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Alt 12-09-2003, 20:33   #1
Vogtlandsiggi
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Neue Währungskrise vor der Tür?

Neue Währungskrise vor der Tür?



Alle Welt redet derzeit über die Konjunktur, so als ob sich so etwas wie Kuchenteig auf der ganzen Welt ausrollen lassen würde. Heiß wie die Kuchenbleche erwarten die Menschen folglich, dass es bald überall Manna vom Himmel regnen wird. Die Schweiz hingegen ist gerade in eine heftige Rezession abgerutscht, die schwerste seit der deutsch-deutschen Bundesbank-Vereinigungs-Rezession im Jahr 1992. Im zweiten Quartal dieses Jahres lag in der Schweiz das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent unter dem Vorquartal, was den dritten Rückgang in Folge darstellt.

Wie kommt so etwas nur? Ich möchte an dieser Stelle einmal eine monetäre Erklärung versuchen, denn ebenso wichtig wie die Konjunktur sind gegenwärtig die weltweiten Veränderungen der Wechselkurse, denen jedoch meistens weit weniger Aufmerksamkeit zuteil wird.

In meinem Buch "Der Zauberberg des Geldes" habe ich anhand einer fiktiven Bergrepublik Schwarzenstein versucht, darzulegen, wie der Mechanismus des Knapphaltens und Entknappens von Währungen das Geschick der Finanzmärkte und der Volkswirtschaften weltweit bestimmt. Die Republik Schwarzenstein schafft es dabei, durch das extreme Knapphalten seines Geldes das Vertrauen der ganzen Welt in seine Währung, den Alpina, zu gewinnen. Sie kann sich folglich vor Kapitalzuflüssen gar nicht retten (die jedoch sofort zwecks Knapphaltung des Alpinas "sterilisiert" werden).

Verbunden ist damit eine extreme Aufwertung der heimischen Währung sowie eine entsprechende lehrbuchhafte Strangulierung der Binnenwirtschaft. Im Fall Schwarzensteins macht das freilich nichts, da es sich hierbei nur um ein Bergdorf handelt und somit die ganze Republik von den Zinserträgen der Notenbank leben kann (– die in Form einer negativen Einkommensteuer ausgeschüttet werden).

Die Ähnlichkeiten – aber auch die Begrenzungen der Parallelitäten – zum Fall der Schweiz treten damit offen zu Tage: Auch die Schweiz ist ein kleines Land mit einer sehr stabilen Währung, die im Zuge der Entknappung von Dollar und Yen – sowie Befürchtungen, dass mit dem Euro das Gleiche passieren könnte –noch stärker zur weltweit gesuchten Anlagewährung geworden ist, als dass schon immer der Fall war. Und auch die Schweiz lebt zum großen Teil von den Provisionen, die sie bei der Verwaltung dieser in den Franken und ins gelobte Land transferierten Vermögen verdient. (Hier allerdings ernährt man sich im Vergleich zu Schwarzenstein nicht von der Notenbank, sondern von den Geschäftsbanken.)

Nur: Im Vergleich zu Schwarzenstein reicht das nicht aus, um ein derart großes und heterogenes Land mit Millionen von Einwohnern zu ernähren. Deshalb leidet die Schweiz, so paradox es klingen mag, wirtschaftlich extrem unter ihrer wirtschaftlichen und finanziellen Vernunft. Womit wir beim Fall des Euros wären. Auch hier wird die Geldpolitik weitaus restriktiver gehandhabt als jenseits des Atlantiks und jenseits des Pazifiks. Der Preis, der hierfür gezahlt wird, ist eine deflationäre und an der Grenze zur Rezession sich befindliche Wirtschaft.

Ich will jetzt nicht den Teufel an die Wand malen, aber die Parallelitäten zu den Dreißiger Jahren sind durchaus nicht völlig vom Tisch zu wischen. Die USA und Japan überholen sich beinahe täglich in ihrem Abwertungswettlauf, dessen Ziel es ist, die heimischen Wirtschaften auf Kosten der Hartwährungsländer wieder in Schwung zu bringen. Und nur noch ein paar Aufrechte stemmen sich gegen diesen unvernünftigen Trend – und bezahlen dafür mit binnenwirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Mal sehen wie lang die EZB hier noch dagegenhält? Denn wenn meine Informationen stimmen, dann ist die Schweiz mittlerweile bereits umgefallen und hat ihre Geldmenge rasant ausgeweitet und damit den Wechselkurs deutlich nach unten gedrückt. Manchmal muss eben auch der Aufrechteste das dreckige Spiel mitspielen, um sich nicht völlig zu besudeln.

berndniquet@t-online.de



Autor: Bernd Niquet, 13:31 12.09.03
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