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Alt 16-06-2008, 17:19   #856
Starlight
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Amis fahren Zug und Bus
Donnerstag, 12. Juni 2008

Na also, es geht doch. Kaum wird Benzin in Amerika teuer – sagen wir: verhältnismäßig teuer, denn ein Liter Sprit kostet immer noch deutlich weniger als etwa in Deutschland – denken die Amis nun doch um. Die SUV bleiben stehen, kleinere Wagen sind gefragt und sogar im ungeliebten öffentlichen Nahverkehr steigen die Umsätze.

Die Amerikaner scheinen recht schnell eingesehen zu haben, dass sie auf fallende Spritpreise so bald nicht bauen müssen. Selbst das Energieministerium in Washington hat gerade seine Benzinpreis-Prognose für die nächsten Jahre nach oben revidiert. Unter 4 Dollar, so ist man sich sicher, wird der Kraftstoff nicht mehr fallen.

Im Gegenteil: Die Prognosen für den Ölpreis sind nach oben offen. Morgan Stanley spricht von 150 Dollar bis Anfang Juli, Goldman Sachs spricht auf mittelfristige Sicht von 200 Dollar und einzelne Analysten erwarten bis zu 500 Dollar pro Fass. Unrealistisch ist das nicht, wie ein schneller Blick nach China zeigt. Da soll sich die Zahl der Autos in den nächsten Jahren verdreißigfachen. Derweil zieht in anderen Schwellenländern die Industrialisierung schneller als erwartet an, was dort ebenfalls die Nachfrage nach dem schwarzen Gold antreibt.

Jane und John Doe, die amerikanischen Durchschnittsverbraucher, wollten es lange nicht wahr haben, aber sie reagieren nun doch. Aus und vorbei sind die Zeiten, als man sich um Billigsprit keine Sorgen machen musste und selbst in Städten mit guter Infrastruktur und wohlgeteerten Straßen mit gigantischen Trucks ins Büro Pendeln konnte. Jetzt ist Bus und Zug fahren angesagt.

Eine aktuelle Studie zeigt, dass bereits im letzten Jahr 10,3 Milliarden Trips mit öffentlichen Verkehrsmitteln erledigt wurden. Das ist das höchste Niveau seit 1957. In den ersten Monaten des laufenden Jahres hält der Trend an: Die Zahl der Fahrten ist um 3,3 Prozent auf 2,6 Milliarden gestiegen. Das sind 85 Millionen Fahrten mehr als vor einem Jahr. William Millar, Präsident des Branchenverbandes des amerikanischen Nahverkehrs APTA sagt: „Es gibt keinen Zweifel: Die hohe Benzinpreise lassen Amerikaner ihre Fahrgewohnheiten umstellen.“

Laut der APTA-Studie ist der Verkehr in Straßenbahnen um 10,3 Prozent gestiegen, in den Zügen sitzen 5,7 Prozent mehr Passagiere. Auch für Busse, Ubahnen und Hochbahnen sind die Trends intakt. Die Long Island Railroad, die zigtausende Pendler morgens nach New York City und abends nach Hause bringt, verzeichnet beim Passagieraufkommen ein Plus von 5,4 Prozent auf 86,1 Millionen. Das ist der höchste Stand seit 1949 – und das, obwohl man erst kürzlich die Fahrpreise angehoben hat.

Die Mehreinnahmen kommen den Nahverkehrsbetreibern gerade recht. Viele werden in den nächsten Monaten kräftig investieren müssen. In das Streckennetz und in neues Rollmaterial. Denn der Trend vom Auto zu Bus und Zug hat gerade erst begonnen. Laut einer Untersuchung von IBM wollten nämlich nur 31 Prozent der Verbraucher bei einem Benzinpreis von 4 Dollar umsteigen; bei einem Benzinpreis von 5 Dollar dürften es 66 Prozent sein. Und diese Marke dürfte bald fallen.
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Sparen am Vatertag
Freitag, 13. Juni 2008

Inflation und höhe Benzinpreise, Rezession und ein schwacher Arbeitsmarkt… das alles konnte jünst dem Muttertagsgeschäft nichts anheben. Wenn Mutti feiert, dann greifen die Amerikaner auch in finanziellen Engpässen noch tief ins Portemonnaie. Zum Vatertag sieht das anders aus: Der Einzelhandel rechnet mit Umsatzeinbrüchen.

Eine aktuelle Umfrage des Einzelhandelsverbandes NRF zeigt, dass der durchschnittliche Amerikaner in diesem Jahr 94,54 Dollar zum Vatertag ausgeben wird. Im vergangenen Jahr waren es noch 98,34 Dollar – damit ist der jährliche Dank um satte 4 Prozent schlichter geworden. Insgesamt belaufen sich die Vatertags-Umsätze in den USA wohlgemerkt noch immer auf 9,6 Milliarden Dollar.

„Die Verbraucher sind in diesem Jahr hin und hergerissen“, kommentiert NRF-Chefin Tracy Mullin, „und zwar zwischen der Liebe zum Vater und dem teuren Benzin.“

Vielen reiche es heuer, so Mullin, eine einfache Karte zu schicken… gegessen wird zunehmend zuhause. Nur noch knapp 40 Prozent der Befragten danken dem Vater mit einem Dinner im Restaurant. Geschenke gibt es allgemein weniger, und wenn, dann sind sie eher praktischer Natur: Hoch im Kurs liegen Kleidung und Geschenkgutscheine, etwas abgeschlagen rangieren Bücher, CDs und Sportartikel.

“Der Verbraucher steht eben unter Druck”, rechtfertigt der Einzelhandels-Analyst Phil Rist die Knauserigkeit am Vatertag. „Zu den hohen Öl- und Benzinpreisen kommt ja noch die Infaltion bei Lebensmitteln.“ Den meisten Vätern mache das auch gar nichts aus: Eine gute Zeit mit Freunden und Familien scheint laut Umfragen hoch im Kurs zu stehen und vielen mehr Wert zu sein als teure Geschenke.

Unklar bleibt, warum die Amerikaner aber beim Vater sparen, anstatt einfach den Kreis der Beschenkten einzuengen. Denn obwohl der Feiertag eigentlich dem „Dad“ gewidmet ist, feiern 27 Prozent der Amerikanerinnen auch mit dem Ehemann, 7 Prozent beschenken den Sohn, und in manchen Familien überträgt sich das Ereignis auf Brüder und sogar Freunde außerhalb der eigenen Sippe.
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Alt 17-06-2008, 17:32   #857
Starlight
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Die Opec sorgt sich – zum Schein
Montag, 16. Juni 2008

Was für ein Wochenauftakt: Noch bevor die amerikanischen Börsen überhaupt eröffnet hatten, notierte der Ölpreis am Montagmorgen bei 139,89 Dollar – nur noch elf Cent unter der bisher unerreichten 140-Dollar-Marke. Die Rohstoff-Rallye geht ungehemmt weiter, obwohl die Opec nun doch die Produktion anheben will.

Der weltgrößte Öl-Produzent Saudi-Arabien macht sich wohl Sorgen um die langfristige Nachfrage nach zu teurem Öl. Dem UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon hat man mitgeteilt, man wolle die Förderquoten im Juni und Juli um 200 000 Fass pro Tag anheben. Doch wird das die Preise wohl kaum beeinträchtigen. Bereits im Mai hatte Saudi-Arabien die Quoten um 300 000 Fass pro Tag erhöht, was der Markt komplett ignorierte.

Auch die jüngsten Schritte werden kaum Linderung bringen, und das weiß auch Saudi-Arabien. Zwar dringen sorgenvolle Kommentare aus einigen Opec-Ländern, nach denen man angesichts zu hoher Ölpreise mit einem nachaltig sinkenden globalen Verbrauch rechne. Doch ist ganz offensichtlich, dass die Vertreter des Kartells mit solchen Äußerungen nur Politik betreiben. Und sich angesichts der aktuellen Rekordpreise mit jedem zusätzlich geförderten Fass auch noch extra bereichern.

Denn einen globalen Nachfragerückgang nach Öl wird es nicht geben. Zwar denken etwa in Amerika immer mehr Verbraucher um, die plötzlich ihren Wagen stehenlassen und beim Pendeln auf den ungeliebten öffentlichen Nahverkehr zurückgreifen. Auch werden weniger SUV und vermehrt Kleinwagen gekauft. Doch ist das nur eine Reaktion auf Preisanstiege, die vor allem dem explosionsartigen Wachstum in China, Indien und den Schwellenländern zurückzuführen sind.

In China soll sich, Experten zufolge, die Zahl der Autos in den nächsten Jahren verdreißigfachen. Wenn die Amerikaner langsam anfangen, statt dem zweiten Hummer eine mittelgroße Karosse zu kaufen, wird das die Benzinnachfrage nicht langfristig eindämmen.

Die Prognosen für den Ölpreis sind entsprechend düster: Sollte es den Saudis in den nächsten Tagen nicht gelingen, über ihre Mehrproduktion eine Preisblase platzen zu lassen, dann dürften schon in den nächsten Wochen nach den 130 und 140 Dollar auch die 150 Dollar fallen, wie ein Branchenanalyst am Montagmorgen schreibt. Zur Erinnerung: Morgan Stanley hatte bereits vor zwei Wochen einen Ölpreis von 150 Dollar für die erste Juli-Woche prophezeiht.
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Reifenmulch und Bio-Shirts
Dienstag, 17. Juni 2008

Es hat lange gedauert und unter anderem einen Rekord-Ölpreis gebraucht, doch mittlerweile stellt sich Amerika immer mehr auf „grün“ um. An vorderster Front kämpft jetzt sogar Wal-Mart und könnte das Konsum- und damit das Umweltverhalten des ganzen Landes ändern – dabei springt auch Profit heraus.

Die neue Umweltpolitik bei Wal-Mart hat dramatische Veränderungen in der Produktpalette mit sich gebracht. In der Lebensmittelabteilung finden sich zunehmend Produkte aus lokalem Anbau. Das hilft den Bauern vor Ort, schafft eine bessere Stimmung in den Kommunen und damit beim Kunden. Es spart zudem jede Menge Sprit, denn Lebensmittel müssen nicht mehr als aller Welt importiert werden.

Sprit zu sparen ist – angesichts der hohen Preise nicht überraschend – das Ziel hinter zahlreichen Innovationen bei Wal-Mart. So stellt man etwa im Kühlregal um und verkauft Milch zunehmend aus viereckigen Kartons anstatt der bisherigen bauchigen Plastikgallonen. Die Kartons lassen sich schneller und leichter stapeln, es passen mehr in einen Laster. Damit entstehen auf dem Weg von der Kuh zum Kunden weniger Kosten.

Wal-Mart hat sich diese Tricks wohlgemerkt nicht selbst ausgedacht. Einen ersten Hinweis auf was dereinst kommen könnte bekam man bereits vor Jahren, als etwa der Waschmittelhersteller Clorox auf Konzentrate in kleineren Verpackungen umstellte und damit seine „Green Line“ ins Leben rief. Die Produkte kamen beim Kunden gut an, da sie einerseits billiger waren und andererseits weniger schwer… dass das ganze gut für die Umwelt war, vestanden die Amerikaner im Laufe der Zeit auch noch.

Hinter dem Wandel, der mit Clorox anfing und mittlerweile bis zu organischer Baumwolle in einer eigenen T-Shirt-Reihe geführt hat, steht Matt Kistler, der bei Wal-Mart als Spezialbeauftragter für Umweltverträglichkeit arbeitet. Zu seinen Aufgaben gehört auch, über Trainingsprogramme die 1,9 Millionen Mitarbeiter des weltgrößten Einzelhändlers – ihrerseits natürlich auch Bürger und Verbraucher – zu grünem Denken zu erziehen. Immer mehr von ihnen pendeln nun in Fahrgemeinschaften, Recycling ist zu einem anerkannten Konzept geworden und selbst gesündere Ernährung und Sport werden vom Arbeitgeber vermittelt.

Das Vorzeigeprodukt Nummer Eins, das Wal-Mart für sein Umdenken präsentiert, ist der „Majestic Rubber Mulch“. Die entgifteten Gummischnipsel stammen aus alten Autoreifen, die im Unternehmen – bei eigenen Trucks und in den Werkstätten für Kunden – anfallen. Sie wurden früher teuer weggekarrt und entsorgt; heute werden sie geschreddert und kommen auf Spielplätzen und in Pool-Anlagen zum Einsatz, wo sie einen weichen Untergrund bilden. Der frühere Kostenfaktor „Altreifen“ ist zu einem Profitbringer geworden.

Wal-Mart ist mit seiner neuen, grünen Politik auf einem guten Weg. Das Unternehmen, dessen Sparmaßnahmen früher vor allem auf Kosten anderer (etwa der Mitarbeiter) gingen, hat eine Vorreiterrolle übernommen und dürfte dafür nun nicht mehr nur von den Discount-Kunden im Mittleren Westen gelobt werden, sondern auch bei den Großstädtern in New York und Kalifornien Ansehen finden. Dem Expansionskurs des Konzerns kann das nur helfen – und der Umwelt auch.
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Alt 18-06-2008, 17:55   #858
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Mit der Flut kam die Inflation
Mittwoch, 18. Juni 2008

Als würde die US-Konjunktur nicht schon genug unter der Inflation leiden… zum schwachen Dollar und hohen Rohstoffpreisen kommen jetzt Probleme mit dem Wetter. Die Jahrhundertfluten in Iowa haben mehr als eine Million Hektar Maisfelder zerstört, was die Lebensmittelpreise massiv steigen lassen könnte.

Die Maisbauern in Iowa hatten es in den letzten Monaten schon schwer. Ein harter Winter hat die Aussaat verzögert, im Frühjahr spielten die Temperaturen nicht mit. Jetzt aber ist alles aus. Die Fluten, die in den Städten meterhoch durch die Straßen zogen und Häuser bis zum Giebel verschluckten, haben einen der wichtigsten Agrarstaaten der USA bis zu 21 Prozent der Gesamternte gekostet.

Die Mais-Futures sind bereits zum Wochenbeginn auf ein Allzeithoch von 7,40 pro Bushel geklettert. Die Preise werden sich auf dem hohen Niveau halten, denn eine genaue Bestandsaufnahme ist erst in zwei Monaten zu erwartet – und es könnte durchaus noch schlimmer kommen: Wenn der Juli zu heiß wird, so Landwirte in Iowa, müssen weitere Abstriche gemacht werden.

Damit drohen allerdins nicht nur die Preise für Maiskolben auf dem Jahrmarkt zu steigen. Im Gegenteil: Der Verbraucher dürfte Preisanstiege in erster Linie bei Fleisch und Milchprodukten spüren, denn etwa die Hälfte des US-weit produzierten Mais wird an das Vieh verfüttert.

Ein großer Teil der Mais-Ernte fließt hingegen in die Produktion von Ethanol, was bereits seit Jahren für Probleme sorgt und ein politisches Streitthema ist. Denn die teure Produktion von Ethanol, die unter Umweltgesichtspunkten nicht einmal unumsritten ist, wird vom Staat subventioniert und hat dazu geführt, dass Landwirte in hohem Maße von anderen Getreiden auf Mais umgestellt haben, um in den Genuss der Zuschüsse zu kommen. Im Gegenzug sind die Flächen für Weizen, Roggen, Gerste, Mais und Soja zurückgegangen und die Preise für diese Produkte gestiegen.

Abgesehen von Ethanol taucht Mais aber noch in zahlreichen anderen Produkten des US-Alltags auf. Soda-Getränke, also etwa Coca-Cola, Fanta oder Sprite, sind mit Mais-Fructose gesüßt. Tortilla-Chips werden aus Maismehl fritiert und selbst in Zahnpasta ist das Getreide vertreten. Experten wiegeln zwar ab, der Mais-Anteil an solchen Produkten sei minimal und Preissteigerungen dürften gering ausfallen – ganz ausschließen will sie aber niemand. Wenn sie kommen, dann dürften sie bis weit in das Jahr 2009 anhalten.

In Washington sorgt man sich unterdessen um die Exporte. Große Anteile der US-Ernte – sowohl von Mais als auch anderer Getreide – werden ins Ausland verkauft. Nun werden nicht nur die Preise steigen, sondern man steht auch vor infrastrukturellen Problemen: Die Fluten haben zahlreiche Bahnstrecken zerstört und damit die Ausfuhr für Monate erschwert. Das ist umso Besorgnis erregender, als die Landwirtschaft zuletzt für einen großen Teil der US-Exporte zuständig war und damit eine deutlichere Ausweitung des Handelsbilanzdefizits verhindert hat.
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Alt 19-06-2008, 17:18   #859
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Robert De Niros Immobilienkrise
Donnerstag, 19. Juni 2008

Die Immobilienkrise in den USA zieht immer weitere Kreise. Zu den prominenteren Opfern gehörte jüngst Ed McMahon, der in den 60er- bis 90er-Jahren an der Seite des Late-Night-Urgesteins Johnny Carson berühmt wurde. Jetzt hat es auch Robert De Niro erwischt… doch der Hollywood-Star hat Luxussorgen.

Denn Robert De Niro hat sich nicht etwa verspekuliert, auch droht er nicht sein Haus zu verlieren. Im Gegenteil: Die Immobilienkrise des mehrfachen Oscar-Preisträgers dreht sich um ein 43 Millionen Dollar Hotel, das er im New Yorker Nobelviertel Tribeca gebaut hat. Es ist ein durchaus beeindruckendes Stück mit einer handgemauerten Steinfassade, Badewannen aus Carrara-Marmor – und ein exklusives Penthouse, das den Unmut der Nachbarn weckt.

Denn das Penthouse ist etwa 120 Quadratmeter größer als der Bebauungsplan vorsieht. Und überhaupt ein solches Luxus-Domizil auf einen siebenstöckigen Bau zu setzen, ist mit den Vorschriften eigentlich nicht zu vereinbaren. So musste der Bauherr höchstpersönlich vor einem städtischen Ausschuss antreten und seinen Bau rechtfertigen.

De Niro, in seinen Filmen eher ein Rauhbein, gab sich bei der Anhörung ganz milde. „Wir haben viele Jahre und viel Arbeit in dieses Projekt gesteckt, um es ganz der Nachbarschaft anzupassen“, rechtfertigte er die Pläne. „Wenn es jetzt kleine Unstimmigkeiten gibt, entschuldige ich mich.“ So sei das eben mit großen Bauvorhaben.

Nicht dass De Niro mit solchen Projekten keine Erfahrung hätte. Das neue Hotel ist nur der jüngste Teil in einem Immobilien-Imperium, das der Schauspieler in den letzten zehn Jahren am Südzipfel Manhattans erschaffen hat. Dazu gehören bereits mehrere andere Hotels mit Zimmerpreisen ab 625 Dollar sowie Büros, einige Restaurants und das Tribeca Film Center, in dem seit 2002 das mittlerweile weltberühmte Tribeca-Filmfestival abgehalten wird.

Gerade ein solches Imperium schätzen aber nicht alle Nachbarn, und entsprechend scharf argumentierten die Gegner gegen den Schauspieler. Der habe ursprünglich ein kleineres Penthouse geplant, genehmigen lassen – und dann die Pläne geändert, wirft ihm Nedezhda Williams vom Historic District Council vor. Doch nicht nur durch seine Größe falle es jetzt aus dem Rahmen, sondern auch durch sein für die Nachbarschaft untypischen Mansardendach und dekorativen Elementen an der Fassade, die für das von schlichten Bauten aus der Industrialisierung gepräge Viertel „zu flauschig“ wären.

Das kann man auch anders sehen. Der Schauspieler Ed Burns, der mit Robert De Niro in „15 Minuten Ruhm“ vor der Kamera stand, gegenüber dem Hotel wohnt und auch zur Anhörung erschien, fand das umstrittene Gebäude „aus der Sicht eines Laien wunderschön“.

Der Schulterschluss der Hollywood-Größen beeindruckt die Nachbarn aber nicht. Sie drängen nach wie vor darauf, dass De Niro sein Penthouse verkleinern und den ursprünglichen Plänen anpassen muss, was diesen bis zu 1,5 Millionen Dollar kosten würde. Der Bauaussschuss hat noch kein Urteil gefällt, und um das Gremium nicht zu verärgern gab sich De Niro nach der Anhörung zunächst einmal ganz diplomatisch. „Es ist eben ein langer Prozess“, kommentierte er, der nun auf einen Schiedsspruch wartet.
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Alt 23-06-2008, 17:36   #860
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Überstunden am Blackberry
Freitag, 20. Juni 2008

Überall wird getippt und gescrollt… der Siegeszug des Blackberry ist durch nichts aufzuhalten. Nicht einmal durch das iPhone. In Büros in ganz Amerika ist der kleine Alleskönner aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken – und das ist ein Problem: Denn Mitarbeiter wollen plötzlich für Überstunden bezahlt werden.

Ganz überraschend ist nicht, was sich zur Zeit in den USA abzeichnet. Denn wer viel Zeit mit Geschäftsleuten verbringt, der kann schon lange beobachten, wie oft und wie hektisch da gesurft und geemailt wird, wie dringend und konzentriert irgendwelche Attachements gelesen werden müssen. Auch wenn gerade Freitagabend ist, gerne auch beim Dinner im Restaurant, auf dem Spielplatz mit den Kindern, sogar in der Disco und am Wochenende im Garten.

Kurz: Der Blackberry ist immer und überall, und manchem geht das zuweit. Die Autoren und Produzenten des Fernsehsenders ABC haben sich mit ihrem Unternehmen jetzt außergerichtlich auf Sonderzahlungen geeinigt, nachdem es auf Vorstoß der Gewerkschaft zu einem Streit gekommen war. Die Gewerkschaft hatte ihren Mitgliedern geraten, einen Voucher über Blackberry-Benutzung nach Feierabend nicht zu unterschreiben, weil man sonst das Recht auf Entlohnung für die vertippte Zeit verzichtet hätte. ABC zog daraufhin zunächst alls Mitarbeiter-Blackberrys ein.

Nach der Einigung herrscht zwar Ruhe bei ABC, doch andere Konzerne zittern. Denn Anwälte drohen mit einer ganzen Klagewelle. „Den meisten Chefs ist überhaupt nicht klar, was sich hier zusammenbraut“, meint der Rechtsanwalt Jeffrey Schlossberg. „Sie wissen oft gar nicht, dass ein Mitarbeiter gar nicht mehr im Büro sitzt, sondern längst Feierabend hat, wenn sie eine dringende Email schicken.“

Auf der anderen Seite liegt ein wenig Verantwortung natürlich auch beim Mitarbeiter, der seinen Blackberry nicht einfach liegen lässt oder ausschaltet. Doch der bekommt Rückendeckung von Psychologen. „Viele Leute haben einfach nur Angst etwas zu verpassen“, meint Valorie Burton, ein Life Coach aus New York. Aber in vielen Fällen stecke „mehr dahinter. Etwa die Angst, nicht als Team-Player zu gelten. Das geht dann bis zur Angst um den Job oder zumindest die nächste Beförderung.“

Allein einen Blackberry zu haben, setzt Angestellte in Corporate America also unter Druck. Den ertragen sie auch gerne, doch nur gegen Bezahlung.
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Alt 23-06-2008, 17:37   #861
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Uncle Sam plant Entlassungen
Montag, 23. Juni 2008

Die amerikanische Konjunktur steht schon lange auf wackligen Füßen. Hohe Inflation, teure Rohstoffe, schwache Industrie und ein angeschlagener Arbeitsmarkt haben die USA in den Bereich einer Rezession gebracht – und Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Jetzt werden weitere Jobs gestrichen, und zwar ausgerechnet beim Staat.

In den Arbeitsmarktberichten der letzten Monate waren Staat und Kommunen immer die einzigen, die noch ein wenig gute Stimmung verbreiten konnten. Während am Bau, in der Industrie, im Einzelhandel und bei den Dienstleistungen immer mehr Jobs vernichtet wurden – seit Beginn des Jahres hat die US-Konjunktur etwa 250 000 Arbeitsplätze verloren –, wurde zumindest im öffentlichen Dienst noch eingestellt.

Doch damit ist jetzt Schluss. Den Kommunen fehlt das Geld. Niedrige Steuern, die vor allem von den Republikanern gerne als Allheilmittel für eine angeschlagene Konjunktur gepriesen werden, haben die öffentlichen Einnahmen drastisch einbrechen lassen. Entsprechend müssen Städte und Bundesstaaten sparen. Bis zu 45 000 Angestellte dürften in den nächsten Wochen ihre Schreibtische räumen, die Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes rechnet mit vielen weiteren bis Jahresende.

Schuld daran sind dramatische Haushaltslücken. Fast alle amerikanischen Bundesstaaten starten nächste Woche in das neue Fiskaljahr und wissen nicht, wie sie ihre budgetierten Ausgaben bestreiten sollen. In 29 Staaten – darunter Kalifornien, Ohio und Florida – fehlen insgesamt 48 Milliarden Dollar, wie das Center on Budget and Policy Priorities berechnet hat.

Der Weg aus der Krise führt über Einsparungen; unter anderem über das Streichen von 1 Prozent der Stellen. Da im öffentlichen Dienst etwa 20 Millionen Amerikaner Arbeit haben, entspricht das rund 200 000 Entlassungen, die noch vollzogen werden dürften. Das wären mehr als die gebeutelten Bau- oder Autobranchen der Konjunktur bisher zugemutet haben.

Die drastischsten Einschnitte stehen in Tennessee an, wo in den nächsten Monaten 2000 Stellen oder 5 Prozent der staatlichen Jobs abgebaut werden sollen. In New York’s Nachbarstaat New Jersey stehen 3000 Jobs zur Disposition, in Ohio mehr als 2700. Die Stadt Detroit will allein 1300 Stellen abbauen, wenn man bis Monatsende keinen Käufer für den Detroit-Windsor-Tunnel gefunden hat. Eine Privatisierung dieser USAKanada-Verbindung hatte ursprünglich Millionen in den Haushalt spülen sollen, doch zeichnet sich ein Deal nicht ab.

Nicht alle Kommunen sind derart verzweifelt, dass sie Kernstücke ihrer Infrastruktur losschlagen müssen. Doch selbst in Städten und Staaten mit ausgeglichenem Haushalt sieht es nach einer Studie von Standard & Poor’s nicht viel besser aus. Da stehen zwar nicht unbedingt Entlassungen an, doch seien allerorten Einstellstopps verhängt worden; außerdem bietet man seit geraumer Zeit Frühpensionen an.

Schuld an der Misere ist Experten zufolge vor allem der Zusammenbruch auf dem Immobilienmarkt, der zu Zwangsversteigerungen im ganzen Land und einem Einbruch der Grundsteuern geführt hat. Aber auch die übrigen Steuersenkungen der letzten Jahre haben die Kommunen ausbluten lassen. Mit den geplanten Entlassungen setzt sich nun eine Spirale fort, die die USA immer tiefer in die von Experten bereits benannte Rezession führt.
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Alt 24-06-2008, 18:08   #862
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NYSE erweitert nach Nahost
Dienstag, 24. Juni 2008

Der Wachstumskurs der New York Stock Exchange ist nicht aufzuhalten. Nach der Eingliederung neuer Trading-Systeme, dem Merger mit der Euronext und der Übernahme der Amex geht es jetzt nach Nahost: Für 250 Millionen Dollar steigt die Börse in Qatar ein; am Doha Securities Market soll die Expansion in neue Märkte beginnen.

Der Doha Securities Market (DSM), der bisher komplett in staatlicher Hand war, geht mit der NYSE Euronext eine strategische Partnerschaft ein, die noch in diesem Jahr offiziell beginnen soll. Insider rechnen mit keinen Schwierigkeiten bei den regulierenden Behörden.

Laut dem Abkommen der beiden Partner übernimmt die NYSE Euronext für 250 Millionen Dollar einen Anteil von 25 Prozent an der Börse in Doha. Für die New Yorker ist es die größte Auslandsinvestition in ihrer mehr als 300-jährigen Geschichte. Und eine der überraschendsten: Denn die Börse in Doha hält bereits eine Beteiligung an der London Stock Exchange, und eine strategische Partnerschaft mit dieser war im Vorfeld von den meisten Brancheninsidern erwartet worden.

Doch die NYSE Euronext hat wohl das attraktivere Angebot gemacht und neben der LSE auch die Deutsche Börse in Frankfurt ausgestochen, die ebenfalls Gespräche mit Qatar geführt hatte.

So begehrt war die Börse, weil sie es in ihrer kurzen Geschichte – der Handel begann erst im Mai 1997 – bereits zu einer Führungsposition gebracht hat. Der Doha Securities Market gehört zu den wichtigsten Handelsplätzen in der Region. Gelistet sind zur Zeit die Papiere von 43 Unternehmen, die Marktkapitalisierung liegt bei 126 Milliarden Dollar. Bis zum Jahr 2015 soll die DSM die zweitgrößte Börse in Nahost sein.

Ein solches Wachstum dürfte Qatar ohne einen starken internationalen Partner nicht geschafft haben. Jetzt will man auf die Technologien aus New York zurückgreifen, um Aktien, aber auch Derivate, Optionen und Rohstoff-basierte Anlagen zu handeln. Offizielle Währung bleibt dafür der Qatari Riyal, es sollen aber auch Investmentvehikel in anderen Währungen gelistet werden.
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Alt 25-06-2008, 18:09   #863
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Verzweiflung bei GM
Mittwoch, 25. Juni 2008

Bei General Motors regiert die nackte Angst. Nachdem sich die amerikanischen Automobilhersteller schon in den letzten Jahren meist nur mit Margen erschütternden Sonderangeboten gegen den Druck der asiatischen Konkurrenz behaupten konnten, holt man jetzt noch einmal aus: Auf 2008-Modelle gibt es tausende Dollar Rabatt.

Der Dow-notierte Autobauer, der jahrelang auf Trucks und SUV gesetzt hat und wegen des hohen Benzinpreises seit Monaten auf seinen Spritschleudern sitzen bleibt, erfindet nicht etwa das Rad neu, wenn er nächste Woche in einem „72-Stunden-Verkauf“ neue Rabatte anbietet. Im Gegenteil: Wer sich durchringt, einen GM zu kaufen, den unterstützt das Unternehmen mit billigen Finanzierungen wie man das in Krisenzeiten immer gerne gemacht hat.

Doch so teuer hat man sich die Kundenkredite bisher nicht gemacht. GM-Kunden, die sich für bestimmte Wagen der Modellreihe 2008 entscheiden, müssen nichts anzahlen, kaufen komplett auf Pump – und zwar sechs Jahre zinsfrei.

Branchenanalysten haben ausgerechnet, dass dieses Darlehen beim aktuellen Zinssatz der Banken einen Wert von etwa 8000 Dollar hat. Das sind 8000 Dollar, die General Motors direkt von den Margen abziehen kann… damit ist die Zeit der satten Gewinne mit großen Schlitten endgültig vorbei.

Doch GM dürfte längst keine Alternative mehr haben. Die schleppenden Verkäufe großer Vehikel haben zu hohen Lagerbeständen geführt, und die belasten die Bilanz des Unternehmens. Zudem braucht man dringend Cash und findet es offensichtlich hinnehmbar, pro Auto deutlich weniger einzunehmen als ursprünglich einmal veranschlagt worden war.

Einen ordentlichen Discount gibt man aber nicht nur auf einzelne Fahrzeuge. Auch ein Verkauf von Hummer, der Geländewagen-Reihe, die zum Sinnbild der Benzinverschwendung geworden ist und nach Jahren einer gewissen Bewunderung mittlerweile nur noch Hohn und Spott und vielleicht ein wenig Wut erntet, dürfte nicht mehr das bringen, was man sich vor einigen Jahren vielleicht erträumt hatte. Denn wenn überhaupt einer Hummer kauft, dann wird er wissen, dass sich die Protzkisten mit ihrem Rekordverbrauch zur Zeit nicht absetzen lassen.

Entsprechend eng wird es in den Kassen von GM bleiben. So eng, dass man gleichzeitig mit den gewaltigen Rabatten für 2008-Modelle Preisanhebungen für Fahrzeuge mit Baujahr 2009 ankündigt. Um durchschnittlich 3,5 Prozent sollen sich die Wagen verteuern, womit der Konzern die höheren Rohstoffpreise – in diesem Fall bei den Metallen – zumindest teilweise ausgleichen will.

Alles in allem bleibt die Lage bei GM – und beim Konkurrenten Ford – düster. Angesichts des Aktienkurses, der bei beiden Unternehmen unaufhaltsam fällt, werden in den Blogs düstere Szenarien diskutiert, die bis zum Konkurs der beiden amerikanischen Industrie-Legenden reichen.
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Alt 27-06-2008, 20:08   #864
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Der Verbraucher sieht schwarz
Donnerstag, 26. Juni 2008

Eine der großen Stärken der Amerikaner ist ihr unerschütterlicher Optimismus und der Glaube an ein siegreiches Ende. Allerdings ist das auch eine ihrer größten Schwächen. In einem konjunkturell schwachen Umfeld rechnen Analysten noch immer mit einem Aufschwung im zweiten Halbjahr – doch der Verbraucher sieht das anders.

Das Verbrauchervertrauen notiert zur Zeit, wie bereits vor ein paar Tagen bekannt wurde, auf dem niedrigsten Stand seit 15 Jahren. Doch das ist nicht alles, schließlich ist der Index nur eine abstrakte Zahl in einem Universum von Daten und Grafiken, aus denen Experten und Amateure jeden Tag den Handel an der Wall Street destillieren.

Viel schlimmer als die schwache Zahl in einem Stimmungsindex ist die Überzeugung, mit der die Verbraucher ihren Unmut begründen. Sie leiden direkt unter den hohen Preisen für Energie und Lebensmittel – unabängig davon, dass die Kerninflation im Rahmen des Erträglichen liegt. Sie haben Angst vor weiteren Entlassungen in einem ohnehin schwachen Arbeitsmarkt – unabhängig davon, dass Analysten die meisten Branchen schon wieder in einem Aufwärtstrend wähnen.

Ganze 80 Prozent der Amerikaner rechnen zur Zeit damit, dass die US-Konjunktur in den nächsten Monaten weitere Stellen streichen wird; nur 20 Prozent glauben an eine Verbesserung der Situation. Ganze 75 Prozent glauben, dass es für die Wirtschaft weiter abwärts geht; nur 25 Prozent glauben den Analysten, die einen Aufschwung schon für die nächsten Wochen und Monate fest eingeplant haben.

Die Verbraucher dürften Recht behalten, nicht zuletzt weil sie mit ihren täglichen Ausgaben hinter zwei Dritteln der amerikanischen Konjunktur stehen. Ihr Pessimismus wird schon deshalb zu einer Prophezeihung, die sich selbst erfüllt. Wer Angst vor einem Rezession hat, der spart, anstatt in der Mall großzüig shoppen zu gehen… und genau das drückt die Wirtschaft noch tiefer.

Doch kann eine langfristige Gesundung der amerikanischen Konjunktur nur über einen solchen, reinigenden Auswasch führen. Die Amerikaner müssen ihre Schulden unter Kontrolle bekommen und lernen, innerhalb ihrer Verhältnisse zu leben.

Das heißt: Verzicht üben. Laut aktueller Umfragen ist die Menge der geplanten Investitionen beim Verbraucher zur Zeit erstmals seit Jahren rückläufig. Erstmals seit Jahren haben die Amerikaner in Umfragen angedeutet, weniger Urlaub machen zu wollen als im Vorjahr. Und egal ob Autos oder Küchengeräte, Unterhaltungselektronik oder Waschmaschinen, teure Ausgaben werden zur Zeit verschoben. Einzige Ausnahme: Der Umsatz mit Klimaanlagen dürfte in diesem Sommer erneut steigen. Ob das an der aktuellen Hitzewelle liegt oder an der allgemeinen Angst vor einer langfristigen Klimaerwärmung, ist unklar.

Einige Analysten schreiben nun ihre Prognosen um. Denn sie wissen, dass der Verbraucher am Ende seine wirtschaftliche Lage besser einschätzen kann als jeder Akademiker.
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Alt 27-06-2008, 20:08   #865
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Fährt GM aus dem Dow?
Freitag, 27. Juni 2008

Für General Motors geht es weiter abwärts. Die Trucks und SUV will wegen der hohen Spritpreise keiner kaufen, Umsatz und Gewinn brechen weg, Entlassungen häufen sich, Goldman Sachs empfiehlt zu „verkaufen“… die einst so stolze amerikanische Industrie-Legende ist ins Stottern geraten und könnte bald sogar aus dem Dow-Jones-Index fallen.

Von den Indexverwaltern bei Dow Jones gibt es dazu wohlgemerkt keinen Kommentar und offiziell auch keine Pläne. Und weil man den Index erst im Februar neu besetzt hat – damals kamen Chevron und Bank of America für Honeywell und Altria Group – dürften auf absehbare Zeit auch keine neuen Verschiebungen mehr stattfinden. Doch in den Blogs fordern Experten nachdrücklich, dass General Motors auf den Pannenstreifen gehört, nicht aber in den wichtigsten amerikaniscen Aktienindex.

Es fallen einem aber auch zuviele Gründe ein, warum General Motors nicht länger unter den Top-30 der US-Konzerne gelistet werden sollte. Nach den jüngsten Kursverlusten notiert die Aktie zur Zeit auf dem niedrigsten Stand seit 33 Jahren. Die gesamte Marktkapitalisierung beläuft sich gerade noch auf 7,5 Milliarden Dollar. Das ist die geringste unter den Blue Cips – mit Abstand. Denn der Alu-Riese Alcoa, der auf dem zweitletzten Platz steht, kommt immer noch auf etwa 30 Milliarden Dollar.

Die Index-Verwalter dürften sich dennoch schwer tun, GM aus dem Dow zu nehmen. Denn das Unternehmen, das immer noch eine Viertelmillion Amerikaner beschäftigt und auf einen Umsatz von 180 Milliarden Dollar kommt, repräsentiert nun einmal – gemeinsam mit dem ebenso schlappen Konkurrenten Ford – die Automobilindustrie, und damit einen der bedeutendsten Wirtschaftszweige des Landes… historisch oder kulturell betrachtet.

Der CNN-Kolumnist Paul LaMonica schlug den Dow-Machern jüngst vor, gar nicht auf die Branche zu verzichten, sondern GM einfach durch Toyota oder Honda zu ersetzen. Ein interessanter Vorschlag. Zwar stehen im Dow nämlich amerikanische Konzerne, doch werden ja auch die Papiere der beiden asiatischen Industrieriesen an der New Yorker Börse gehandelt. Und auch Toyota und Honda beschäftien zigtausende von Amerikanern, haben Werke im Land… und stehen zudem in derselben globalisierten Welt wie die US-Konkurrenten. Und: Die übrigen 29 Dow-Konzerne machen einen Großteil ihres Umsatzes ebenfalls im nicht-amerikanischen Teil der Welt.

Dass man bei Dow Jones indes so weit gehen will, asiatische Papiere in den Standardindex zu nehmen, darf bezweifelt werden. Doch gibt es genügend Alternativen, denn einige Sektoren sind bei den Blue Chips durchaus unterrepräsentiert und könnten verstärkt werden. Hightech, zum Beispiel. Im S&P-500-Index, der gemeinhin als „marktbreit“ bezeichnet wird, kommen 17 Prozent der Aktien aus dem Hightech-Sektor, im Dow sind es mit Microsoft, Intel, IBM und Hewlett-Packard nur 13 Prozent. Vielleicht könnte man über eine Aufnahme von Cisco oder Apple nachdenken. Beide Unternehmen haben einen Marktwert von rund 150 Milliarden Dollar und einen Jahresumsatz von jeweils etwa 40 Milliarden Dollar.

Auch im Konsumsektor, vor allem in der Lebensmittelabteilung, könnte der Dow Verstärkung gut brauchen. Denn mit Coca-Cola ist zur Zeit nur ein einziger Konzern der Sparte gelistet, zumal Procter & Gamble seine Kaffeesparte gerade verkauft und McDonald’s eher ein Einzelhändler als ein Lebensmittelhersteller ist. So wäre zu überlegen, warum Dow Jones nicht Kraft Foods aufnimmt, die einstige Lebensmittelsparte des Ex-Blue-Chips Altria Group.

Oder PepsiCo. Der Brauseriese ist nicht nur breiter aufgestellt als Coca-Cola, sondern noch dazu größer und erfolgreicher als der Konkurrent, der bereits seit zwanzig Jahren unangefochten im Index hockt. Kritiker dürften fragen, ob sich die beiden Konzerne nicht dennoch zu ähnlich sind, um beide gelistet zu werden. Doch ein genauer Blick auf den Index zeigt, dass Individualtität noch nie ein Kriterium war. Bei seiner Gründung im Jahr 1896 umfasste er fast nur Rohstoff- und Eisenbahnwerte sowie Energieversorger. Und auch heute sind mit ExxonMobil und Chevron zwei fast identische Öl-Riesen sowie mit Citigroup, J.P. Morgan und Bank of America drei Banken vertreten.

Der Status von General Motors als Dow-Wert ist also langfristig keineswegs sicher. Wenn der Konzern weiter an Status verliert, könnte das Papier nach mehr als 80 Jahren aus dem prestigeträchtigen Index fallen. Das wäre traurig, doch fände sich GM in guter Gesellschaft. Der Lauf der Zeit hat bereits aus Konzernlegenden wie U.S. Steel, Eastman Kodak und Sears Roebuck Ex-Blue-Chips gemacht.
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Alt 30-06-2008, 18:05   #866
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Das Zwei-Millionen-Dollar-Steak
Montag, 30. Juni 2008

Ein chinesischer Großinvestor und Hedgefond-Manager hat das teuerste Steak der Welt bestellt: Er wird demnächst im legendären New Yorker Steakhaus Smith & Wollensky speisen und zahlt dafür 2,1 Millionen Dollar. Normalerweise ist das Filet dort billiger, aber dann sitzt auch nicht Warren Buffett mit am Tisch.

Diese Gelegenheit ergibt sich nur einmal im Jahr. Dann versteigert das „Orakel von Omaha“ sich selbst für einen Abend. Wer sich bei Ebay durchsetzen kann, darf mit dem erfolgreichsten Investor der Welt dinnieren, dazu ein paar Freunde mitbringen und sich im kleinen Kreis Anlagetips holen. Der Erlös geht an die Glide Foundation, eine Stiftung, die sich um Arme und Obdachlose in San Francisco kümmert.

Die Glide Foundation freut sich nun über eine Rekordspende. Im vergangenen Jahr hatte die Buffett-Auktion gerade einmal 650 100 Dollar gebracht; der aktuelle Erlös erhöht den Jahresetat der Stiftung um fast 20 Prozent.

Zhao Danyang kann es sich leisten. Der Chef des in Hongkong ansässigen Pureheart China Growth Investement Fund, der sich nach seinem Ebay-Gebot nicht persönlich äußern wollte, scheint eine ähnliche Anlagestrategie wie Buffett zu haben und auf langfristige Investitionen in Unternehmen mit stabilen Marktanteilen und hoher Konkurrenzfähigkeit zu setzen.

Warren Buffett verfolgt diese Strategie seit Jahrzehnten und hat seine Holding Berkshire Hathaway zu einem der erfolgreichsten Unternehmen aller Zeiten und zur teuersten Aktie im amerikanischen Handel gemacht. Das Papier mit Stimmrecht kostet zur Zeit knapp über 120 000 Dollar. Der Bärenmarkt ist aber auch an Buffett nicht spurlos vorübergegangen: Seit dem Höchststand im letzten Oktober hat Berkshire Hathaway – ganz genau wie der Dow Jones – satte 20 Prozent an Wert eingebüßt.

Sorgen macht sich Buffett deshalb noch lange nicht. Mit Anlagen in sechzig Unternehmen ist er breit aufgestellt; Berkshire mischt in Finanz und Versicherungen, Kleidung, Möbeln, Schmuck, Energie und Flugzeugen mit. Zu den größten Einzelanlagen gehören die relativ krisenfesten Aktien von Coca-Cola und Anheuser-Busch, und kürzlich hat der selbsternannte Süßwarenexperte den Schokoriegel-Riesen Mars übernommen.

Ebenso wichtig wie eine breite Aufstellung im Markt ist für Buffett aber seine gemeinnützige Arbeit. Bereits vor zwei Jahren vermachte der zweitreichste Mann Amerikas sein gesamtes Vermögen der Bill & Melinda Gates Stiftung, die sich für die Ausrottung von Malaria und anderen tödlichen Krankheiten in der Dritten Welt stark macht. Ähnliches scheint auch Danyang im Sinne zu haben, der sich sein Steak mit Buffett deshalb gerne etwas mehr kosten lässt.
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Alt 02-07-2008, 19:33   #867
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Die leichteste Aufgabe
Dienstag, 1. Juli 2008

In einem heißen Wahlkampf, in dem der Frust der Amerikaner über ihren amtierenden Präsidenten keine Grenzen kennt und sich die Sorgen der Wähler von Irak und Iran über die Wirtschaft bis hin zu Umweltschutz und Rente strecken, fragt man sich: Was wird die schwerste Aufgabe für den neuen Präsidenten werden? Und was die einfachste?

Volkswirte glauben, dass sich zumindest eine Aufgabe für Präsident Obama oder Präsident McCain weitgehend von selbst erledigen wird: der Arbeitsmarkt. Der liegt zur Zeit am Boden. Seit Anfang des Jahres hat die US-Konjunktur in jedem einzelnen Monat Stellen abgebaut – insgesagt mehr als eine Viertelmillion. Die Arbeitslosenquote liegt deutlich über 5,0 Prozent und damit viel zu hoch für die Amerikaner.

Da die Wirtschaft und mit ihr der Arbeitsmarkt zyklisch verlaufen, so die Experten, dürfte der nächste Herr im Weißen Haus von einem Aufschwung – möglicherweise schon ab den ersten Monaten des neuen Jahres – profitieren. Einen solchen Aufschwung könnte sich der beste Präsident nicht als eigenen Verdienst zuschreiben, doch wäre auch ein schlechter Präsident nicht komplett Schuld an einer schwächeren Entwicklung.

„So ist das nunmal: Wenn die Arbeitslosenquote zu Beginn der Amtszeit sehr hoch ist, wird sie wohl etwas schrumpfen“, kommentiert Joel Prakken, der Chairman der Beratungsfirma Macroeconomic Advisors. „Und wenn die Arbeitslosenquote am Anfang sehr niedrig ist, dann wird sie über die nächsten Jahre wohl etwas steigen.“

Lakshman Achuthan, der Direktor des Economic Cycle Research Institute, anerkennt zwar dass der amerikanische Präsident mit seiner Politik und mit seinen Entscheidungen ein Umfeld schaffen oder zumindest prägen kann, in dem wirtschaftliches Wachstum eher begünstigt oder eher behindert wird. „Viel mehr kann er aber nicht machen als nachher die Schuld auf sich zu nehmen oder die Lorbeeren zu ernten.“

Es sei gar keine Frage, dass Glück ein wichtiger Faktor sei, gibt sogar Jason Furman zu, der als wirtschaftspolitischer Berater Barack Obama zur Seite steht. Im Wahlkampf wird man sich mit solchen Aussagen wohl zurückhalten. Doch Insidern ist längst klar, dass der Präsident die wirtschaftliche Lage höchstens minimal beeinflussen kann.

So wollen Experten dem höchst erfolgreichen Bill Clinton nicht alles zuschreiben was der gerne als seinen Verdienst ausgeben würde. Die 23 Millionen neuen Arbeitsplätze, die die US-Konjunktur während seiner Amtszeit geschaffen habe, seien weniger der Regierung zu verdanken, sondern den bahnbrechenden Entwicklungen im Hightech-Sektor, die zu steilem Wachstum geführt hätte.

Auf der anderen Seite dürften Bush´s Entscheidungen nur eine Teilschuld am aktuellen Dilemma tragen. Diese aber wohl; dass Bush weder Öl- noch Automobilkonzerne in Zeiten steigender Preise mit neuen Regulierungen forderte, hat die aktuelle Energiekrise beschleunigt, und dass er Versicherern, Brokern und Banken freie Hand ließ, hat das Chaos an der Wall Street ebenso wie die Kredit- und Immobilienkrise begünstigt.

Je tiefer die Krise, desto besser die Aussichten für die aktuellen Kandidaten. Beide Lager versprechen, dass ihr Mann die strauchelnde amerikanische Wirtschaft am schnellsten auffangen und am nachaltigsten stabilisieren kann. Der Wähler kann sich nun aussuchen wem er glaubt, während Volkswirt Lakshman Achuthan seine eigene Ansicht zu einer erfolgreichen Politik hat. Die bestehe „zu 50 Prozent aus Glück, und zu 50 Prozent aus einer Politik, die keinen allzu großen Schaden anrichtet.“
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Alt 02-07-2008, 19:33   #868
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Die Wall Street setzt auf Obama
Mittwoch, 2. Juli 2008

Amerika mag noch ein halbes Jahr lang gespannt warten, doch für die Wall Street sind die Präsidentschaftswahlen gelaufen. Im New Yorker Finanzviertel hat man John McCain abgeschrieben; weitere acht Jahre Bush will man sich auch hier nicht vorstellen – obwohl die Republikaner einmal den Ruf hatten, besser für die Wirtschaft zu sein.

Doch nach acht Jahren Bush, in denen die Regierung 650 Milliarden Dollar in den Irakkrieg gesteckt hat, in denen Banken und Broker ohne jede Regulierung eine Kreditkrise von historischen Ausmaßen schafften, in denen der Dollar von einem Rekord-Tief auf das andere stürzte, Handelsbilanzdefizite unaufholbar wuchsen und die Fed zu einem rat- und machtlosen Beraterhaufen verkommen ist, hat man genug.

Finanzlegende Bill Gross, der bei Pacific Investment Management den größten Bond-Fond der Welt verwaltet und überzeugter Republikaner ist, hat jetzt einen offenen Brief an Barack Obama geschrieben. Als hätte der Senator aus Illinois die Wahlen schon erfolgreich hinter sich, schreibt Gross: „Sie haben ein großes Chaos geerbt. (…) Was auch immer Sie tun, um damit aufzuräumen, wird sehr teuer sein.“

Höhere Steuern für Hedgefond-Manager und Öl-Firmen alleine brächten wohl nicht genügend ein, um die USA aus ihrem Schlamassel zu ziehen, glaubt Gross. Die amerikanische Konjunktur bräuchte ein Stimulus-Paket von bis zu 500 Billionen Dollar, die von Obama geplanten Steuersenkungen für die Unter- und Mittelschicht eingerechnet. Obama werde als nächster Präsident nicht umhin kommen, erstmals in der Geschichte der USA ein Haushaltsdefizit von 1 Billion Dollar zu sehen – die Schuld gibt er wohlgemerkt nicht ihm, sondern der Politik seiner Vorgänger.

Gross ist nicht der einzige Finanz-Promi, der mit der Politik der Republikaner unzufrieden ist. Kein geringerer als Warren Buffett prangert Bush’s Steuerkonzept seit Jahren an und hat letztes Jahr sogar einmal nachgerechnet: Bei einer Erhebung in seinem eigenen Büro kam der Multimilliardär auf den niedrigsten Steuersatz; seine Mitarbeiter, von der Putzfrau bis zum Büroleiter, zahlten prozentual mehr an Uncle Sam.

Barack Obama hat bereits angekündigt, als Präsident die Steuern für die Oberschicht und die Unternehmen anheben zu wollen. Ein Nachteil im Wahlkampf ist das nicht, denn die Wall Street hat längst erkannt, dass die jüngsten Steuersenkungen – zumal in Kriegszeiten! – die USA an den Rand des Ruin getrieben haben. „Die Wall Street will jemanden, der die Staatsausgaben eingrenzt“, meint Wall-Street-Guru Jim Cramer. „Man will einen Clinton wie in den Neunzigern, als die Konjunktur im Rekordtempo wuchs.“

Die Wall Street will nicht nur; sie zahlt auch. Die Banken und Broker im New Yorker Finanzviertel haben bereits 9,5 Millionen Dollar in die Wahlkampfkasse von Barack Obama investiert – fast doppelt so viel wie auf das Konto von John McCain. Offizielle Unterlagen zeigen, dass vier der fünf größten Obama-Spender Angestellte von Goldman Sachs, UBS, JP Morgan und Citigroup sind.
Über den Ausgang der Wahl dürfte das einiges sagen. Denn die Wall Street weiß sich – meist – gut zu positionieren. Man spendet nicht zwingend an den Kandidaten, den man sich später im Weißen Haus wünscht, sondern an den, den man dort glaubt. Immerhin kann sich finanzielles Engagement nur dann direkt auszahlen.
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Alt 15-07-2008, 18:05   #869
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Umdenken am Stammtisch
Dienstag, 15. Juli 2008

Amerika im Ausverkauf: Investoren aus Übersee kaufen die New Yorker Skyline, die Citigroup stößt Unternehmensteile nach Frankreich ab, GE verkauft das Verbrauchergeschäft nach Japan… und die belgische Inbev übernimmt eine der amerikanischsten Marken überhaupt: Budweiser. Die Amis ärgern sich, doch sie sind selber Schuld.

Das heißt, nicht alle Amerikaner sind schuld. Die demokratische Senatorin Claire McCaskill, die den Budweiser-Staat Missouri in Washington vertritt, weiß es genauer: „Das alles konnte nur passieren, weil die katastrophale Politik der letzten sieben Jahr den Dollar geschwächt hat.“ Damit hat sie natürlich recht, und doch wäre es allzu einfach, für die Misere bei Anheuser-Busch ganz alleine den Präsidenten verantwortlich zu machen.

Dessen Politik hat nämlich ein Stück weit nur widergespiegelt, was Amerika treibt: der Wille, immer mehr zu konsumieren und dafür immer weniger zu zahlen. Die totale Abhängigkeit der Amerikaner von Plastikschrott aus China und von Öl aus Nahost hat das Handelsbilanzdefizit explodieren lassen. Hohe Kriegsausgaben und niedrige Steuern haben zu einer Überschuldung der letzten verbliebenen Großmacht geführt. Dass der Dollar im freien Fall ist, ist nur die logische Konsequenz.

Der schwache Dollar hat wiederum Öl teurer gemacht. Die Öl-Produzenten verdienen sich dumm und dämlich und investieren ihre Petrodollar direkt wieder in den USA, wo sie sich die besten Grundstücke und Vorzeigeimmobilien schnappen, darunter zuletzt das Chrysler Building, das GM-Building, das „Flatiron“, die ehemalige Zentrale von Philip Morris, das Plaza-Hotel…sie alle gingen jüngst an Investoren überwiegend aus Nahost.

Der Durchschnitts-Ami bekommt davon nichts mit, und er weiß auch nicht, dass das Ausland den USA seit Jahren Milliarden-Kredite gibt, von denen das Land längst abhängig geworden ist. Insofern könnte ausgerechnet die Übernahme von Anheuser-Busch ein Umdenken einleiten, denn davon hat das Volk gehört – und es ist zornig.

„Ich habe Budweiser immer mit Stolz getrunken“, zitiert CNN einen (offenbar geschmacksgeschädigten) Bar-Besucher. „Damit ist jetzt Schluss.“ Und ein anderer erklärt, er habe sein „Bud Light“ vor Schreck nicht einmal austrinken können, als er in den Nachrichten von der Übernahme des Konzerns gehört habe.

Wenn der erste Schock vorüber ist, werden sich viele Kneipengespräche darum drehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass fortan die Belgier in St. Louis das Sagen haben. Und warum die Scheichs in Penthouses am Central Park in Manhattan einziehen, wo die meisten Amerikaner längst ausgepreist sind. Vielleicht wird dem ein oder anderen auffallen, dass Amerika seine Stellung als Weltmacht verkauft hat.

Das „amerikanische Jahrhundert“ ist vorbei, die Nation ist zu einem Haufen hochverschuldeter Konsumenten geworden, die sich auf den Errungenschaften früherer Generationen ausgeruht hat. Bahnbrechende Erfindungen gab es zuletzt nicht, keine wichtigen neuen Technologien, keine erfolgreichen politischen Initiativen. Dafür die Arroganz, aufstrebende Schwellenländer als Markt nicht ernst zu nehmen und sich lieber in die eigene Flagge einzunähen.

Eines ist sicher: Wenn das alles am Stammtisch ausdiskutiert wird, dann wird das Bier auch wieder fließen. Denn im Frust wird den Amis letztlich egal sein, welcher Konzern am Braukessel rührt.
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Alt 16-07-2008, 17:38   #870
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Steuersorgen in Jersey und Washington
Mittwoch, 16. Juli 2008

In Jersey City wird gewählt. Das interessiert mich, denn ich wohne dort. In einem kleinen, aber netten Haus direkt am Park und nur eine halbe Stunde von Manhattan entfernt. Die Gespräche am Rande des Wahlkampfs in der Stadt mit einer Viertelmillion Einwohnern zeichnen ein typisches Bild von einem fehlgeleiteten Amerika.

Den Rest der Welt muss eigentlich nicht interessieren, ob Jeremiah Healy im Rathaus verbleiben darf oder ob sich der frühere Mayor Brett Schundler zurückmeldet, der zwischenzeitlich erfolglos für den Posten des Gouverneurs von New Jersey kandidiert hatte. Oder ob möglicherweise die Witwe eines früheren Bürgermeisters, die Staatssenatorin Sandra Cunningham, das Werk ihres verstorbenen Gatten fortsetzen wird.

Trotzdem lohnt es sich, in dieser frühen Phase des Wahlkampfes einmal hinter die Kulissen zu schauen. So hat der „Jersey City Reporter“ in seiner letzten Ausgabe Bürgerinnen und Bürger befragt, die ihre Forderungen an den neuen Chef im Rathaus formulieren sollten. Doch denen fällt nur ein wichtiger Aspekt ein: „Hausbesitzer wollen wissen, dass sie auf Stadt- und Kreisebene keine Steuereröhungen befürchten müssen“, meint etwa der Immobilienmakler Antonio Dabu.

Doch der sagt das nicht aus dem Blickwinkel seines Jobs, sondern bringt auf den Punkt was Jersey City – und im weiteren Sinne alle anderen Amerikaner – bewegt: das Leben muss weiterhin billig sein. Die Bush-Regierung hat mit ihrer platten Polemik in den letzten Jahren erreicht, dass niedrige Steuern als ein Grundrecht aller Bürger gesehen werden, auch wenn das langfristig nicht realisierbar ist.

Für Jersey City auf keinen Fall, denn der Stadt stehen einige wichtige Investitionen bevor. Die Infrastruktur der immerhin zweitgrößten Metropole des Staates New Jersey, die sich wegen des anhaltenden Zustroms ins benachbarte Manhattan auf weiteres Bevölkerungswachstum einstellt, ist in katastophalem Zustand. Selbst in den besseren Vierteln erinnert manche Straße an einen Schotterpfad in der Dritten Welt. Die wichtigste Autobahnbrücke wurde jüngst von Statikern überprüft werden und muss für mindestens 10 Millionen Dollar ausgebessert werden.

Strom- und Telefonkabel sind größtenteils überirdisch verlegt und hängen manchmal bedrohlich tief über Gärten und Straßen. Die Kanalisation ist mit jedem größeren Regensturm überfordert. Straßen und Keller fluten regelmäßig. Zudem ist die Stadt schmutzig, der See im größten öffentlichen Park dicht bedeckt mit Algen.

Doch es stehen nicht nur Umbauarbeiten an. Der Stadtkern nahe des historischen „Journal Square“ lockt mit seinen Ramschläden und Billigkiosken niemanden an. Ganze Straßenzüge müssen dringend renoviert werden, am wichtigsten Bahnhof stehen sogar Abrissarbeiten an, durch die eine Reihe brüchiger und verlassener Pizza-Baracken einem modernen Wolkenkratzer weichen soll.

In all dem liegt die Zukunft von Jersey City, doch die Bürger haben dafür keinen Blick. Steuersenkungen sind das einzige, was eine Mehrheit interessiert – ganz wie das auch auf US-Ebene gilt. Erst in dieser Woche hat Präsident Bush in seiner Rede zur Wirtschaft immer wieder betont, dass die schlimmste Gefahr für Amerika seitens der Demokraten droht, die nämlich die Steuern anheben und die Bürger abzocken wollen.

Hinter diesem Geschwätz steckt Kalkül. Bush hat die Steuern in den letzten sieben Jahren derart gesenkt – (was in Kriegszeiten übrigens noch nie vorkam!) – dass nun ein gewaltiges Haushaltsdefizit besteht. Den Demokraten wird im Falle einer Machtübernahme im nächsten Jahr gar nichts anderes übrig bleiben, als über Steueranhebungen die Staatskassen wieder zu füllen. Damit werden sie den Republikanern Munition für den Wahlkampf in vier Jahren liefern.

So gesehen ist das Wohl der Nation endgültig zum Politikum geworden. In den USA und in Jersey City, wo ich persönlich nicht damit rechne, dass die Stadt in dieser oder der nächsten Legislaturperiode aus ihrem Tiefschlaf erwachen und ihr Potenzial verwirklichen wird.
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