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Alt 07-02-2011, 09:07   #3295
JSF
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Van Gaal trifft fragwürdige Entscheidungen

07.02.2011, 6:42 Uhr | t-online.de
Einsam, nachdenklich, angefressen: Louis van Gaal.

Der Trainer ist "böse, enttäuscht und erstaunt". Und die Spieler? "Irritiert, verunsichert und desillusioniert" dürfte wohl zutreffen. Denn beim FC Bayern München staunen nicht Wenige über das Chaos, das beim Rekordmeister aktuell auf dem Platz herrscht. Nicht mehr viel ist zu sehen von dem durchstrukturierten Fußball-Vortrag, mit dem die Bayern 2010 noch das Double geholt hatten. Stattdessen gerät der ach so böse, enttäuschte und erstaunte Louis van Gaal immer mehr in die Kritik. Im Fokus: sein fragwürdiges Aufstellungs-Roulette.

Vor einem Jahr noch wurde van Gaal für seine Weitsicht bejubelt. Er hatte Bastian Schweinsteiger zum Weltstar geformt, indem er ihn auf die Position neben Mark van Bommel auf die Doppel-Sechs stellte. Dort überragte der erwachsen gewordene Schweini Woche für Woche und konnte endlich sein ganzes spielerisches und strategisches Potential entfalten. Doch seit Wochen muss Schweinsteiger wieder hinter der Spitze als Zehner ran, der Coach lässt lieber Daniel Pranjic und Andreas Ottl vor der Abwehr spielen. Doch die Besetzung der Schaltzentrale ist nicht die einzige Baustelle, die van Gaal ohne Not aufgemacht hat.
FC Bayern München


1. Die Viererkette: "Timo" statt Breno

Baustelle Nummer eins ist die Innenverteidigung. Martin Demichelis ist weg, Daniel van Buyten neben der Spur. Youngster Holger Badstuber ist gesetzt, die Position neben ihm vakant. Für die Rückrunde vorgesehen war der Brasilianer Breno. Hoch gelobt von van Gaal durfte er sich exakt eine Partie - beim 1:1 in Wolfsburg - beweisen. Mittlerweile wärmt er wieder die Bank, während Anatoli Timoschtschuk, eigentlich defensiver Mittelfeldspieler, neben Badstuber aushilft. Mehr kann man es nicht nennen, denn eine hochkarätige Innenverteidigung sieht anders aus.

Gleiches gilt für das Pendant zu Rechtsverteidiger Philipp Lahm auf der linken Seite: Statt eines gelernten Linksverteidigers hilft auch da wieder nur einer aus, weil ein anderer es trotz van Gaal Vorschusslorbeeren bisher nicht geschafft hat. Diego Contento, aktuell verletzt, hätte es eigentlich sein sollen. Aber an seiner statt lief erst Pranjic und nun Neuzugang Luiz Gustavo auf. Zwei von vier Verteidigerpositionen sind somit durch Aushilfskräfte besetzt.


2. Die Doppel-Sechs: Warum nicht Schweinsteiger?

Das noch viel größere Rätsel gibt van Gaal den Beobachtern aber auf, wenn er Pranjic und Ottl zentral vor der Abwehr auflaufen lässt. Die Doppel-Sechs, die Schlüsselposition im 4-2-3-1, mit zwei nicht gerade für ihren Spielaufbau berühmten Leuten zu besetzen, die beide eigentlich schon längst den Verein hätten verlassen dürfen, ist rundheraus als fahrlässig zu bezeichnen. Vor allem, wenn dafür neben Schweinsteiger auch Timoschtschuk und Luiz Gustavo in Frage kämen.

Aber weil jede Entscheidung van Gaals eine weitere Entscheidung nach sich zieht, spielt Timoschtschuk eben Innen- und Luiz Gustavo Linksverteidiger. Und Schweinsteiger? Er wird, wie bereits erwähnt, seiner größten Stärken der vergangenen Saison beraubt unter hinter die einzige Spitze Mario Gomez beordert. Womit wir..

3. Die Offensive ohne Robben und Ribery

...bei der Besetzung der Offensive angekommen wären. Natürlich ist es tragisch, dass der FC Bayern noch in keinem einzigen Spiel dieser Saison auf die Flügelzange Robben/Ribery zurückgreifen konnte. Aber auch ohne diese beiden Ausnahmekönner ist die Offensive eine Stärke des FCB. Die entscheidenden Fragen: Muss Schweinsteiger wirklich auf der "Zehn" verschwendet werden? Könnte auf dieser Position nicht viel eher Thomas Müller spielen? Warum vertraut van Gaal dem Türken Hamit Altintop so wenig, dass er ihn, wenn er ihn schon von Anfang an bringt, konsequent nach 60 Minuten wieder auswechselt? Und warum sind beim FC Bayern die sportlich Verantwortlichen alle der Meinung, Daniel Pranjic sei ein Defensivakteur?

Das Erstaunliche ist: Der Kroate erzielte in seiner letzten Saison beim SC Heerenveen in 30 Ligaspielen erstaunliche 16 Treffer und legte weitere sieben auf. Wie das?, fragen sich die FCB-Fans. Weil er als linker Flügelstürmer agierte. Auf der Position, auf der er sich selbst am wohlsten fühlt. Trotzdem wird er in München konsequent auf seine Defensivrolle beschränkt, macht seine besten Spiele immer dann, wenn er sich auf der linken Seite offensiv einschalten kann. Was spräche also im Falle eines Ausfalls von Robben und Ribery für eine Flügelzange mit Altintop und Pranjic, in Szene gesetzt durch die Doppel-Sechs aus Schweinsteiger und Timoschtschuk sowie den Zehner Thomas Müller? Louis van Gaal gibt mit seinem Personalroulette Rätsel auf. Und er riskiert, eine bisher nur enttäuschende Saison zu einer desaströsen werden zu lassen. Auch Müller warnt: "So machen wir uns die Saison kaputt."

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"Nach manchem Gespräch mit einem Menschen hat man das Verlangen, einen Hund zu streicheln, einem Affen zu zunicken oder vor einem Elefanten den Hut zu ziehen"
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