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Alt 30-11-2004, 21:33   #90
Starlight
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Einige Gedanken zur Zinspolitik

Den Markt bewegen zurzeit nur einige wenige Themen, und entsprechend einfach scheint es, sich dieser Tage ein Bild zu machen: Der Ölpreis schwankt nach Lagerbeständen und Opec-Plänen, der Einzelhandel steht und fällt mit dem Weihnachtsgeschäft – und hinter allem und mehr steht der Dollar, der sich an die Zinspolitik der Fed klammert.

Über den Dollar gibt es dieser Tage zwei Ansichten, die auf dem Parkett rege diskutiert werden. Dass die US-Währung seit ihrem jüngsten Hoch ganze 30 Prozent an Wert verloren habe, bejammern die einen – dass der Greenback seit Einführung des Euro nur 13 Prozent an Wert eingebüßt habe, halten die Optimisten dagegen. Die Wahrheit liegt natürlich wieder einmal irgendwo in der Mitte:

Sicherlich ist der Dollar-Einbruch der letzten Monate nicht ganz so dramatisch für die US- und die globale Konjunktur, wie aus der düsteren 30-Prozent-Lesart hervorginge. Denn die US-Währung war auf ihrem Höchststand zu teuer und ganz und gar nicht auf einem langfristig tragbaren Niveau. Die 13 Prozent der Optimisten hingegen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Greenback schwach ist und Amerika vor einem Problem steht.

Dieses Problem liegt vor allem in der hohen Verschuldung des Landes, das nicht nur nachfolgenden Generationen Schwierigkeiten bereiten könnte, sondern das sich schon jetzt dramatische auf die US-Wirtschaft auswirken könnte, wenn das Ausland den Appetit auf US-Investitionen verliert. Vor allem die asiatischen Geldgeber Japan und China machen der Wall Street Sorgen – gemeinsam halten sie fast die Hälfte der US-Sicherheiten im Ausland.

Deren Unterstüzung nicht zu verlieren dürfte für die für die Wirtschaftspolitik der Regierung oberste Priorität haben und damit auch die Diskussionen der Notenbank bestimmen. Die wird wohl weiter die Zinsen anheben, zumal nicht nur mit Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wertigkeit des Dollars zu kämpfen hat. Auch Corporate America dürfte bei einem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung wieder verstärkt Fremdkapital aufnehmen – ansonsten würden die Unternehmen ihr eigenes Wachstumspotenzial einschränken.

Unternehmen dürften also zunächst kurzfristige Kredite in langfristige Darlehen umwandeln, und folglich dürften die Zinsen in diesem Bereich steigen. Zuletzt warteten Beobachter vergeblich auf diesen Trend: Trotz steigender Tagesraten, die die Fed in den letzten Sitzungen regelmäßig durchdrückte, gaben die langfristigen Zinssätze – zum Beispiel auf dem Hypothekenmarkt – weiter nach.

Diese Bewegung dürfte schon bald ein Ende finden, in Washington arbeitet man eindeutig in diese Richtung. Das liegt nicht zuletzt an den neuen Wahlversprechen von George W. Bush. Wenn der die Sozialversicherung reformieren will, müssen die USA erneut Dollar-Milliarden leihen… der Trend ist eindeutig.

Umso spannender ist, was die Fed bei ihrer Sitzung Mitte des Monats beschließt. Die Futures deuten nach wie vor darauf hin, dass man bei den Zinsanhebungen kurz vor Weihnachten noch einmal aussetzt – die Zins-Treppe würde dann im neuen Jahr umso trittfester gebaut werden müssen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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