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Alt 15-03-2005, 21:07   #184
Starlight
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Die Broker geben den Ton an

Die Wall Street steht in dieser Woche ganz im Zeichen… eben, der Wall Street. Das ist nicht narzisstisch gemeint, obschon sich mancher im New Yorker Finanzzirkus gerne im eigenen Glanze sonnt. Doch melden in dieser Woche ein paar Brokerhäuser, allesamt Wall-Street-Legenden, die viel über das aktuelle Geschäft am Markt aussagen könnten.

Nach Lehman Brothers an diesem Mittwochmorgen erwartet die Wall Street für Mittwoch die Quartalsdaten von Bear Stearns und Morgan Stanley. Am Donnerstag legt Goldman Sachs nach. Die Erwartungen sind ausgesprochen hoch. Immerhin: Im letzten halben Jahr haben alle vier Aktien deutlich besser abgeschnitten als der breite Markt. Lehmann, Bear Stearns und Goldman Sachs haben um etwa 18 Prozent zugelegt, Morgan Stanley verbucht ein Plus von immerhin 12 Prozent.

Was dürfen Anleger aus solchen Kursbewegungen schließen? Nun, zunächst deutet alles auf sensationelle Zahlen hin, zumal sich die Brokerhäuser im Vorfeld der Ergebniswoche gegenseitig aufgestuft haben. Ein Blick auf die Bücher von Lehman, wo man besonders im Anleihen-Geschäft abkassierte, bestätigt den Optimismus auch noch.

Und doch: Zahlreiche Analysten geben sich sehr zurückhaltend. Nicht zu unrecht, ist Morgan Stanley doch das einzige Unternehmen, für das der Markt vorab mit einen Gewinnwachstum für das abgelaufene Vierteljahr rechnet.

Bei Bear Stearns und Goldman Sachs dürfte es bergab gegangen sein. Auf dem Parkett spiegelt sich diese Ansicht wieder: Bear Stearns wird unter Analysten mit einem „hohen Risiko“ bewertet, für Goldman Sachs liegen die inoffiziellen Flüsterschätzungen an der Wall Street um drei Cent unter den offiziellen Prognosen – auch das zeugt nicht gerade von Optimismus.

Dass die Aktien des Sektors zuletzt so gut liefen, dürften nicht zuletzt die Spätfolgen eines starken Trends sein, den die Branche im letzten Jahr erlebt hat, als eine breite Erholung des Fixed-Income-Geschäfts für Auftrieb gesorgt hatte. Die aktuellen Vergleichszahlen hingegen – eben mit dem starken Vorjahr – dürften überwiegend negativ ausfallen.

Dass die Brokerhäuser an der Börse keine massiven Gewinne eingefahren haben, dürfte jedem Anleger einleuchten. Die großen US-Indizes notieren seit Jahrebeginn nahezu unverändert. Geld war zuletzt nur noch im M&A-Markt zu holen: Goldman Sachs spielte eine Schlüsselrolle beim Zusammenschluss von Procter & Gamble und Gillette, und Morgan Stanley war bei der Übernahme von Guidant durch Johnson & Johnson federführend.

Unterm Strich ergibt sich damit für viele Beobachter höchstens „ein gemischtes Quartal“. Ein solches sieht zum Beispiel Richard Bove vom Brokerhaus Punk Ziegel. Vor allem die M&A-starken Unternehmen dürten die Nase vorn haben, so der Experte, der mit den starken Zahlen von Lehman jedoch nicht gerechnet hatte.

Alte Zahlen hin oder her, ob sich zurzeit eine Anlage in Brokeraktien lohnt, wird heftig debattiert. Mit einem durchschnittlichen KGV von 12 handeln die Papiere der großen Vier sicher nicht auf einem unangemessenen Niveau. Und doch rechnet die Wall Street erst auf lange Sicht mit wirklich attraktiven Renditen. In diesem Jahr sieht man die Gewinne bei Bear Stearns, Lehman Brothers und Goldman Sachs um 6 Prozent sinken.

© Wall Street Correspondents Inc.
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