegnen wollen. Vor allem die Politik der großen EU-Nationen Deutschland und Frankreich war in den vergangenen Jahren auf etwas ausgerichtet, das schemenhaft als „europäischer Superstaat“ bezeichnet wurde. Außenpolitik, Wirtschaft, Recht, Verkehrspolitik, eine gemeinsame Abstimmung in der Forschung und Entwicklung sind grundsätzlich der Vielfalt nicht abträglich. Die Frage ist, wie weit die Anpassung geht. „Europa ist eben nicht der große Nationalstaat, wir leben von den Unterschieden. Politiker mit nationalstaatlichem Hintergrund, also die Leute, die natürlich auch in Brüssel das Sagen haben, verstehen das nur teilweise“, sagt Warnfried Dettling, Publizist und lange Jahre Leiter der Hauptabteilung Politik der CDU.

Spätestens aber dann, wenn in den EU-Ländern einheitliche Steuern- und Sozialstandards gälten, wären diese Unterschiede perdu, sagt Dettling: „Das tötet jeden Wettbewerb, von dem die kleinen Staaten und Regionen heute so profitieren, im Keim.“ Und nützt wem? Den großen nationalstaatlichen Brocken, allen voran Frankreich und Deutschland, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Was im eigenen Land nicht mehr funktioniert, ein überbordendes Sozialsystem und die konsequente Verhinderung von Leistung im Namen des Staates, soll auf den Rest der Gemeinschaft übertragen werden. Damit ist man lästige Konkurrenz los. Auch ein Konzept: Man exportiert ein untaugliches Gesellschaftssystem auf Mitbewerber, damit die die gleichen Probleme bekommen, die man selbst nicht lösen kann. Nun hat sich diese prima Idee, die an vorderster Front vom ehemaligen Berufs-68er Daniel Cohn-Bendit, heute wohlbestallter EU-Abgeordneter der Grünen, vertreten wird, bei den übrigen EU-Staaten allerdings nicht durchgesetzt. Die wollen mehrheitlich etwas ganz anderes: Soziale Standards für die EU finden sie okay, allerdings solche, die nicht alles einebnen. Mindeststandards finden klare Mehrheiten, Regeln also, die das wirklich Wichtige am sozialen Europa klar und vehement schützen, ohne dabei die elementaren Unterschiede der Länder und Regionen zu erdrücken. Diese Konzepte stehen heute gegeneinander.


VI. Die Transnationalen


Dass die Deutschen – wie auch die Franzosen – meinen, ihr System sei anderen haushoch überlegen, ist weder neu noch richtig. Doch anders als in Frankreich stellt sich für Deutschland, den zaudernden Nationalstaat in einer globalen Umgebung, eine viel grundlegendere Frage. Französische Bürger leiten ihre Identität nicht vorwiegend aus ihrem Sozialsystem ab. In Deutschland aber ist das Sozialsystem gleichsam der Kern der Nation. Drum herum ist praktisch nichts. „Seit 1871 gibt es nur eine Konstante in Deutschland, die alle Kriege und Krisen überlebt hat – das ist der Sozialstaat, und der ist nicht mehr zu halten“, sagt Dettling. Der Verlust des Nationalstaates aber wird vor allem die Regionen stärken, das Bewusstsein lokaler Kultur. Das wiederum wird die Identität und das Selbstvertrauen stärken und gleichsam Unterschiede aufwerfen, die dem guten Wettbewerb zwischen Regionen nutzen. Bayern, Hamburger, Berliner, Stuttgarter – sie sind nicht gleich und sollen es nicht sein. Das Bewusstsein, anders zu sein als die anderen, heißt nicht, sich auf kleinerer Ebene so zu verschließen, wie es Nationalisten stets taten. Warnfried Dettling ist optimistisch: „Es ist der Anfang von etwas viel Besserem: Wir Deutsche müssen lernen, welchen Nutzen Unterschiede haben, und Regionen stärken, die den Wettbewerb viel besser meistern.“ Der Nationalstaat steht zwischen erfolgreichen Regionen, den Biotopen des Wettbewerbs, und dem globalen Markt, der für sie wie geschaffen ist. Doch der Pakt mit dem Globalen ist, wie der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse es mal nannte, einer mit „vaterlandslosen Gesellen“. Das klingt nach Ärger, zumindest nach Verschwörung. Mal sehen.

Die Arbeiter, so bemerkte schon Karl Marx, haben kein Vaterland. Davon unbeeindruckt errichteten seine Erben unter dem Vorwand der Brüderlichkeit und Gerechtigkeit in der Regel knallharte nationalistische Regimes, in denen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Abschottung zur Grundausstattung gehörten. „Internationales Kapital“ und „Multi“ gehörten in der alten Bundesrepublik – lange bevor das Schlagwort von der Globalisierung aufkam – zu Standardphrasen im linken wie rechten Milieu. Wolfgang Thierse und andere spielen mit diesen in vielen Köpfen noch verankerten Klischees: Global tätige Konzerne seien keinerlei Werte- und Rechtssystem verpflichtet. Sie seien unzuverlässig, zögen wie Heuschrecken durch die Welt, stets auf der Suche nach Profit.

Dieses Klischee wird nicht nur in Deutschland gepflegt. Der amerikanische Politologe und Bestsellerautor Samuel Huntington („The Clash of Civilizations“) hat in seinem 2004 erschienenen Buch „Who are we?“ die Frage nach der gegenwärtigen und künftigen Identität von Nationen, insbesondere der USA, gestellt. Huntington plädiert, schlau und nicht annähernd so platt wie manche europäischen Globalisierungsgegner, für eine starke Nation. Gefährdet sei die durch eine neue „globale Superklasse“ von Managern, Wissenschaftlern, Intellektuellen, Technikern und Ingenieuren, die sich nicht mehr ihrem Land, ihrer Nation, verbunden fühlten, sondern nur sich selbst. Was man hier Vaterlandslose nennt, heißt bei Huntington „Transnationale“.

Die globalen Transen machen nach seinen Schätzungen heute etwa 20 Millionen Elitearbeiter aus, davon rund 40 Prozent Amerikaner, und bis 2010, so Huntingtons Befürchtung, wird sich ihre Zahl verdoppeln. Es sind Menschen ohne nationale Identität, die sich nur kurz an einem Standort aufhalten, zwei, drei Jahre, in weltweit uniformen Behausungen mit einer weltweit gleichförmigen Kultur. Die Werte und Ziele des Landes und der Region, in der sie gerade sind, interessieren sie nicht. Gewiss: Menschen, die sich nicht für Menschen interessieren, mit denen und für die sie arbeiten, werden kaum am Schicksal der Regionen, in denen sie gerade leben, teilhaben. Doch sind sie tatsächlich „Verräter“, wie Huntington schreibt? Sind sie die globale Weltverschwörung?

Huntingtons Analyse der globalen Superklasse ist ein Beispiel dafür, dass Halbwahrheiten noch gefährlicher sind als komplette Lügen. Denn das Häufchen Verlorener, die der konservative Huntington und seine scheinbaren Widersacher von der Linken zu Verrätern hochstilisieren, ist global betrachtet genau dort, wo auch ihre Kritiker sitzen: auf dem absteigenden Ast. Wir kennen sie: Auf Flughäfen, in Business-Lounges, uniformen Restaurants und Einkaufsmeilen halten sich diese Leute auf, an allen Plätzen auf der Welt, die auch irgendwo anders sein könnten, ganz gleich wo. Ihre Haltungen sind dementsprechend. Sie meinen, ihr Unternehmen würde die kulturelle und soziale Identität der Gemeinden, in denen sie leben, mühelos ersetzen, so haben sie es von ihren alten Konzernen gelernt.

Deren Politik baut allerdings nicht auf der Globalisierung. Die großen alten Multis sind kulturell und politisch in ihren Heimatländern verwurzelt, sie sind Produkte des Nationalstaates. Es reicht auf Dauer nicht aus, diese Herkunft mit etwas Opportunismus und ein wenig Smartheit zu verbinden, um wirklich global zu sein. Es fehlt an Verantwortung und Einsatz vor Ort. Deshalb beschwören so viele multinationale Unternehmen so wortreich unverbindliches Zeug wie Corporate Identity. Unternehmensethik soll weltweit gelten. Meint man damit einige wenige, ohnehin klare Regeln für den Umgang von Menschen miteinander, ist das in Ordnung. Wer die meisten Papiere dazu liest, bemerkt aber, dass es um etwas anderes geht: Alle sollen auf dieselben Wertvorstellungen eingenordet werden. Damit lässt sich alles leichter verwalten. Und das ist das Ziel multinationaler Konzerne: Einheit durch straffe Organisation. Das Muster ihrer Herkunft. Was Huntington „Verräter“ nennt, sind in Wahrheit arme Würstchen, die aus dem gleichen Holz sind wie die, die sie so nennen: Nationalisten auf der Flucht, die ihre alten Ordnungsprinzipien retten wollen.

Sie sind aus dem gleichen Holz wie die Globalisierungsfeinde, und die Motive ähneln einander sehr. Sie fordern weltweite Gesetze, Regeln, Regulative. Warum? Ganz einfach: Ihnen bricht ihr wichtigster Brötchengeber, der Nationalstaat, wegen schwindenden Einflusses weg. Nun soll global, international, weltweit ein neuer Rahmen für ihr Wirken geschaffen werden. So denken auch deutsche, britische, französische, amerikanische und viele andere Multis. Im Staat ist nicht mehr viel zu holen. Mal sehen, ob es nicht mit den gleichen Mitteln auch in der Welt geht.

Doch die offene Welt wird klüger. Immer mehr Menschen wissen, dass die, die besonders laut über Verantwortung reden, meist keine haben. Das spricht sich herum. Wer seine Glaubwürdigkeit nicht in der Region, von der aus er gestartet ist, bewahren konnte, wird sie im Rest der Welt nicht erhalten. Wer global Geschäfte machen will, muss lokal, in seiner Region, handeln. Vertrauen und Verbindlichkeit sind Werte, die man sehen muss. Gleichzeitig sind sie Grundlage für gute Geschäfte.
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Alt 04-12-2006, 00:59   #3
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VII. Der regionale Multi


Multis sehen anders aus. Man findet sie nicht in der Business Lounge, sondern zum Beispiel in Loßburg. Das ist eine Gemeinde in Baden-Württemberg mit rund 7000 Einwohnern, im nördlichen Schwarzwald, gleich um die Ecke zu Freudenstadt, 20 Kilometer abseits der Autobahn. In Loßburg arbeiten mehr als 1650 Menschen bei einem globalen Unternehmen, dem Maschinenbauer Arburg GmbH. Das Unternehmen ist in rund 70 Ländern auf allen Kontinenten dieser Welt mit Niederlassungen oder Vertretungen präsent. Arburg produziert Kunststoff-Spritzgussmaschinen, jene Dinger also, mit denen sich alle erdenklichen Formen für alle möglichen Produkte machen lassen, mit universellen Einsatzzwecken. Der Multi Arburg residiert in einer futuristisch anmutenden gläsernen Fabrik, und das ist vielleicht das Einzige, was dem Klischee eines globalen Unternehmens entspricht. Der Rest ist ganz anders.

Michael Hehl, geschäftsführender Gesellschafter der Arburg GmbH, und sein Vertriebschef Helmut Heinson sitzen in der perfekten Schwarzwaldidylle und erzählen, was Multis so machen: „Früher, in den fünfziger Jahren, haben wir Blitzlichtgeräte hergestellt – und ab Mitte dieses Jahrzehnts auch die ersten Spritzgussmaschinen. Da wurde schon klar, dass man nicht mehr nur auf dem einen nationalen Markt bleiben kann. So haben sich meine Vorgänger Anfang der sechziger Jahre ein wenig in der Welt umgesehen“, fängt Hehl launig an. Die Maschinen, die man baut, sind „erklärungsbedürftige Anlagen“, sagt er. Man kann sich nicht einfach so eine Spritzgussmaschine im Katalog bestellen und damit loslegen. Man braucht, vor Ort, die Erfahrung und den Service der Produzenten. Die wirkliche Globalisierung aber fing für die Loßburger in den achtziger Jahren an. Immer mehr ihrer deutschen Kunden begannen, im Ausland zu produzieren. „Wir sind mit denen mitgegangen“, sagt Vertriebschef Heinson. „Wenn die eine neue Produktion aufgebaut haben, mussten wir natürlich mit.“ In diesem Jahrzehnt des Aufbruchs gründet Arburg die erste von heute 20 Tochtergesellschaften in Frankreich. „Wir haben zunächst jahrelang mit Handelspartnern gearbeitet, eng zusammengearbeitet, auch, weil wir die Länder, die für uns völlig neu waren, genau kennenlernen wollten. Man kann nicht einfach nach Mexiko oder Ägypten gehen und loslegen, das wäre Wahnsinn“, erzählt Hehl. Wer die Welt verstehen will, muss sich Zeit nehmen.

Es reicht nicht, einfach die Gesetze und Vorschriften der Länder, die man mit neuen Produkten erobern will, anzunehmen. Es genügt nicht, seinen Mitarbeitern ein paar Sprachkurse zu verpassen und ihnen ein Flugticket zu kaufen. Globalisierung funktioniert nur dort, wo sich Unternehmen auf die Grundlage der Kultur und Tradition des Landes stellen, in das sie gehen. Es gibt Kulturen, nicht eine Kultur.

Es gibt Märkte, nicht einen Markt. Die Arburg-Missionen in fernen Ländern werden immer von Einheimischen geführt – so ist der Chef in Schanghai Chinese. „Ein Deutscher kann den Job nur dann machen, wenn er viele Jahre lang vor Ort gelebt hat und genau weiß, in welchem Umfeld er sich befindet“, ergänzt Heinson. Und wer neu bei Arburg eingestellt wird, muss gleichsam bereit sein, die Schwarzwaldidylle auf Jahre zu verlassen. „Wir stellen im Management niemanden mehr ein, der nicht bereit ist, ins Ausland zu gehen“, sagt Hehl.


VIII. Die Flucht ins Globale


Bisher ist die Geschichte eine, die wir vielleicht schon kennen. Ein traditionelles Unternehmen bricht auf zu neuen Märkten und erkennt, dass sich gute Geschäfte nur durch das Verstehen und Eingehen auf andere Kulturen machen lassen. Aber bei Arburg steckt mehr dahinter. Produziert wird nämlich nur in Loßburg, sonst nirgendwo. Als die Arburg-Kunden in die Welt gingen und ihnen die Maschinenbauer folgten, gab es natürlich auch Diskussionen, ob der Produktionsstandort in ein Billiglohnland verlegt werden sollte: „Wir haben uns in China umgesehen, wir haben uns in Indien umgesehen und so weiter. Und immer war die Antwort klar: Das macht keinen Sinn. Lieber investieren wir in eine wirklich moderne Fabrik, die wir immer weiterentwickeln können. Deshalb haben wir heute in Loßburg relativ geringe Lohnkosten, einfach, weil die Produktivität sehr gut ist. Und die Leute kriegen wir anderswo einfach nicht“, erzählt Michael Hehl.

Das Arburg-Management hat noch etwas anderes gelernt: „Vielfach sind die Produktionsverlagerungen in Billiglohnländer einfach die Folge von zu geringem Nachdenken, eine Art Flucht in die geringeren Kosten. Das ist nahe liegend, aber wenn man genau hinschaut, ersparen sich die, die leichtfertig ihre Läden hier schließen und nach Asien oder Osteuropa gehen, vor allem Innovationsarbeit. Man macht seine Hausaufgaben nicht, und weil man kurzfristig weniger Personalkosten hat, sieht es kurzfristig so aus, als ob sich das lohnt. Aber die einzige Chance ist Innovation, und wer in Deutschland darauf verzichtet, wird das in der Regel auch an anderen Standorten tun“, weiß Heinson.

Globalisierung als Flucht vor der Wirklichkeit – auch das gibt es. So wie einige in den engen Grenzen ihres Staates bleiben, damit sich nichts verändert, ziehen andere aus, damit alles bleibt, wie es ist. Illusionen machen sie sich beide.



IX. Die exzellente Region


Wer die glänzenden Augen deutscher Industriekapitäne bei offiziellen Besuchen in straff geführten Produktionsbetrieben in China gesehen hat, weiß, wovon die Rede ist: Hier leben scheinbar die guten alten Zeiten auf. Keiner widerspricht, keiner fordert, alles geht seinen Gang, was am Schreibtisch vereinbart wurde, wird in der Fabrik erledigt. Aber Globalisierung ist nicht gestern. Sie funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Tu, was du kannst. Was in der Region gilt, ist auch für die Welt richtig. Wer sich vor Ort, zu Hause, nützlich macht, sollte das auch woanders tun. Der Berater Ralf Stokar von Neuforn weiß, wovon die Rede ist. Er ist Aufsichtsrat der von ihm begründeten Staufen Akademie in Bad Boll, die sich auf regionale mittelständische Betriebe spezialisiert hat. Unter anderem gehören zur Staufen Akademie 14 Berater in China, die vor allem schwäbischen Mittelständlern vor Ort helfen, die wichtigsten Hürden zu nehmen. Im Grunde gilt für Schanghai, was auch in Stuttgart richtig ist, sagt Stokar: „Zusammenarbeiten, kooperieren, Nutzen stiften. Die Region, aus der man kommt, ist die Wiege und das Zentrum der Exzellenz, und je weiter wir in der Welt kommen, desto klarer wird es: Was wir hier gelernt haben, nützt uns überall enorm.“ Herkunft hat eine eigene Qualität, die unverwechselbar ist. Der Unterschied, sagt Stokar, macht überall auf der Welt Eindruck: „Große Konzerne lernen meistens nur mehr durch sich selbst – und das reicht nicht mehr. Die Kleineren aber reden noch miteinander, fragen einen, der bereits aufgebrochen ist, welche Erfahrungen er gemacht hat, und sie geben ihr Wissen, das sie selbst gewonnen haben, wieder zurück.“

So empfahl der chinesische Partner der Staufen Akademie, Kang Gang Hu, einem schwäbischen Mittelständler, der ins Reich der Mitte aufbrach, die Einrichtung vorbildlicher sanitärer Anlagen am Standort. „Die Klos und Duschen sind so klasse geworden, dass die Mitarbeiter ihre Nachbarn und Freunde, ihre Kollegen und Verwandten in den Betrieb mitnehmen.“ Das Unternehmen mit den tollen Toiletten gilt in der ganzen Region als Vorbild.


X. Der Big Mäc der Gemeinde


Der Maßstab erfolgreicher Wirtschaft liegt vor Ort. Die Identität ist eben nicht beliebig, nicht global im Sinne von allgemein, sondern setzt auf den Unterschied, der sich durch persönliche Beziehungen ausdrückt. Das gilt für kleine, für mittlere, für riesige globale Unternehmen in gleichem Maß.

Ein Konzern, der mehr als alle anderen als Symbol für die Globalisierung steht, die McDonald’s Corporation, handelt genau so. McDonald’s-Deutschland-Chef Bane Knezevic, auch für die Region Western Europe verantwortlich, nennt das so: „Wir arbeiten nach globalen Standards, aber eindeutig regional und lokal, wenn wir unsere Kunden zufrieden stellen wollen.“ In den weltweiten Niederlassungen suchen die meisten Kunden zunächst Vertrautes: den Burger, der weltweit ähnlich schmeckt. Aber: In Indien wird Rindfleisch durch Lamm ersetzt, in Israel und anderswo gibt es koschere McDonald’s, in Spanien eine Gazpacho und in Italien einen Schinken-Käse-Toast. Und in jedem Land, sagt Knezevic, gibt es unterschiedliche Regeln und Vorschriften, welches Nahrungsmittel wie beschaffen sein muss. Wer etwa Salat und Obst verkauft oder Milchprodukte, lernt schnell, was Vielfalt bedeutet: Alles ist überall anders. Schon dieser Aspekt allein verbietet einem globalen Unternehmen eine Kultur, bei der alles auf Einheitlichkeit und Standardisierung hinausläuft. Was den vermeintlichen Food-Standard am Leben erhält und McDonald’s erfolgreich, ist gerade das Gegenteil von Uniformität.

Dies ist kein Zufall, sondern Methode. Der Konzerngründer Ray Kroc, zuvor gewiefter Vertreter für Küchenmaschinen, wusste genau, dass das beste Geschäft dort gemacht wird, wo Verkäufer und Kunde einander persönlich kennen. Deshalb bestand er immer darauf, dass Franchise-Nehmer der Marke zu „Mr. und Mrs. McDonald’s in the community“ werden, zu einem „integrierten Teil der regionalen und lokalen Wirtschaft. Das ist das eigentliche Erfolgsrezept von McDonald’s, das Fundament, auf dem wir gebaut sind“, sagt Knezevic. Wer sich um eine der bis heute begehrten McDonald’s-Franchise-Lizenzen bemüht, sollte nicht zur mobilen globalen Superklasse gehören: „Wir suchen Partner, die dort, wo sie den Laden eröffnen wollen, aufgewachsen sind oder den Ort wenigstens sehr gut kennen. Außerdem müssen sie dort bleiben wollen. Das ist eine der unabdingbaren Voraussetzungen dafür, dass wir überhaupt ins Geschäft kommen“, sagt Knezevic. „Wir nehmen keine anonymen Investoren, die irgendwo anders leben als dort, wo sie arbeiten: Wir suchen Unternehmer. Das sind nach unseren Vorstellungen Leute, die sich regional und lokal engagieren und in einer klar überschaubaren Gemeinschaft leben.“

Eine konsequent regionale Strategie, was die Lieferanten angeht, war ebenfalls fester Bestandteil der Globalisierungsstrategie Ray Krocs: Lieferanten mussten und müssen bis heute auf den regionalen und lokalen Märkten gesucht werden, wo immer es möglich ist. Das schafft eine intensive Beziehung und stiftet gegenseitigen Nutzen. Für Knezevic ist die Regionalisierung des Geschäfts im globalen Kontext eine der wichtigsten Leitlinien für alle Unternehmen, die ihren Weg in die Welt suchen: „Ich glaube, dass die regionalen Unterschiede heute noch bei weitem nicht gut genug ausgeschöpft werden. Jedes globale Unternehmen wird hier viel dazulernen müssen. Wer das nicht tut, wird zusehen, dass Wettbewerber die Nase vorn haben.“

So schwer sei das Prinzip Welt nun nicht zu verstehen, so Knezevic: „Bei aller Globalisierung geht es für die meisten Kunden darum, dass ihre Erwartungen erfüllt werden. Und die bauen nun mal auf sehr unterschiedlichen lokalen Traditionen. Das macht das Wichtigste im Geschäft aus: persönliche Beziehungen, denen man vertrauen kann.“

Das ist das Gegenteil dessen, was das Wort global auch bedeuten kann: allgemein. Doch dagegen wehrt sich die Welt. So einfach ist sie nicht zu kriegen. Aber: Wer das Große will, muss

Von:Wolf Lotter
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