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Alt 07-02-2005, 20:35   #156
Starlight
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Haushalt: Rüstung rauf, soziale Programme runter

Die Zahl des Tages lautet 2,57 Billionen. So viele Dollar nämlich stecken in dem Haushaltsplan, den US-Präsident George W. Bush am Montagmorgen dem Kongress geschickt hat. Sein müder Gesichtsausdruck dabei könnte auf eine lange Super-Bowl-Nacht hindeuten – oder auf ein schlechtes Gewissen.

Denn das mehrere Kilo schwere Zahlenwerk ist wieder einmal höchst umstritten. Bushs Haushalt für 2006 endet mit einem Defizit von 427 Milliarden Dollar, und das ist das dritte Rekorddefizit in Folge. Doch damit nicht genug: In der Vorlage fehlen die Ausgaben für den Irak-Krieg und für die Aufbauarbeiten in Afghanistan ebenso wie die Folgen der jüngsten Steuersenkungen und die Milliarden-Kosten, die Bushs Sozialversicherungsreform verursachen würde.

Während diese Fakten schon im Vorfeld weitgehend bekannt waren und bereits für Entsetzen besonders im Lager der Demokraten gesorgt haben, kommen nun weitere Details ans Licht:

Bleiben wir beim Defizit: Dass will Bush zwar – wie in zahlreichen Reden angekündigt – bis in fünf Jahren halbiert haben. Doch stimmt schon Bushs Ausgangszahl nicht. Statt eines 2004-Defizits von 412 Milliarden Dollar geht der Präsident von einer längst überholten internen Schätzung aus, die einmal eine Haushaltslücke von 521 Milliarden Dollar gesehen hatte. Diese Zahl soll nun halbiert werden, was der Regierung Kürzungen von fast 55,5 Milliarden Dollar erspart.

Apropos Kürzungen: Erstmals seit Bushs Amtsantritt werden die Ausgaben tatsächlich in einzelnen Bereichen zurückgefahren. Ganze 150 bisher von der Regierung subventionierte Programme werden abgestellt – die meisten davon in den Bereichen Bildungs- und Gesundheitspolitik. Weitere Einsparungen wird es im Umweltschutz geben und in der Landwirtschaft.

Nur minimal gesteigert werden die frei verfügbaren Ausgaben, mit denen der Kongress zweckgebunden einzelne Projekte unterstützen kann. Bushs Haushaltsplan bleibt unter den bisher angekündigten 2,3 Prozent und auch unter der Inflationsgrenze.

Deutlich großzügiger ist Bush indes – wen überrascht es – im Bereich der Rüstung. Nach einem Haushaltsplus von 7 Prozent in 2005 sollen 2006 noch einmal 4,8 Prozent draufgelegt werden. Die 80 Milliarden Dollar, die Bush erst vor wenigen Tagen dem Kongress abzutrotzen versprach, sind da nicht eingerechnet.

Angesichts dieser Steigerungen verzweifeln Bush-Kritiker, und zwar zurecht. Während der Präsident die wirklich teuren Etats weiter aufstockt, wird in Bereichen gespart, die kaum Gewicht haben. Die frei verfügbaren Ausgaben belaufen sich bereits nur auf weniger als ein Drittel des Haushalts, erneut die Hälfte davon hat um ein oder zwei Ecken mit dem Militär zu tun.

So reicht es fast ein wenig nach Schikane, wenn Bush Programme beschneidet, die den unteren Einkommensschichten bislang ohnehin nur unzureichend nutzten. Deren Signifikanz auf die Bilanz sei klein, schimpfen Kritiker in Washington. „Die Schere zwischen Arm und Reich geht mit dem 2006er-Haushalt noch weiter auf“, meint Isaac Shapiro, der Direktor des Center for Budget and Policy Priorities.

Und auch beim eigentlich regierungsfreundlichen Thinktank Cato Institute hofft man auf einen Sinneswandel. Bush, so heißt es dort, müsse schleunigst „den Veto-Stift abstauben“ und teure Projekte durch seine rechtmäßige Gegenstimme stoppen.

Seit seinem Amtsantritt vor mehr als vier Jahren hat Bush keine einzige Ausgabe verhindert. Sein Wahlversprechen von konservativer Haushaltsführung hat er ein ums andere Mal gebrochen, und ein Kurswechsel ist an dem neuen Haushalt nicht zu erkennen.

© Wall Street Correspondents Inc.
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