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Alt 10-12-2004, 07:21   #98
Starlight
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Volle Öl-Lager könnten die Opec auf den Plan rufen

Wochenlang war die Börse der Diktatur des Ölpreises unterworfen – verteuerte sich das Schwarze Gold, ging es mit den Aktien bergab. Seit wenigen Tagen scheint der Bann gebrochen: Die US-Lager sind voll, und Corporate America macht sich keine Sorgen mehr. Eine Opec-Sitzung an diesem Freitag könnte das wieder ändern.

Das Problem der Amerikaner mit dem Öl ist ein altes: Die Vereinigten Staaten verbrauchen soviel des wichtigsten Rohstoffs wie kein anderes Land der Erde. Die eigenen Vorräte oder Förderkapazitäten reichen längst nicht aus. Ein paar Ölfelder in Texas, dazu die – hoffentlich für immer versiegelten – Vorräte im Naturschutzgebiet von Alaska würden weder die Maschinen in Corporate America betreiben noch die Millionen Autos und SUVs auf US-Straßen.

Die Industrie verarbeitet Rohöl zudem zu allen möglichen Chemikalien und Materialien, die Computerindustrie hätte ohne Öl weder Chips noch Gehäuse, die Plastikpuppen in amerikanischen Kinderzimmern keine Körper und das Gemüse in den Supermärkten wäre weder eingeschweißt noch ließe es sich in Plastiktüten nach Hause tragen.

Amerika lebt vom Öl, und eine solche Abhängigkeit kam das Land zuletzt teuer zu stehen. Konflikte in den Fördernationen Saudi-Arabien und Irak, Venezuela und Nigeria, eine Riesenpleite in Russland und ein Streik im ansonsten recht friedlichen Norwegen haben die tägliche Produktion belastet – wer Öl wollte, der musste tief in die Tasche greifen.

Zuletzt hat sich der Ölmarkt nun wieder entspannt. Dass US-Präsident George W. Bush die Lager trotz hoher Preise stetig aufgefüllt hat, hat zwar vor allem seinen Freunden in der Öl-Industrie Millionen zugeführt. Gleichzeitig hat die Taktik des Texaners aber auch dazu geführt, dass die Lagerbestände zu Winterbeginn so hoch sind wie schon lange nicht mehr, und das sorgt für eine gewisse Beruhigung an der Rohstoff- und an der Aktienbörse.

Dazu kommt, dass der Winter in weiten Teilen des Landes bislang nicht so merklich begonnen hat, wie das für Anfang Dezember zu befürchten gewesen wäre. Die Heizkosten der Amerikaner sind zurzeit unerwartet niedrig.

Nun ändert sich der Wert des Rohstoffes auf einem hoch spekulativen Markt mit der allgemeinen Einschätzung des Verhältnisses zwischen Angebot und Nachfrage. Das deutet nicht mehr direkt auf eine bevorstehende Krise hin, und entsprechend hat der Preis für ein Fass des Schwarzen Goldes zuletzt um fast 20 Prozent auf nur noch 42 Dollar verloren. Im historischen Vergleich ist das zwar immer noch hoch, doch sieht der Markt den Ölpreis auf dem niedrigsten Stand sei vier Monaten.

Wie lange der jüngste Trend anhält, ist indes offen – schon am Freitag könnte alles wieder vorbei sein. Dann treten in Kairo die Vertreter der Opec-Staaten zusammen, um über ihre künftige Strategie zu beraten. Und da alle Mitgliedsländer zurzeit an der obersten Kapazitätsgrenze arbeiten, ist eine Senkung der Förderquoten mehr als wahrscheinlich. Da können einzelne Öl-Minister noch so lange abwinken. „So lange ihr Öl braucht, werden wir es fördern“, erklärte einer erst an diesem Mittwochmorgen.

Doch da könnten Worte nichts sein als Schall und Rauch. Die Opec ist kein gemeinnütziger Verein, der die Welt mit günstigem Öl versorgt. Und die zuletzt hohen Preise haben den Förderstaaten deutlich gezeigt, was die Welt für den Rohstoff zu zahlen bereit ist. Eine anhaltende Knappheit ist also im Interesse des Kartells – und der Markt bezieht diese Lesart in die aktuelle Preisfindung mit ein:




Der Schneemann ist fast geschmolzen


Es ist Mitte Dezember, doch in den USA fällt noch kein Schnee – und auch kein Snow. Der Finanzminister, denn Wall Street und Presse längst in Rente vermutet hatten, darf in Präsident George W. Bushs zweitem Kabinett noch einmal mitspielen. Doch geht John Snow aus den Diskussionen der letzten Wochen geschwächt hervor. Und das drückt auch den Dollar.

Die Diskussionen um John Snow über die vergangenen Wochen waren ein bizarres Theater. Während in Washington ein Kabinettsmitglied nach dem anderen den Hut nahm – prominenteste Opfer waren Außenminister Colin Powell und Heimatschutz-Minister Tom Ridge – widmeten sich Beobachter fast ausschließlich dem Finanz-Chef. Wen interessierte auch, ob ein Landwirtschaftsminister ausgewechselt oder der Chefposten im Ministerium für Veteranen-Angelegenheiten neu besetzt würde.

Umso erstaunlicher scheint rückblickend, wie schlecht informiert sämtliche Medien waren – und wie zögerlich das Weiße Haus kommunizierte. Ausgerechnet von George W. Bush, für den es nichts wichtigeres geben soll als bedingungslose Loyalität, hätte man erwartet, dass er einen Finanzminister nicht zwei Wochen lang zappeln lassen würde. Auf wiederholte Fragen von Reportern nach der Zukunft von Snow dementierten weder Bush noch dessen Sprecher Scott McClellan die Abschiedgerüchte.

Experten zwischen New York und Washington ziehen am Donnerstag einen gemeinsamen Schluss: Bush wollte Snow los werden, konnte aber keinen angemessenen Ersatzmann finden. Bush soll sich eine härtere Hand gewünscht, aber Absagen aus der Finanzbranche kassiert haben. Eine besonders gute Empfehlung für den Finanzminister ist das nicht – Branchenkenner Dan Mitchell, Ökonom bei der Heritage Foundation in Washington, sieht Snow „mit einem blauen Auge“ in die zweite Amtszeit starten.

Das ist umso dramatischer als die Regierung Snow vor zwei immense Aufgaben stellt. Der Finanzminister muss sich in den nächsten Jahren für eine umstrittene Teil-Privatisierung der bisher staatlichen Sozialversicherungen einsetzen, zudem muss er die noch viel umstrittenere Steuerreform kommunizieren. Experte Mitchell sieht Snow schon zu stark gehandicapt, allein ein persönlicher Einsatz von Bush könne den Projekten eine überzeugende Mehrheit bringen.

Andere Experten sehen die Situation indes noch nicht verloren: So dicke Projekte wie die beiden geplanten hätten einen persönlichen Einsatz des Präsidenten ohnehin erfordert, meinen sie – und ob der Präsident sich durch den Fast-Abbau eines Alliierten die Sache wirklich erschwert hat, sei nicht sicher.

Erleichtert hat sich Bush den Weg indes mit Sicherheit nicht, auf ihn und Snow kommen vier harte Jahre zu – wenn es für letzteren denn vier Jahre werden.


Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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