Nicht wieder gut zu machender Schaden
Von Dr. Bernd Niquet Nehmen wir einmal an, ein Mitglied der neuen Geschaeftslei- tung eines Unternehmens tritt noch vor seinem Amtsantritt vor die Presse und verkuendet, dass sein Unternehmen eigentlich Konkurs anmelden muesste. Wer wird von diesem Unternehmen noch Produkte kaufen? Und wer wird diesem Unternehmen noch Geld anvertrauen? Solche Geschaeftsfuehrer muesste man ei- gentlich gleich wieder vor die Tuer setzen. Anfang dieser Woche sagte der hessische Ministerpraesident Roland Koch nach den Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung: "Wuerden die Regeln des privatwirtschaftlichen In- solvenzrechts gelten, dann wuerde jede Minute, die man zoe- gerte, beim Insolvenzgericht den Konkurs des Unternehmens Deutschland anzumelden, eine Straftat darstellen." Wuerde man die privatwirtschaftlichen Usancen bei Herrn Koch selbst anwenden, so gehoerte er sofort gefeuert. Fristlos und ohne jede Abfindung. Was fuer dummes Gerede ist das? Und wo fuehrt das hin? So wie es aussieht, scheint die Grosse Koalition die Attitue- de des Merkelschen Wahlkampfes weiter fortsetzen zu wollen. Alles ist so fuerchterlich hoffnungslos. Dabei sind die Defi- zite der Bundesrepublik Deutschland weit geringer als die anderer grosser Wirtschaftsmaechte, um nur einmal die USA oder Japan zu nennen. Doch hier agiert man pragmatisch und optimistisch, versucht gegenzusteuern. Bei uns hingegen wird wieder einmal nur gejammert. Und immer deutlicher uebertraegt sich die Larmoyanz unserer Fuehrungselite auf die normale Bevoelkerung. Wer will sich denn noch fuer unser Land engagieren, wenn derartige Leute an der Spitze stehen? Wer will sich noch fuer unser Land enga- gieren, wenn es sowieso schon ein Fall fuer den Konkursrich- ter sein soll? Wer traut sich noch zu konsumieren, wenn er damit rechnen muss, dass er vom Konkursverwalter des Staates mit heftigen Regressforderungen konfrontiert werden koennte? Eine schlechtere Wirtschaftpolitik als die gegenwaertige ist letztlich ueberhaupt nicht mehr denkbar. Es ist bereits heute eigentlich voellig egal, was diese Regierung einmal be- schliessen wird. Der Schaden ist bereits so gross, dass er nicht mehr wieder gut zu machen ist. Und irgendwie ist man fatal an ganz unselige Zeiten deutscher Wirtschaftspolitik erinnert. Roland Koch und Angela Merkel - im Felde unbesiegt. Und nur vom Dolch der Defizite gemeuchelt. Die Dolchstoss- legende, zweiter Teil. Und dann immer dieses Ueberrascht-Sein. Jeder Buerger weiss um den Stand des Staatsdefizits, nur unsere Fuehrungselite ist immer wieder ueberrascht. Und natuerlich betroffen. Unsaeglich betroffen. So richtig deutsch-betroffen. "So schlimm haben wir uns das aber nicht vorgestellt." CDU- betroffen. Aber selbst die SPD soll ja wohl betroffen sein, was dabei heraus kommt, wenn man die Zahlen, die man doch in eigener Regie zu verantworten hat, genauer betrachtet. Oh, wuerden wir uns doch nur auf Ludwig Erhard besinnen und die ganzen Redenschwinger und ueberraschten Heinis in die Wueste schicken. Das waere das beste Konjunkturprogramm des neuen Jahrtausends. Und wahrscheinlich das einzige, was wirk- lich zieht. Die Klappe halten und einfach losmachen. Vor allem: Die Klappe halten! ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Paris spielen, Bruening spielen
Von Dr. Bernd Niquet Das Leben kann wirklich ueberraschend sein. Immer wieder wird uns haargenau prognostiziert, was in Zukunft passieren wird - und dann kommt es doch alles voellig anders. Die Welt und die Daten, die wir taeglich erhalten, sind eben so vielfaeltig, dass sich jeweils verschiedene Szenarien mit der gleichen Folgerichtigkeit ableiten lassen. Es ist also zwangslaeufig so, dass einige es immer schon gewusst haben und andere eben einfach im Regen stehen. Wer beispielsweise - so wie ich - den Film "Hass" von 1995 gesehen und Buecher wie "Roissy-Express" gelesen hat, wird sich ueber die Ereignisse in Paris derzeit nicht wundern. Es musste ja so kommen. Die Zeichen standen seit langem an der Wand. Andererseits: Wie viele Zeichen haben wir in den letz- ten Jahren gesehen, die vielleicht noch viel deutlicher wa- ren? Doch dann ist anschliessend nichts passiert. Interessant finde ich die Rueckkopplungseffekte. Das ist fast wie an den Boersen. Jetzt spielen Buergersoehnchen in Berlin auch Paris. Ein Abenteuerspielplatz fuer die grosse Langewei- le. Autos anzuenden. Was fuer ein Ereignis. Und alles viel realer als im Fernsehen. Die Politik faengt leider ebenfalls an zu spielen. Und das Rollenspiel, das derzeit eingeuebt wird, traegt den furcht- einfloessenden Namen "Bruening". Auch hier wieder die gleiche Situation. Man kann zwei diametral entgegengesetzte Szenarien mit der gleichen Folgerichtigkeit ableiten. Einerseits kann man, wie Herr Koch von der CDU das getan hat, den Staat an- hand einer Cash-Flow-Ueberlegung als nach privatwirtschaftli- chen Kriterien Pleite bezeichnen und dadurch eine Mehrwert- steuererhoehung durchbringen, um zu retten, was noch zu ret- ten ist, um nur das Allerschlimmste, naemlich den Staats- bankrott zu vermeiden. Andererseits kann man jedoch zeitgleich - und mit der glei- chen logischen Stimmigkeit - den Schuldenstand des Staates mit dem Kapitalstock unseres Landes in Verbindung setzen, dann kommt man auf Werte, die um Lichtjahre besser sind als die jedes Unternehmens. Und damit eine deutliche Ausweitung der staatlichen Defizite moeglich machen, um die aktuelle Krise zu bekaempfen. Und was nun? Nur eines ist sicher: Im Nachhinein wird eine Seite es schon immer gewusst haben - und die andere ihre Position eher zu verschweigen suchen. Was mir Sorge macht, ist, dass sich durch die jetzt absehbaren Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen alle, aber auch alle Waehler ge- taeuscht fuehlen werden. Die SPD Waehler werden erleben, dass ihre Partei der Mehrwertsteuererhoehung, die sie so vehement bekaempft hat, als Regierungspartei zustimmt. Und die CDU Waehler werden erleben, dass alle Liberalisierungen und Steu- ererleichterungen von der CDU als Regierungspartei ins Ab- seits gekippt werden, ja sogar das Gegenteil davon realisiert wird. Indem man versucht, durch Konsens die Risse zu kitten, reisst man moeglicherweise weit groessere Risse auf. Und derweil wird oeffentlich ueberall gezuendelt und an Dolchstoessen gebastelt. Wie schoen ist dagegen die gegenwaertige regie- rungslose Zeit. Koennte sie nicht fuer immer andauern? ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Das Gerede bedrueckt, nicht die Fakten
Von Dr. Bernd Niquet Es ist wieder einmal die Zeit des Bewunderns angebrochen. Ich jedenfalls komme aus dem Staunen und Bewundern nicht mehr hinaus, wie sicher die ganze Expertenschar in unserem Lande hinsichtlich der steuerpolitischen Beschluesse der grossen Koalition auftritt. Da wird mit einer Sicherheit verkuendet, was gut und was schlecht ist, dass ich wirklich nur den Hut ziehen kann. Ich habe fast den Eindruck, Hellsehern zuzuhoe- ren. Man kann auf Dauer nur ausgeben, was man einnimmt, sagen die einen. Doch man darf in der Krise nicht konsolidieren, son- dern muss die Ausgaben trotz Defizit steigern, sagen die an- deren. Fakt ist sicherlich, alleine schon aus Gruenden der Logik: Eine der beiden Seiten kann nur Recht haben. Doch wenn dem so ist - und das wissen beide Seiten ja genau - wie kann man dann die eigenen Urteile so apodiktisch vertreten als handle es sich dabei um Naturgesetze? Und vor allem: Was ist eigentlich, wenn es sich bei uns um eine Dauerkrise handelt? Wer hat denn dann Recht? Ich persoenlich tendiere eher der Fraktion zu, die die Steuererhoehungen in der jetzigen Situation fuer falsch haelt. Doch andererseits: Wenn wir jetzt nicht endlich anfangen, das staatliche Budget zu konsolidieren, wann dann? Es ist also stets ein Balanceakt - doch dieser Balanceakt widerspricht sehr deutlich den apodiktisch vorgetragenen Extremmeinungen der vielen Experten. Aber wahrscheinlich muss man bei degenerierten Geschmacksnerven wirklich die Marmelade zentimeterdick auftragen, um ueberhaupt noch etwas zu schmecken. Eine Mehrwertsteuererhoehung um drei Prozent entspricht bei Annahme der voelligen Ueberwaelzung und konstanten Loehnen einer realen Lohnsenkung um ebenfalls annaehernd drei Pro- zent. Das wird also den Konsum schwaechen und die Wirtschaft weiter in den Keller fuehren. So die eingaengige und logisch leicht nachvollziehbare These der einen Seite. Doch ist das wirklich so? Meine eigenen Beobachtungen und kleinen Theorien sprechen sehr dagegen. Ich glaube, dass eine Preiserhoehung um drei Prozent von den Menschen ueberhaupt nicht bemerkt wird. Und der Grund liegt darin, dass die Menschen ohnehin nicht auf die Preise gucken. Bei teuren Anschaffungen sicherlich, doch bei kleinen Dingen ueberhaupt nicht. Es sind jedoch die vie- len kleinen Dinge, die das Grosse - sprich: die Konjunktur - machen. Mein Experimentum crucis ist stets die Weihnachtszeit. Hier hat sich der Handel etwas Geniales ausgedacht: Weihnachts- Suessigkeiten sind etwa doppelt bis drei Mal so teuer wie an- dere und voellig identische Suessigkeiten. Sie werden an Extra-Staenden platziert und es gibt ein rigoroses Preiskar- tell. Laecherliche Schokoladenkugeln kosten 2,50 Euro fuer 100 Gramm. Das sind fuenf Mark. Doch die Leute kaufen und kaufen. Und sie bemerken die Preise gar nicht, weil sie ueberhaupt nicht draufschauen. Beim "kleinen Mann auf der Strasse" holt sich der Staat al- les, so heisst es ueberall. Besonders von denjenigen, die alle Lasten anderen in die Schuhe schieben wollen. Was dabei vergessen wird, ist, dass ueber 95 Prozent der Bevoelkerung kleine Maenner sind. Selbst wenn sie Frauen sind. Schaedlich scheint mir daher weniger die Mehrwertsteuer- erhoehung (das fehlende Geld muesste man sich ansonsten sowieso irgendwo anders besorgen) - als dieses andauernde ganze Katastrophengerede darum. Die Mehrwertsteuererhoehung werden wir alle ueberleben wie man einen Mueckenstich ueber- lebt. Pro Haushalt macht das etwa 16 Euro im Durchschnitt pro Monat aus. Doch wie lange wir die oeffentliche Miesmacherei und Miesepeterei der ganzen Interessenverbaende noch ertragen koennen, da bin ich nicht so optimistisch. Mich kostet das gefuehlt jedenfalls deutlich mehr als 16 Euro im Monat. ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
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Zu den Preisen für Kleinzeug: ja, einige Leute bemerken den Unterschied bei den Kleinpreisen nicht. Aber sie merken, daß das Haushaltsgeld jetzt schneller ausgeht, als früher und nicht mehr für den Monat ausreicht. Zitat:
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Die Grenzen des Wachstums
Von Dr. Bernd Niquet Kapitalgelenkte Marktwirtschaften haben stets etwas von einem Schneeballsystem. Das mag auf den ersten Blick wie eine linke Phrase klingen, erweist sich bei naeherem Hingucken jedoch als nuechterner Fakt. Wir muessen immer weiter wachsen, ansonsten kann das System in eine Krise geraten. Das hat einerseits sehr viel mit der menschlichen Natur zu tun, ande- rerseits aber auch mit den Funktionsbedingungen des Kapita- lismus. Menschen wollen stets mehr verdienen und mehr haben. Die Arbeitnehmer wollen hoehere Loehne, die Konsumenten mehr kaufen und die Kapitalanleger hoehere Ertraege. Fuer den Pro- duktionsprozess bedeutet das: Es muss stets mehr herauskommen als hinein gesteckt wurde, da nicht nur die Vorprodukte und die Loehne erwirtschaftet werden muessen, sondern auch die Bedienung des Eigenkapitals respektive die Zinsen auf Fremd- kapital. Wir sind also dazu verdonnert, immer weiter zu wachsen. Inso- fern entspricht der Kapitalismus vollstaendig den menschli- chen Praeferenzen. Temporaere Phasen des Stillstandes sind durchaus denkbar - und ebenfalls mit der menschlichen Natur kompatibel. Dauern sie jedoch laenger an, dann wird es auf der Kapitalseite kritisch. Denn das Kapital, das nicht mehr aus Ertraegen bedient werden kann, wird notleidend. Passiert dies im grossen Stil, dann entsteht die Gefahr einer kumula- tiven Entwicklung, einer kumulativen Abwaertsspirale. Entscheidend fuer den Wachstumsprozess ist die Entwicklung neuer Produkte und damit neuer Beduerfnisse. Natuerlich haben heutzutage Familien, die wirklich etwas auf sich halten, nicht nur einen, sondern bereits zwei oder drei Gelaendewagen vor der Tuer. Doch die Grenze ist absehbar. Spaetestens bei fuenf Gelaendewagen wird auch der Letzte den Ueberblick ver- lieren. Um dann noch vorwaerts zu kommen, benoetigen wir Hub- schrauber, Flugzeuge, Sexmaschinen, virtuelle Realitaeten. Oder etwas ganz anderes. Denn das Entscheidende an jeder wirklichen Entwicklung ist, dass man sie inhaltlich nicht antizipieren kann. Wir wissen nicht, was die naechsten Erfin- dungen und neuen Produkte sein werden. Wir wissen nur, es wird welche geben. Der Preis fuer ein derartiges Leben im Wohlstand ist natuer- lich nicht zu vernachlaessigen. Ich kann mich noch sehr gut an die Sechziger Jahre erinnern. Damals reichte ein Arbeits- einkommen aus, um eine Familie zu ernaehren. Kindergarten waren Phaenomene der Unterschicht, in der Mittelschicht auf- waerts blieb stets ein Elternteil zu Hause. Und selbst wenn Vater selbstaendig war, dann kam er doch abends zum Abendbrot stets wieder zu Hause. Dringende Termine, noch schnell etwas fertig zu machen, gab es nicht. Die Maerkte waren abgeschot- tet, die Unternehmen hatten ihre Nischen. Die Gewinne waren hoeher als sie bei liberalisierten Maerkten entstanden wae- ren. Die Preise allerdings auch. Die Ueberschuss-Ertraege konnten an die Arbeitnehmer ausgeschuettet werden. Das nannte sich Soziale Marktwirtschaft. Doch auf welchem Niveau haben wir damals gelebt? Nur ein paar Familien in der Strasse hatten ein Auto. Urlaub, wenn es hoch kam, einmal im Jahr in Oesterreich. Und Essen gehen nur an Geburtstagen oder Feiertagen. War das besser oder schlechter als heute? Ich moechte als Antwort eine Jugendgeschichte zitieren, die ich selbst erlebt habe. Auch hier ging es um Expansion, um die Lust und die Un- lust an dem Neuen. Bei einer Klassenfete bestuermten alle den koerperlich etwas zurueckgebliebenen Peter doch endlich ein- mal mit Hilde, die nicht aussah, als ob sie mit Jungs etwas zu tun haben wollte, zu tanzen. Es entspann sich folgender Dialog: "Hilde, hast du mal Lust zu tanzen?" "Nein, habe ich nicht", antwortet sie. Peter ist sichtlich erleichtert und sagt: "Ein Glueck, ich habe naemlich auch keine Lust." ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Ein Spiegel der Gesellschaft
Von Dr. Bernd Niquet Jetzt ist es nicht mehr lange hin und der Profi-Fussball in unserem Lande macht eine Pause. Es ist den Jungs ja auch kaum zuzumuten, bei diesen kalten und winterlichen Temperaturen anderthalb Stunden in der Woche draussen zu arbeiten. Diese unglaubliche Belastung, da muss man wirklich Erleichterung schaffen. Ansonsten holen sich noch alle eine Lungenentzuen- dung. Und damit ist tatsaechlich keinem geholfen - gerade vor dem Hintergrund der im naechsten Jahr in unserem Land statt- findenden Fussball-Weltmeisterschaft. Und je mehr ich ueber den Fussball nachdenke, mir mehrmals woechentlich die Spiele anschaue, umso ueberzeugter bin ich der Meinung, hier ein exaktes Spiegelbild unserer Gesell- schaft anzutreffen. Das beginnt damit, dass beim Fussball ebenso wie in der Gesellschaft alles deutlich auseinander strebt. In den sechziger und siebziger Jahren haben die guten Fussballer vielleicht das Doppelte, Dreifache oder Vierfache eines qualifizierten Arbeitnehmers verdient, dafuer aber auch bestimmt das Doppelte geleistet. Heute hingegen verdienen sie das Hundertfache - bei deutlich ruecklaeufigem Einsatz. Ich werde das gleich naeher erlaeutern. Die Fussballer gleichen darin den Unternehmensfuehrern, von denen man durchaus Aehnliches sagen kann. Die Verguetungen sind schlichtweg in den Himmel gewachsen, wobei die Leistun- gen hier schlecht vergleichbar sind. Auf jeden Fall haben sie sich nicht verhundertfacht, sicher nicht einmal verdoppelt. Denn was hiesse das fuer die Unternehmensfuehrer der Vergan- genheit?! Die Arbeitnehmer muessen also auch bei Schnee und Eis zur Ar- beit fahren, die Herren Fussballer hingegen machen Pause. Auch hier haben wir es mit einem der beruehmten deutschen Sonderwege zu tun, denn in anderen Laendern stellt sich das alles voellig anders dar. In England beispielsweise beginnt ueber Weihnachten und Neujahr die Saison ueberhaupt erst richtig. Und merkwuerdigerweise bricht dort niemand zusammen. Es hat sich jedoch im Fussball wie in der Wirtschaft und der Gesellschaft enorm viel veraendert. Schauen Sie sich einmal die Spieler nach einem Spiel an. Und vergleichen Sie dies mit anderen Sportlern. Die Skilanglaeufer kippen vor Erschoepfung im Ziel um, die Radfahrer fallen beinahe vom Rad. Und die Fussballer? Sie werden kaum einen finden, der ueberhaupt schwer atmet. Viele sind nicht einmal durchgeschwitzt. Das war frueher anders. Doch woran liegt das? Ist es ausschliess- lich mangelnder Einsatz? Natuerlich hat es mit mangelndem Einsatz zu tun. Die Laufbe- reitschaft der Millionarios ist nicht besonders gross. Dazu muss man nur den Trainern genau lauschen. Jeder zweite klagt ueber die mangelnde Laufbereitschaft seiner Mannschaft. Na- tuerlich ist der Einsatz im Moment des Ballbesitzes weiterhin hundertprozentig, vielleicht sogar noch intensiver als frue- her. Gleiches gilt jedoch auch fuer den Charakterzug des Hin- fallens. Da gleichen sich die Fussballer und die grossen Lobbyisten voellig. Wenn es schwer wird, dann laesst man sich im Strafraum des anderen einfach fallen, faengt an zu schreien und zu wimmern. Das Wichtigste scheint mir jedoch eine technische Veraende- rung des Spiels zu sein, die voellig parallel zu den sonsti- gen Dingen unseres Lebens verlaeuft. Die Taktik ist heute so ausgepraegt und macht die vorhandenen Raeume so eng, dass gar kein Platz zum Rennen mehr da ist. Gab es in den sechziger Jahren noch andauernd ungestueme Angriffslaeufe, so ist heute alles in Abseitsfallen und taktische Konzepte eingemauert. Ganz wie in der Wirtschaft. Wer sich heute selbstaendig ma- chen will, findet ebenfalls voellig andere und nur noch sehr eingeschraenkte Moeglichkeiten wieder. Alles ist bis ins Letzte reglementiert, der Freiraum minimal. Niemand kann heute mehr einfach loslaufen. Und auch im sonstigen Leben gilt das Gleiche: Frueher konnte man zwischen zwei Dingen waehlen, der Rest war offen und frei, zum Selbstgestalten und Loslaufen. Heute hingegen gibt es tausend Moeglichkeiten. Doch alles ist bereits kanalisiert und festgezurrt. Wer hier einfach loslaufen wuerde und Erfolg damit haette, muesste ein Genie sein. Wahrscheinlich wird man ihn jedoch eher als einen Irren bezeichnen. Und beim Fussball floege er einfach aus der Mannschaft. Vielleicht ist die anstehende Weihnachtspause daher doch gar keine so schlechte Idee. Viel- leicht sollte die ganze Gesellschaft es dem Fussball einmal nachmachen. Und einfach eine Pause einlegen. Zum Nachdenken. Es wird doch so oft von der "besinnlichen Adventszeit" ge- sprochen. ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Eine erstaunliche Tatsache
Von Dr. Bernd Niquet Das groesste Wunder an den weltweiten Finanzmaerkten ist es, dass sich zu jedem Zeitpunkt Optimismus und Pessimismus immer wieder ausgleichen. Denn kaufen wird stets nur derjenige, der optimistisch ist, wohingegen derjenige, der verkauft, pessi- mistisch gestimmt oder eben einer anderen Notwendigkeit un- terlegen sein muss. Warum ist das so erstaunlich? Weil die Daten, die den Akteu- ren zugaengig sind, sich fuer alle Marktteilnehmer voellig identisch darstellen. In frueheren Zeiten gab es sicherlich einmal ein "Geheimwissen", also interne Informationen ueber Tatsachen und Funktionsweisen hinsichtlich der Boerse, die nur wenigen bekannt waren. Doch heute, im Zuge der Informa- tionsgesellschaft, mit staendig laufenden Boersensendungen im Fernsehen sowie dem Internet gibt es so etwas nicht mehr. Das heisst: Alle Akteure an den Maerkten verfuegen ueber prinzipiell identische Daten oder Inputs - und leiten daraus dennoch diametral entgegengesetzte Szenarien ab. Etwas Erstaunlicheres gibt es eigentlich in unserer sozialen Welt nicht. Wie kommt es nun dazu? Die Antwort ist genauso klar wie (fuer viele) sicherlich er- schreckend und schockierend. Sie ergibt sich zudem mit logi- scher Zwangslaeufigkeit. Das, was wir fuer Aussagen ueber die Welt halten, sind letztlich jedoch fast ausschliesslich Aus- sagen ueber uns selbst, das heisst ueber denjenigen, der sie trifft. Ich schreibe bewusst "fast", da natuerlich viele Einschaet- zungen der Marktteilnehmer Reaktionen auf Preisveraenderungen der Vergangenheit und damit doch Aussagen "ueber die Welt" sind. Wer fuer eine Aktie bei 80 optimistisch ist, kann na- tuerlich bei 120 zum Pessimisten werden. Derartige Entschei- dungen haben also weniger mit dem Entscheider als mit dem Ge- schehen an den Maerkten selbst zu tun. Wichtiger als derartige spezielle und marktbezogene Ein- schaetzungen ist fuer mich jedoch die Grundhaltung, die fuer jeden Boersianer und Finanzmarktteilnehmer charakteristisch ist. Ich moechte hier zwischen "normalen" und "extremen" Grundhaltungen unterscheiden. Fuer normal halte ich diejeni- gen, die variabel sind, die zwischen Optimismus und Pessimis- mus hin- und herpendeln. Ganz so wie die Launen im normalen Leben. Da ist man manchmal froehlich und manchmal betruebt, manchmal optimistisch und manchmal eher skeptisch gestimmt, hat Hoffnungen und Aengste, die sich wechselseitig ueberla- gern. Diesen "normalen" Grundhaltungen stehen die "extremen" gegen- ueber, in denen Akteure dauerhaft ein Szenario verkuenden. Wir kennen sie alle, im normalen Leben wie an der Boerse, die zwanghaften Optimisten und die ewigen Miesepeter und Mis- anthropen, die an allem immer nur das Schlechte sehen. Zwang- hafter Optimismus scheint mir in vieler Hinsicht ein Wunsch- denken zu sein, doch ich finde ihn weder theoretisch noch empirisch sehr interessant. Viel ergiebiger und nutzbringen- der ist mir dagegen die Beschaeftigung mit den Propheten des Untergangs. Denn die Ansteckung mit dem Pessimismus scheint mir sehr viel schwerwiegender und folgenreicher zu sein als der umgekehrte Fall. Warum also sind einige oder viele Marktteilnehmer dauerhaft so pessimistisch? Warum sehen diese Menschen mit zwanghafter Notwendigkeit das Ende der Prosperitaet und den Untergang auf uns zukommen? Eine Sache ist bereits zu diesem Zeitpunkt klar: Es ist stets ein persoenliches (!) Problem, welches dahinter steht. Und kein Problem der Welt an sich. Es sind nicht die Fakten, die beunruhigen, sondern die Meinungen, die von diesen Fakten existieren. Doch wie genau funktioniert hier die Uebertragung beziehungsweise die Rueckfuehrung von Einschaetzungen auf Personen, die sie treffen. Konkret: Warum (!) sind manche Menschen so pessimistisch? Da ich zu dieser Ableitung weit mehr Platz benoetige, vertage ich mich auf die naechste Woche damit. Das ist doch auch ein wunderbar weihnachtlich-besinnliches Thema, denke ich, wenn diese Kolumne dann kurz vor Heiligabend oder ueber die Weih- nachtstage kommt. Bis dahin wuensche ich - gleichsam als "Vorbereitung" - noch eine gesegnete Adventszeit! ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Eine ungeheuerliche Behauptung zum Gold
Von Dr. Bernd Niquet Warum sind manche Marktteilnehmer am den Finanzmaerkten so zwanghaft pessimistisch? Warum kaufen so viele derzeit Gold und denken an einen notwendig bevorstehenden Untergang? In der letzten Woche habe ich abgeleitet, dass hier stets ein persoenlicher (!) Tatbestand dahinter steht. Denn - nochmalig gesagt - die Daten und Information, auf die wir alle bei der Ableitung unserer Einschaetzungen zurueckgreifen koennen, sprechen weder eine optimistische noch eine pessimistische Sprache. Sie lassen stets die Ableitung sowohl eines positi- ven als auch eines negativen Szenarios zu. Die "Wahl" ist also stets eine subjektive. Und sie kann entweder "normal" sein, also im Zeitablauf sich veraendern, oder eben "extrem" oder noch besser gesagt, "verfestigt" sein. Doch wie kommt es nun dazu? Ich schlage mich schon sehr lange mit diesem Thema herum und habe neulich an voellig unvermute- ter Stelle einen interessanten Fund gemacht. In seinem vier- baendigen Buch "Der Idiot der Familie" analysiert Jean Paul Sartre das Leben sowie das Werk des Schriftstellers Gustave Flaubert - und stellt beides in Beziehung zueinander. Die Grundfrage ist mithin voellig identisch zur hier gestellten Frage nach den Gruenden fuer das Herausbilden von Handlung und Einschaetzung repraesentativer Finanzmarktteilnehmer: Warum so zwanghaft truebsinnig und misanthropisch? Warum ist Flaubert geworden wie er geworden ist? Warum sind die meisten Menschen moderat optimistisch bezueglich unserer Zukunft? Und warum glauben gleichzeitig - und sind mit dem- selben Informationsstand versehen - andere an einen Zusammen- bruch der Weltfinanzen, an einen voelligen Wertverlust des Papiergeldes und daran, dass das Gold die einzig sichere Ver- moegensanlage ist? Sartre nimmt Flauberts Familiesituation minutioes auseinander und schliesst, dass Flaubert deshalb zum Menschenfeind gewor- den ist, weil er nie die Chance hatte, sich gegen die Unter- drueckung in der Familie aufzulehnen oder diese Situation zu aendern - und nun das unabwendbare Uebel auf die ganz norma- len menschlichen Beziehungen uebertraegt. Konkret: "(D)a das Kind sie (die familiaere Situation) nicht anklagen und ver- aendern kann, verbirgt es sich, indem es sich einredet, das radikale Uebel regiere allgemein die menschlichen Beziehun- gen." (Quelle: Taschenbuchausgabe, Teil IV, S. 37.) Was wir hier finden, ist ein induktiver Schluss, also ein Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine: "Mir ist ein Uebel angetan worden, also wird allen ein Uebel angetan werden." Rein induktive Schluesse sind nun jedoch vom Standpunkt der Logik aus gar nicht durchfuehrbar, da naemlich jeder induk- tive Schluss seinerseits einen deduktiven Schluss "Du sollst verallgemeinern!" beinhaltet. Duerfen wir also verallgemei- nern und sagen: "Zwanghafter Pessimismus ist etwas Pathologi- sches"? Nein, das duerfen wir nicht. Und dennoch bin ich fest der An- sicht, dass hier der Schluessel zum Verstaendnis der verhaer- teten Haltungen vieler Menschen liegt. Ich muss mir dazu nur die verdraengte Aggressivitaet anschauen, die dann zu Tage tritt, wenn ich mich negativ ueber das Gold und positiv ueber die Institutionen unserer westlichen Laender einschliesslich ihrer Geldwesen auslasse. Dann rollt wirklich eine Welle des Hasses los, die ich anderweitig noch niemals erlebt habe. Schreibe ich hingegen negativ ueber Aktien, dann ruehrt sich kaum etwas. Denn Aktien werden in der Regel von Optimisten gekauft und auch wieder verkauft, jedoch selten als Weltan- schauung betrachtet. Hier liegen laengst nicht so viele verdraengte Aggressionen begraben, dafuer jedoch ein weit groesseres Mass an Selbstreflexion. Wer Aktien kauft, weiss, auf was er sich einlaesst. Derjenige hingegen, der im Gold die einzige Rettung sieht, glaubt, unabhaengig von seiner Person die Zeichen der Zeit zu erkennen, reagiert jedoch hauptsaechlich auf seine unbewusste innere Befindlichkeit. Seine Selbstwahrnehmung ist blind. Moege ein goldener Stern sie wenigstens zum Heiligen Fest zeitweise erleuchten! In diesem Sinne wuensche ich Ihnen noch wunderbare und vor allem besinnliche Festtage! ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Schöne Neue Welt
12:16 28.12.05 In der letzten Zeit habe ich an zwei großen Themen gekaut: Einerseits: Warum sind viele Menschen so zwanghaft pessimistisch? Woher kommt das und wie wird man so? Und andererseits: Wie muss ein literarisches Werk aussehen, welches die Welt realistisch abbilden will? Gibt es hier überhaupt einen Objektivismus, wie von vielen Seiten behauptet? Und wie stellt man in diesem Zusammenhang das Groteske dar? Letztlich sind das jedoch alles Scheinprobleme. Das heißt: Sie sind unwichtig, haben keine Bedeutung. Wer sich damit herumplagt, ist ein Dummkopf, denn er vergeudet seine Zeit. Wichtig ist vielmehr etwas ganz anderes. Herausgefunden habe ich das allerdings erst zum Ende der Woche, als ich mein neues Handy bekommen habe. UMTS für fünf Euro pauschal im Monat. „Was?“ frage ich den Mann bei Vodafone, „dafür habt ihr doch vor nicht langer Zeit hohe Milliardenbeträge gezahlt. Und jetzt gibt es das für fünf Euro quitt im Monat?“ „Die Menge macht es!“ antwortet er. Und ich denke: Was für eine wundervolle Welt. Jetzt darf ich also so lange wie der Akku hält – und das ist bei meinem neuen Motorola-Handy immerhin eine gute Stunde – mit meinem Handy im Internet surfen. „Allerdings nur im Vodafone-Netz“, sagt der Verkäufer, „aber da ist fast alles drin.“ „Fast alles drin“, das klingt gut. Ich betrete eine Welt, die mir vorher verschlossen war. Als erstes lese ich: „Himmlisch: Xmas-Special!“. Ich klicke auf den Text und es erscheint: „Bei Anruf Weihnachten“ Festliche Ring-Up-Tones fürs Handy“ und „ebay Es weihnachtet schon: Jetzt Geschenke sichern“. Ich gehe zurück und sehe, dass ich jetzt die „Bunte“ ohne Aufpreis lesen kann. Darunter werde ich mit der Frage konfrontiert: „Asian Babe – Top oder Flop?“. Ich sehe das Gesicht eines Mädchens, klicke auf den Text und werde erst gefragt, ob ich schon über 16 bin, und dann, entweder auf „Top“ oder auf „Flop“ zu klicken. Bei ersterem gibt es neun Punkte, bei letzterem drei. Ich weiß nicht, wofür, was das alles zu bedeuten hat, warum ich das machen soll und orientiere mich weiter. Striptease kann ich für 0,68 Cents die Sequenz im Abo herunter laden. Das läuft unter „Erotik“. Für den gleichen Preis gibt es den Leitkommentar der FAZ. Bundesligaergebnisse sind frei bis zum Jahresende und kosten dann drei Euro pro Tag, Woche oder Monat und irgendeinen mittelstelligen Centbetrag pro Minute. Alles ist irgendwie kostenfrei bis zum Jahresende, doch anschließend ist man dann Abonnent. Und ganz langsam beginne ich, die neue Welt zu begreifen. Endlich verstehe ich, warum die Leute sich stets angewidert abwenden, wenn ich in meinen Kolumnen einmal versuche, schwierige Dinge anzupacken und zu erklären. Denn die wirkliche Welt läuft ja völlig anders. Das wirkliche Leben erfordert, prägnante Einzeldinge kurz auszudrücken und für 0,68 Euro pro Klick zu verkaufen – am besten im Abonnement. Der Vorteil dieser Konzeption gegenüber der Vergangenheit liegt offen zu Tage. Welche Zeitersparnis für uns alle! Wir müssen keine komplizierten Fragen mehr stellen, weil für die Antwort eh viel zu teuer werden würde. Und wie viel einfacher auch das Börsengeschehen! Vodafone! How are you? The answer for 68 cents. Und einen guten Rutsch dann! Mit den besten Grüßen! Bernd Niquet berndniquet@t-online.de |
Der metaphysische Status des Weihnachtsmannes
von Dr. Bernd Niquet Meine Guete, was bin ich in den letzten Tagen oft in die Bredouille geraten. "Papa, wenn man den Weihnachtsmann so- wieso nicht sehen kann, warum muss ich denn dann in mein Zimmer, wenn er kommt?" fragt meine Tochter. Und in dieser Art ging es die ganzen Tage vor Weihnachten. Stuendlich stand meine ganze Philosophie kurz vor dem Zusammenstuerzen. Aber was soll man auch machen? Es ist ja durchaus nicht ein- fach. Und in der Schule lernt man zwar Latein und viele schlaue Dinge, doch ueber Theorie und Alltag gibt es gar nichts. Vielleicht ist das auch der Grund dafuer, warum so viele Boersianer an den Maerkten Schiffbruch erleiden. In der Schule nichts gelernt und nicht mal mit dem Weihnachtsmann richtig beschaeftigt - dann kann das alles eben auch nichts werden. Die meisten Menschen denken, die Dinge waeren so, wie sie sie sehen. Der Irrtum koennte jedoch nicht groesser sein. Nehmen wir zuerst den Weihnachtsmann und hinterher die Boerse. Das Wichtigste ist stets, dass eine Theorie in sich widerspruchs- frei ist. Ob Theorien richtig sind, das merken wir immer erst durch langjaehrige Erfahrungen. Wobei "richtig" natuerlich immer nur "vorlaeufig richtig" heisst, also "bisher gut bestaetigt". Was morgen ist, das kann man nie genau wissen. Falsche Theorien kann man hingegen stets an den inneren Widerspruechen erkennen. Und viel mehr, so fuerchte ich, kann man sowieso nicht tun. Deswegen schreibe ich ja auch meisten ueber Unsinn und selten ueber Sinn. Weil der Unsinn immer klar fassbar ist, der Sinn hingegen stets ein weites Feld. Nun also zum Weihnachtsmann: Dass alle Gestalten, die wir in den vergangenen Wochen mit weissem Bart und rotem Mantel ge- sehen haben, der Weihnachtsmann sind, ist voellig unhaltbar. Erst sehen wir einen Weihnachtsmann, dann biegen wir um die Ecke und sehen noch einen. Jetzt muessen wir aufmerken und schliessen: Das geht nicht! Wenn es tatsaechlich einen Weih- nachtsmann gibt, dann kann es nur einen einzigen geben. Schliesslich haben wir den Wunschzettel an den (!) Weih- nachtsmann geschrieben. Gaebe es hingegen viele, dann wuessten wir gar nicht, an welchen wir uns nun wenden sollen. So kommen wir also nicht weiter. Der logisch zwingende Schluss lautet: Was wir hier gesehen haben, waren nur verkleidete Maenner. Doch was ist dann mit dem wirklichen Weihnachtsmann? Man kann es drehen und wenden, wie man will, es bleibt nur eine Loesung: Entweder es gibt gar keinen wirklichen und richtigen, echten Weihnachtsmann, oder aber dieser Weihnachtsmann muss unsichtbar sein. Denn nur dann ist sichergestellt, dass man ihm nicht an mehrere Orten gleichzeitig begegnen kann. Eine Untertheorie der Per- sonenverdoppelungen waeren in diesem Fall zwar denkbar, wuerde die Theorie jedoch voellig unhandhabbar und beliebig machen. Eine Frage bleibt allerdings auch jetzt noch uebrig, und ge- nau auf die ist meine Tochter natuerlich sofort wieder gekom- men: "Papa, wenn der Weihnachtsmann unsichtbar ist, woher wissen wir dann, dass er einen weissen Bart und einem roten Mantel traegt?" An dieser Stelle war ich mit meinem Latein tatsaechlich am Ende. Konsequenterweise haette ich jetzt die Jesusgeschichte adaptieren und erzaehlen koennen, dass sich der Weihnachtsmann frueher einmal eben doch einem ausgewaehl- ten Kreis von Juengern offenbart hat. Aber meine Tochter ist erst fuenf, und ich will sie nicht uebermaessig verwirren. Deswegen freue ich mich schon sehr auf die Zeit, in der sie schon groesser sein wird. Dann kann ich ihr naemlich ganz frank und frei sagen: "Eigentlich ist es hier genauso wie an der Boerse: Da denkt auch jeder das Gleiche und niemand schert sich nur ein Deut darum, woher dieses Wissen stammt und ob es auch nur in Ansaetzen folgerichtig ist." "Und?" wird sie dann zurueck fragen, "bekommen die Leute an der Boerse deshalb auch so schoene Geschenke wie die Kinder?" "Eben nicht!" werde ich antworten. "Eben nicht! Ausser in manchen Jahren. Da rinnt es selbst dem Esel vor der Krippe direkt von der Nase in den Mund." ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Der Spekulant als Held
von Doug Casey Die Achtziger waren die Zeit der Spekulanten – und jetzt, 20 Jahre später, öffnet sich wieder ein Fenster mit solchen Möglichkeiten. Erfolgreiche Spekulanten sollten aus dem ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts reicher hervorgehen, als sie es sich in ihren wildesten Träumen haben träumen lassen. Glücklicherweise ist es ein Geschäft, das Allen offen steht. Keine formale Ausbildung, keine Berechtigungsausweise oder Lizenzen werden verlangt. Die Übung kommt beim Tun und was noch besser ist – schon in der Lehre gilt: Verdiene während Du lernst. Es ist eine verlockende Jobmöglichkeit, aber sie trägt bedauerlicherweise ein Stigma. Ich bin bekannt dafür, dass ich über viele, verdächtig wenig gesellschaftsfähige Konzepte rede: Finanzkrisen, Hyperinflationen, die alternative Wirtschaft, das Horten. Es sind alles Reizwörter, die lebendige Bilder und starke Emotionen wachrufen. Das mächtigste unter diesen Wörtern ist aber immer noch "Spekulant". Es kling verantwortungslos, opportunistisch und gefährlich. Die Politer und die Medien werfen so verschwenderisch mit diesem Wort um sich, dass ich vermute, es gibt nicht viele Leute, die es je gewagt haben zu fragen, was wirklich dahinter steckt. Ein Spekulant ist ganz einfach jemand, der eine Verzerrung am Markt entweder sieht oder erwartet und der sich selbst so positioniert, dass er daraus einen Vorteil ziehen kann. Er kann das, weil er die Gründe und die Wirkungen kennt. Spekulationen werden in den folgenden Jahren die Fundamente zu Dynastien legen. Der einzigartige Baron Rothschild wusste, wie man von dem Chaos, das durch die Politik der Revolutionsjahre in Frankreich ausgelöst wurde, profitieren konnte. Er wurde reich und berühmt, weil er seiner eigenen Maxime "kaufen, wenn das Blut durch die Straßen fließt", folgte. Das heißt nicht, dass ein Spekulant gierig sein muss; im Gegenteil, er handelt humanitär. Wenn die Menschen so verzweifelt sind, dass sie ihren Besitz verkaufen, dann taucht er mit Bargeld auf – was genau das ist, was sie am meisten wollen. Wenn sie ihre Meinung ändern, und anfangen zu schreien, dass sie die Dinge in guten Zeiten von ihm zurückkaufen wollen, dann folgt er wieder großzügig den Wünschen der Mehrheit. Der Spekulant versucht, wie jeder andere Arbeiter, seinem Arbeitgeber das zu geben, was dieser haben will. Wert ist subjektiv und der Preis, zu dem Güter ohne Einfluss von Außen die Hände wechseln, bestimmt den aktuellen Wert eines Gutes. Der Spekulant tauscht einfach nur einen Wert gegen einen anderen. Wenn er nicht da wäre um zu kaufen, dann wäre vielleicht auch sonst niemand da und die Verkäufer hätten arge Probleme. Irgendwie ist es dazu gekommen, dass Spekulanten das Image von achtlosen Spielern bekamen, die in wilder Aktion Geld an sich reißen. Es ist ein absolut unpassendes Bild, zumindest da, wo es um erfolgreiche Spekulanten geht. Gute Spekulation ist immer Spekulation mit geringem Risiko. Anstatt Risiken einzugehen, kümmert sich der Spekulant um "sichere Geschäfte". Spekulanten sind rational und unemotional, wenn sie erfolgreich sind, die irrationalen und die emotionalen, die gerne spielen und Risiken eingehen, spielen oft nicht sehr lange mit und sind schon bald Ex-Spekulanten. Ganz einfach formuliert besteht eine gute Möglichkeit die Methoden des Spekulanten von denen des Anlegers unterscheiden in Folgendem. Ein Anleger riskiert 100 % seines Geldes, in der Hoffnung einen Gewinn von 10 % zu machen. Ein Spekulant riskiert 10 % in Erwartung eines Gewinnes von 100 %. Wenn sie nur ein bisschen aufmerksam sind, dann ist das langfristige Risiko/Belohnungs-Profil des Spekulanten in einer ganz anderen Liga als das des "konservativen" Anlegers. In diesen Tagen, in denen sich die plappernden Massen verzweifelt nach sicheren Häfen gegen den aufziehenden Sturm umsehen, sammelt ein Spekulant Positionen in guten Goldunternehmen. Während Gold heute öfter in den Nachrichten ist, als in den vergangen Jahren, blickt der durchschnittliche Investor immer noch mit Argwohn darauf und denkt, Goldanleger seien irgendwie komisch. Sie werden gleich erfahren, dass genau das dazu führt, dass es eine ideale Zeit ist, Gold aufzustocken, wenn es auch besser gewesen wäre, schon Anfang 2004 gekauft zu haben, als nur wenige etwas von Gold wissen wollten ... eine Tatsache, die ihnen jeder bescheinigen wird, der es schon damals getan hat. Für das Einkommen zu investieren ist ein finanzieller Todeskuss. Warum hat sich keiner der großartigen Millionäre der Vergangenheit den einfachen Trick des Zinseszins zunutzen gemacht, um irgendwann die Welt zu erobern? (Wenn die Indianer die 26 Dollar, die man ihnen für Manhattan bezahlt hat, damals zu einem Staffelzins von 5 % angelegt hätten, dann hätten sie heute schon 2.790.729.193 Dollar.) Es ist bestimmt nicht so, dass sie es nicht versucht hätten. Es ist so, weil einem keine Anlage ein Leben lang einen Ertrag von realen 5 % zusichern kann. Tatsächlich gibt es wohl nicht einmal eine Anlage, bei der man sich darauf verlassen könnte, dass sie einem über mehr als vierzig oder fünfzig Jahre 3 % einbringt. Sie sagen jetzt vielleicht: "Was macht denn das für einen Unterschied? Ich werde eh nicht mehr so lange leben." Aber es macht einen Unterschied, weil es die Vergeblichkeit des Versuchs zeigt, mit einer "sicheren" Anlage die Nase vorn zu behalten. Alles ist Spekulation, ob die Leute es wissen oder nicht. Diejenigen, die sich mit einer niedrigen, aber "sicheren" Anlage zufrieden geben, sparen am falschen Ende. Wenn sie auf "konservative" Erträge aus sind, dann können Sie durch die kleinste Fehlkalkulation, Pech oder eine Regierungserklärung alles verlieren. Steuern werden ihr Kapital immer schrumpfen lassen, direkt oder indirekt. Inflation wird in der absehbaren Zukunft eher schlimmer werden und stark fluktuieren. Banken und Versicherungen – genau die Institutionen, die mit der Zusage geringer Erträge durchkamen, eben weil sie so stabil waren – werden wie schon immer versagen ... ganz besonders wenn man die gegenwärtige Überteuerung der meisten amerikanischen Immobilien bedenkt und die Kredite, die zunehmend wackliger wirken. Die Regierung selbst wird irgendwann abgelöst werden und die Währung wird ihren Wert verlieren. Und es gibt keine Möglichkeit, sich wirklich gegen Kriege, Diebstahl, Betrug oder Naturkatastrophen zu schützen. Investitionen für das Einkommen sind – ganz besonders im gegenwärtigen Klima, bei dem sich die Macken schon im Fundament der Gesellschaft zeigen – der Gipfel der Dummheit. Wenn Sie fürs Einkommen investieren, dann legen Sie die Verantwortung für ihre Zukunft in die Hände anderer. Sie wissen nicht, was diese Leute mit Ihrem Geld tun werden, sie können nicht absehen, wie intelligent sie sich in Zukunft verhalten werden und Sie wissen noch nicht einmal, wie fundiert die Kapitalstruktur ist. Diese Grundlagen sind schlimm genug für unbesonnenes Spiel, aber als Gegenleistung für einen einfachen Ertrag ist es absurd. Was soll man dann tun? Mit welcher Methode kann man diesem Wahnsinn entkommen. Die einzige Antwort, die ich kenne ist, dass man ein solides finanzielles Fundament aufbaut, dann sein Bargeld und seinen Mut zusammennimmt und die Kunst der Spekulation erlernt. |
Ausblick auf 2006
von Dr. Bernd Niquet Ich wuensche Ihnen ein gutes und erfolgreiches Jahr 2006, liebe Leser. Hinter uns liegt ein fulminantes Finanzjahr 2005. Ich weiss natuerlich ebenso wie alle anderen nicht, was uns das Neue Jahr bringen wird. Doch mir scheint sicher, dass das, was im letzten Jahr abgelaufen ist, keine Wiederholung finden wird. In den beinahe dreissig Jahren, die ich jetzt mit der Boerse zu tun habe, habe ich so etwas noch nicht erlebt. Natuerlich gab es schon oft spektakulaerere Anstiege der Aktien, enormere Haussen der Edelmetalle und riesige Waehrungsgewinne zu verzeichnen. Doch dass in einem Jahr ALLES gestiegen ist, so etwas habe ich noch niemals erlebt. Denn es ist wirklich alles gestiegen, die Aktien, die Bonds, die Rohstoffe und Edelmetalle, und sogar die Fremdwaehrungen haben deutlich zugelegt. Mit meinem eigenen Portfolio habe ich - nach Steuern - insge- samt 19 Prozent zugelegt. Meine Struktur sah per Jahres- schluss folgendermassen aus: 43 % Aktien (28% Blue Chips Europa, 7% Fernost, 8% Rohstoffaktien), 11 % Bonds, 8 % Roh- stoffe direkt und 38 % Cash. Die Gewinne stellen sich in etwa so dar: Aktien insgesamt + 31% (Blue Chips +25%, Fernost +30%, Rohstoffaktien +48%), Bonds + 11%, Rohstoffe + 9%, Cash + 2% und realisierte Ge- winne 3%. So sieht eine vorsichtige Anlagestrategie aus. Ich bin mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Dass andere Anleger weit mehr gemacht haben, tangiert mich ueberhaupt nicht. Denn ich weiss: Selbst wenn es voellig anders gekommen waere, haette ich dennoch einigermassen passabel ausgesehen. Doch diejeni- gen, die sehr stark ins Risiko gegangen sind, waeren dann Pleite gegangen. Und was wird nun 2006? Ich denke, zuerst einmal werden die derzeitigen Trends weiterlaufen. Vielleicht werden die Boer- sen noch weiter steigen als wir uns alle ertraeumen. Doch spaetestens dann werde ich bei den Aktien etwas kuerzer tre- ten. Skeptisch bin ich auch beim Dollar und habe meine Dol- lar-Bonds glattgestellt. Ueberhaupt scheint mir in dieser Hinsicht ein Tagesgeldkonto in Euro besser als alle Bonds. Fuer den geringen Renditeaufschlag lohnt es sich nicht, das Bondrisiko und das eventuell hinzukommende Waehrungsrisiko in Kauf zu nehmen. Sie werden mich jetzt nach meinen letzten Kolumnen fuer ver- rueckt halten, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das Gold moeglicherweise am besten laeuft im kommenden Jahr. Man muss hier jedoch klipp und klar zwei Dinge unterscheiden: Wer glaubt, dass ein Systemcrash bevorsteht und dass Gold da- fuer eine gute Versicherung ist, befindet sich aus meiner Sicht in einem gigantischen Irrtum. Ich sehe die Goldhausse vielmehr als eine ganz normale Manie gelangweilter Finanz- leute. Sie ist zu hundert Prozent vergleichbar mit der Inter- net-Hausse vor der Jahrtausendwende. Sie beginnt voellig identisch. Und sie wird auch identisch aufhoeren. Irgendwann wird der Rausch ploetzlich enden - und dann geht es rueck- waerts. Rette sich, wer kann! Bis dahin kann man gerne versuchen, mitzuspielen. Doch nie- mand sollte sich einbilden, hier eine Wertaufbewahrung fuer die Ewigkeit gefunden zu haben. Denken Sie immer daran: Aktien legen deshalb an Wert zu, weil Unternehmen im Zeit- ablauf stets mehr verdienen. Selbst wenn die Unternehmens- gewinne nur mit dem BSP mitlaufen, erlangt man hier eine gute Vermoegenssicherung. Gold hingegen steigt nur dann, wenn immer mehr und neue Kaeu- fer generiert werden. Aktienkurse sind wirtschaftlich fun- diert, auch wenn sie im Zeitablauf extrem schwanken. Gold- kurse hingegen besitzen kein wirtschaftliches Fundament. Sie sind ausschliesslich Resultat von Schneeballeffekten. Und der naechste Sommer wird kommen. Egal wann, aber er wird kommen. ++++++ Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor. |
Einige Bemerkungen zur Gold-Hausse
von Dr. Bernd Niquet In dieser Woche haben wir den hoechsten Goldpreis seit 25 Jahren erlebt. Bis zu den Topkursen aus den 70er Jahren ist allerdings noch viel Platz nach oben. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie das damals war. Da sass ich am Bankschalter und bei mir liefen die Kunden auf, die um den Erhalt ihrer Ver- moegen zitterten. Es freut mich sehr, dass sie alle jetzt endlich ihre Einstiegskurse wieder sehen. Die Goldpreisexplosion der 70er Jahre war die erste Hausse, die ich in meinen Leben mitgemacht habe. Damals gab es zwei- stellige Inflationsraten und die Menschen suchten nach einer Anlageform, ihr Vermoegen zu sichern. Denn die Kaufkraft nahm rapide ab, und durch die Oelkrise drohte alles noch schlimmer zu werden. Der Report des "Club of Rome" verkuendete gar ein baldiges Ende der Oelversorgung und wies somit auf eine dau- erhafte Hyperinflation. Dann ist jedoch alles - wie eigent- lich fast immer - doch voellig anders gekommen. Heute steigt der Goldpreis wieder, wir haben jedoch keine signifikante Inflation. Die Energiepreise sind deutlich ge- stiegen, aber die meisten Faktoren deuten eher auf ein defla- tionaeres als auf ein inflationaeres Szenario. Doch in der Deflation, das weiss heute jedes Kind, ist derjenige der Koe- nig, der liquide ist. Und nicht derjenige, der sein Vermoegen in Edelmetallen oder Betongold bindet. Warum trotzdem der Anstieg der Goldpreise? Es scheint eine grosse Furcht der Menschen vor dem Verlust ihrer Ersparnisse zu grassieren. Doch warum das? Weil die ganzen Finanzstruk- turen weltweit so verwirrend sind - und man daher lieber den Taler in der Hand haelt als sich auf die Abenteuer der boes- artigen Welt da draussen einzulassen? Vieles ist natuerlich von den entsprechenden Interessen- gruppen lanciert und beruht zudem auf voellig falschen Vor- stellungen von unserem Geldwesen. Ich werde nicht muede, im- mer wieder darauf hinzuweisen. Ebenso wie bei der Internet- hausse vor der Jahrtausendwende ist sehr deutlich zu erken- nen, dass der Hausse das Fundament fehlt. Es gibt heute schlichtweg genauso wenig Grund, das Gold in die Hoehe zu jubeln, wie es vorher Grund gab, die Internet- und Neue Markt-Werte in den Himmel zu treiben. Das sollte jeder wis- sen, der hier mitlaeuft. Und wenn ihm das klar ist, dann ist es okay, mitzuspielen. Ich fuerchte jedoch, dass viele Unsichere hier mit voellig falschen Vorstellungen investieren. Sie glauben, die Geldmen- genausweitungen weltweit wuerden unsere Waehrungen schwaechen und schliesslich das ganze "Papiergeld"-System zum Einsturz bringen. Und sie glauben, dass sie fuer diesen Fall im Gold richtig investiert sind. Ich behaupte, dass diese Investoren gleich einem zweifachen Irrtum aufgesessen sind: Erstens wer- den unsere Waehrungen nicht krachen. Und zweitens, selbst wenn das passieren wuerde, waere Gold nicht die geeignete An- lage fuer diesen Fall der Faelle. Es ist ein Trugschluss, die Qualitaet einer Waehrung an der Menge ihrer umlaufenden Zahlungsmittel festzumachen. Das ist ein schier nicht mehr zu beseitigender Irrglaube. Wichtig fuer die Qualitaet einer Waehrung ist ausschliesslich das, was im Tresor der Notenbank liegt, und wie die Notenbank agiert. Besitzt die Notenbank gute Sicherheiten, dann ist die Waehrung gut. Wichtig fuer die Qualitaet einer Waehrung ist also nicht die Menge der umlaufenden Zahlungsmittel, sondern die Menge guter und beleihbarer Sicherheiten. Und die Notenbank muss ihren Refinanzierungssatz ueber denje- nigen des Geldmarktes setzen, damit nur zu steigenden Zins- saetzen neues Geld in Umlauf kommt. Ist das gewaehrleistet, ist alles gut. Dann laeuft genauso viel Geld um wie die Men- schen gerne halten wollen. Und kein Euro und kein Dollar mehr. Alles andere ist schlichtweg Propaganda. Waeren die Menschen tatsaechlich der Meinung, es kursiere zu viel Geld, dann wuerden sie ihre Bestaende herunter fahren und die da- fuer bei der Notenbank hinterlegten Assets ausloesen. Es gibt also keinen faktischen Grund, derzeit Gold zu kaufen. Ausser denjenigen, dass die anderen Idioten ja auch kaufen. |
Falsche Überlegungen der Goldkäufer
11:27 16.01.06 Die Geldmengen steigen weltweit deutlich an. Damit wird unser Papiergeld seinen Wert verlieren, behaupten Vertreter der Goldlobby und haben es tatsächlich geschafft, einen Lemming-Zug in Gang zu setzen, der sich historisch durchaus sehen lassen kann. Doch die Argumentation, dass ein „Mehr“ oder ein „Zuviel“ an Geld den Wert einer Währung ruiniert, ist falsch. Da nützt auch kein Blick in das Geschichtsbuch. Ja, natürlich, alle Währungszusammenbrüche waren stets von einer Geldmengenexplosion begleitet. BEGLEITET! Die URSACHE aller Währungskrisen lag jedoch ganz woanders. Er lag nicht in der Menge des umlaufenden Geldes, sondern in der mangelnden Qualität der Aktivseite der Notenbankbilanz. Wollte man Geldmengensteigerungen als Ursache für eine kommende Währungskrise deuten, dann könnte man auch das Naselaufen als Ursache der Erkältung diagnostizieren. Ein feiner Arzt wäre das, der so etwas tun würde. Der Fehler des konventionellen Börsen-Feuilletons liegt darin, dass hier alle ausnahmslos den Friedmanschen Hubschrauber im Kopf haben. Wenn es plötzlich Geld vom Himmel regnen würde, dann wäre selbstverständlich „zu viel“ Geld da. Und der einzelne Geldschein würde an Wert verlieren. Doch dem ist nicht so. Geld regnet nicht von Himmel. Geld kommt dadurch in Umlauf, indem Marktakteure gute zinstragende Aktiva bei der Notenbank deponieren und dafür Geld bekommen. Spielen wir daher einmal durch, was passieren würde, wenn europäische Staatsanleihen plötzlich drohen würden, notleidend zu werden. Die Goldgetreuen werden jetzt sagen: Dann kracht das System. Das Papiergeld wird wertlos. Ich hingegen sage: Das Papiergeld würde plötzlich wertvoller werden als jemals zuvor! Doch wie das? Da jede Geldemission einer guten Währung wie des Euros oder des Dollars sich den Marktmechanismen bedient, befinden sich im Portefeuille der Notenbank auch nur marktfähige Wertpapiere. Droht nun eine Krise, dann wird jeder Marktteilnehmer, der bei der Notenbank derartige Papiere hinterlegt hat, sofort versuchen, diese dort herauszuholen. Um sie auf dem freien Markt zu veräußern und wenigstens noch etwas dafür zu bekommen. In diesem Fall würde die Notenbank also überschwemmt werden mit eigenem Geld, welches an sie zurückfließt, um die notleidend zu werden drohenden Sicherheiten herauszulösen. Das Problem in diesem Moment heißt dann nicht zu viel Papiergeld sondern zu wenig. Wer dann Bargeld hat, der ist der König! Der kann kaufen, was er will! Die Goldbesitzer hingegen finden sich regungslos in ihrem Haufen eingeschlossen wie weiland König Midas. Jede gegen marktmäßige Sicherheiten emittierte Währung hat damit gleichsam einen Selbstschutz gegen Erodierungen ihrer Basis. Das ist spätestens seit 1845 klar als John Fullarton sein geniales „Law of reflux“ kreierte: Die Notenbank kann bei guten und marktmäßigen Sicherheiten den Geldumlauf um keine Einheit höher schrauben als die Marktpräferenz es wünscht. Dass derartige Geldeinsichten im Zeitablauf durch die Naivität eines Hubschraubers abgelöst wurden, spricht nicht unbedingt für unsere heutige Zeit. Nun gab es in der Geschichte dennoch Währungskrisen, die sämtliches Papiergeld vernichtet haben. Das stimmt. Doch hier lag die Ursache darin, dass die Notenbank im Vorfeld Nonvaleurs angekauft hatte. Wenn auf der Aktivseite der Notenbankbilanz keine marktmäßig verwertbaren Titel stehen, deren Einlösung überdies niemand schuldig ist, dann kann das „Lax of reflux“ natürlich auch nicht funktionieren. Hierauf muss man also schauen. Und auf nichts anderes. Was steht auf der Aktivseite der Notenbankbilanz? Und wie viel ist davon auf Dauer angekauft und wie viel nur in Pension genommen? Und dann sollte man die Ohren zumachen. Und den Geldbeutel ebenfalls. Geiz ist geil, und Cash ist Trumpf. Gerade in einer möglichen Krise. Mit den besten Grüßen! Bernd Niquet berndniquet@t-online.de |
Die amerikanische Versuchung
von Dr. Bernd Niquet Am Montag vor einer Woche, abends um zehn Minuten nach sechs, hat sie mich erwischt, die amerikanische Versuchung. Ich weiss, dass die meisten Menschen schon weit frueher in den Bann gezogen wurden, ja dass nicht nur ein ganzer Kontinent von nichts anderem lebt als von der amerikanischen Versu- chung. Doch mich hat es eben - wie eigentlich immer - erst sehr spaet erwischt. Und dann - ebenso wie eigentlich immer - in einem ganz anderen Bereich als bei den meisten. Ich sass zu diesem Zeitpunkt gerade in einem grossen Steak- House und wollte eigentlich ein Bier trinken. Doch diese gaengigen Industriebiere sind mir so zuwider, dass ich ploetzlich Appetit auf Wein bekam. Ich fragte, welcher Rot- wein denn am kraeftigsten sei und bekam einen Cabernet- Sauvignon aus Chile. Was dann folgte, war eine Offenbarung. Ich habe schon viele sehr teure Rotweine getrunken und bin ein halbes Leben lang dem Brombeergeschmack im Wein nachge- jagt. Irgendwie verrueckt fand ich das schon immer. Da kauft man fuer sehr viel Geld Rotwein, um sich dann am Aroma von etwas ganz anderen zu ergoetzen, was man in Reinform sehr viel guenstiger erstehen koennte. Aber trotzdem, dass so etwas in einem natuerlich Gaerprozess entsteht, macht es zu etwas ganz Besonderem und ist gleichsam ein Weltwunder im kleinen Massstab. Ich bekomme also den offenen chilenischen Rotwein fuer fuenf Euro noch etwas das Glas. Schoen dunkel in der Farbe. Ich setze an und erlebe ploetzlich einen so intensiven Geschmack nach Brombeere und Heidelbeere wie er sich selbst im Chateau Petrus nicht findet. Wie kann das sein? In einem vergleichs- weise billigen Wein so eine Delikatesse? Das waere so, als wuerde man das Steak anschneiden und merken, dass unter einer duennen Fleischschicht sich reines Gold verbirgt. Es muessen also Alchemisten am Werk sein. Und sofort erinnere ich mich. Da war das vor kurzem etwas, dass naemlich die EG ab sofort Wein aus den USA importieren muss, dessen Gaerungsprozess kuenstlich gestaltet werden darf. Man darf dort Aromen zusetzen und Enzyme, also den Geschmack durch einen Eingriff von aussen beeinflussen. Und dieser chilenische Wein muss die Vorhut bilden, da bin ich mir ganz sicher. War ich jedoch vorher noch sehr skeptisch gestimmt bezueglich dem, was uns die Amerikaner da wieder vor die Nase setzen, bin ich seit dem Verkosten dieses Weines jedoch voellig anderer Meinung. Jetzt denke ich: Warum uns alles schwerer machen als unbe- dingt noetig? Warum den Gipfel des Geschmacks nur wenigen Reichen zubilligen? Und warum nicht der breiten Masse mit weniger Geld auch? Vielleicht gelingt es bald ja sogar, die Gaensestopfleber naturidentisch herzustellen. Wie viel Leid koennte man damit aus der Welt schaffen. Ich habe jedenfalls erst einmal beherzt zugegriffen, vom Angebot des Steak-Houses Gebrauch gemacht und mehrere Flaschen dieses koestlichen Weines fuer 16 Euro pro zwei Flaschen mitgenommen. Und jetzt ueberlege ich, ob ich nicht auch ansonsten etwas von den Ame- rikanern lernen kann, gegen das ich mich bisher immer gewehrt habe? Zum Beispiel, mir einfach nicht mehr so viele Gedanken zu machen. Lieber an das Heute als an das Morgen zu denken. Schlichtweg nicht mehr immer das Geld zurueckzulegen, sondern einfach viel mehr zu konsumieren. Mir auch ein Haus zu kau- fen, es bis zum Dach mit Schulden zu beleihen und den Gegen- wert bedingungslos zu verknallen. Denn was kostet die Welt? Morgen kann doch schon alles aus sein. |
Es ist jetzt 07:41 Uhr. |
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