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Alt 29-11-2004, 18:55   #89
Starlight
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Sturm am Freitag, Ödnis am Samstag und Sonntag

“Hallo, hier ist Heidi”, haucht es aus dem Telefon. „Sorry, dass ich dich aus deinen Träumen reißen muss, aber es ist Zeit einkaufen zu gehen.“ Na, wenn Heidi Klum das sagt, dann mal los. Am „Schwarzen Freitag“ wurden tausende Amerikaner von dem deutschen Supermodel geweckt, andere von dem Rapper Ice-T oder von Darth Vader, dem Fürsten der Finsternis.

Den Promis ging es indes weniger darum, die Konsumenten zu günstigen Schnäppchen zu bringen, als darum, sie in einen bestimmten Laden zu locken: Die Kaufhauskette Target – größter Konkurrent von Wal-Mart und Sears – hatte die Telefon-Aktion vorbereitet und freute sich am wichtigsten Einkaufs-Freitag des Jahres über einen Riesen-Erfolg, der sich auch früh abzeichnete.

So lieblich geweckt standen Kunden US-weit nämlich schon Stunden vor Ladenöffnung in langen Schlagen – als gäbe es zum Fest irgendetwas umsonst. Weit gefehlt: Der Einzelhandel hat, wie Analysten vorausgesagt haben, mehr Preiskraft als im letzten jahr und verzichtet entsprechend (noch) auf Sonderangebote. Die Kunden trampelten dennoch, wie Fernsehbilder am Freitagvormittag und Kassenbelege später am Abend bestätigten.

Ein Blick auf die ganze Branche zeigt, dass Kunden allein am Freitag etwa 8 Milliarden Dollar in die Läden getragen haben, das sind satte zehn Prozent mehr als vor einem Jahr. Zu denken gibt allerdings, dass einerseits jeder zweite und nicht nur jeder vierte Amerikaner shoppen war, und dass andererseits die Nachfrage auch entsprechend schnell zurückging: Bereits am Samstag und Sonntag blieben die Umsätze um 6,5 Prozent hinter den Vorjahreszahlen zurück, und in den nächsten Wochen bis Weihnachten droht vor allem diese Abwärtsbewegung zum Trend zu werden.

Von Target speziell kommt zum Wochenauftakt indes kein Klagelied. Das ist insofern nicht überraschend als der Einzelhändler mit dem roten Zielscheiben-Logo in den letzten Jahren stets besser abschnitt als die Konkurrenz. Die indes jammert: Bei Wal-Mart und anderen Branchenriesen sind die Umsätze nur enttäuschend schwache gestiegen, hier und da korrigiert man bereits Umsatz- und Gewinnerwartungen für den ganzen Monat nach unten.

Solche Schritte, so sehr eine gewisse Vosicht langfristig dem Erfolg der Aktie zuträglich sein kann, sind allerdings nicht leicht zu rechtfertigen – zu jung ist das Weihnachtsgeschäft, zu wenig Informationen über Nachfrage und Kaufkraft liegen vor. Denkbar sind zurzeit zwei Szenarien:

Der Ansturm kommt rechtzeitig vor dem Fest zurück und führt zu den durchschnittlichen Weihnachsausgaben von prognostizierten 476 Dollar pro Person – was der Branche durchaus gefallen würde. Oder der Ansturm bleibt aus und ein schwaches Weihnachtsgeschäft bringt wieder einmal den Beweis, dass sich die Situation des amerikanischen Verbrauchers doch nicht so deutlich erholt hat wie die an der Wall Street gehandelten Daten glauben machen.

Für die Amerikaner mag Santa Claus am Weihnachsmorgen Geschenke bringen, für die Wall Street hingegen die Wahrheit über Konjunktur und Konsum.

Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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