Interview mit dem Jenseits
André Kostolany
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Kürzlich hatte ich Gelegenheit mit dem allseits bekannten Börsenspekulanten André Kostolany zu sprechen, der am 14. September letzen Jahres verstarb.
Dabei geholfen hat mir das Trance-Medium Fredericke Bartenstein.
DeGinder: Herr Kostolany, sind sie es?
Kostolany: Wer sonst?
DeGinder: Wie fühlt man sich in einem Land, in dem es keine Börse mehr gibt?
Kostolany: Gab, mein Lieber, gab!
DeGinder: Wie meinen sie das?
Kostolany: Nun, wie heißt es so schön: Dein Wille ist dein Himmelreich. Und so habe ich zusammen mit ein paar Freunden kurzerhand eine jenseitige Börse gegründet.
DeGinder: Und wie funktioniert die? Ich dachte immer im Jenseits gäbe es kein Geld und keine Firmen mehr?
Kostolany: An der Börse, mein Lieber, wird ja auch nur fiktives Geld gehandelt, oder haben sie schon einmal einen Börsenmakler gesehen, der mit einem Bündel Banknoten durch die Gegend gelaufen ist?
DeGinder: Ja, was handeln sie denn nun an ihrer Jenseitsbörse?
Kostolany: Wie sie vielleicht wissen, so lebt die Börsenlandschaft von Meldungen, von Gerüchten und Spekulationen. Dieses Prinzip erlaubt es uns auch hier Kurse zu bewegen.
DeGinder: Kurse gut, aber für welche Aktien denn, wenn es bei ihnen keine Unternehmen mehr gibt?
Kostolany: Oh, hier gibt es eine Menge Unternehmen. Nehmen wir zum Beispiel das Unternehmen Hölle. Es expandiert beträchtlich, die Mitarbeiterzahlen steigen ständig an und die Gewinnmaximierung ist überproportional.
DeGinder: Interessant. Aber was für Gewinne erwirtschaftet denn die Hölle?
Kostolany: Seelen!
DeGinder: Ok, hab´ s verstanden. Wie erwirbt man denn nun so eigentlich eine oder mehrere Aktien?
Kostolany: Man verkauft seine Seele!
DeGinder: Angenommen den Fall, sie wollten ihre Aktien wieder verkaufen, geht das so einfach?
Kostolany: Natürlich geht das, schließlich ist die Börse keine Einbahnstraße.
DeGinder: Und wie funktiert das Drüben mit Dividenden?
Kostolany: Die Dividende besteht in der Zuteilung von Gier. Je mehr Gier sie bekommen, desto einflußreicher werden sie und desto mehr Macht erhalten sie.
DeGinder: Interessantes Ding, klingt fast wie auf der alten Mutter Erde.
Kostolany: Eben, der Mensch bleibt Mensch und deshalb funktioniert die Börse hier auch wie zu ewigen Zeiten.
DeGinder: Und welche Funktion haben sie, als Altmeister der Börse, nun inne?
Kostolany: Ich mache nichts anderes als zu Lebzeiten, ich bin Börsenmakler.
DeGinder: Sie waren doch kein Börsenmakler?
Kostolany: Ich habe die Menschen schon immer zur Börse geführt, das macht doch ein Makler, oder?
DeGinder: Wie sie meinen. Noch eine letzte Frage: Wenn es Höllenaktien gibt, dann doch sicher auch Himmelsaktien, liege ich da richtig?
Kostolany: Vollkommen richtig. Wir bezeichnen das als Neuen Markt. Dieser Markt ist aber eher für spekulative Zeitgenossen. Der Neue Markt steht allerdings nicht hoch im Kurs bei uns Insidern. Die Dividendenzahlungen an Gier sind dort seit Jahren ausgeblieben. Was die Gewinnerwartung in diesem Marktsegment betrifft, so ist sie eher bescheiden, denn der Zulauf an Seelen ist dort eher gering. Da empfehle ich doch lieber Höllenaktien, die sind teuflisch gut.
DeGinder: Lieber André Kostolany, es hat sich wieder einmal bestätigt, daß sie ein Wanderprediger der Börse sind und ich bedanke mich für dieses Interview und wünsche ihnen noch recht viele heiße Unternehmungen.
Kostolany: Ich danke ihnen!
Interview mit dem Jenseits- André Kostolany
