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Alt 12-04-2005, 07:09   #195
Starlight
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Schwerer Blechschaden bei Ford und GM

„Wir haben die automobile Zukunft gesehen, und sie ist wunderbar“, freute sich jüngst ein Kritiker nach der New York Auto Show. In seinem Bericht hebt er auch zwei futuristische Ford-Modelle hervor, doch hat der Konzern zurzeit andere Sorgen als die Zukunft: In der Gegenwart nämlich bleiben Umsätze und Gewinne aus.

Solche Probleme erschließen sich dem Messebesucher im größten Autosalon der Welt natürlich nicht. Der Ford Shelby GR-1 ist ein heißer Schlitten mit 605 PS, den Körper aus poliertem Aluminium zieren Flügeltüren wie Engelsschwingen, und es ist wohl keine Übertreibung, dass – wie der beeindruckte Kritiker schreibt – die Besucher sich lechzend über die Brüstung lehnten und die Speicherkarten ihrer Digitalkameras mit dem GR-1 vollknipsten.

Beeindruckt seien die Massen auch vom GT500 gewesen, „dem heißesten Mustang, den das Ford-Werk je gebar“. Der 450 PS starke 5,4-Liter-V8-Motor treibt einen feuerroten Wagen an mit weißen Rennstreifen und dem Cobra-Logo vorneweg. GT500 und GR-1 sind Fords Vision der Zukunft – doch bis dahin ist es ein weiter Weg.

Am Wochenende hat Ford eine Gewinnwarnung ausgesprochen. Statt 1,75 bis 1,95 Dollar pro Aktie rechnet man für das laufende Jahr nur noch mit einem Gewinn von 1,25 bis 1,50 Dollar. Damit werden die Prognosen um etwa 25 Prozent gesenkt, und zwar nur drei Wochen nachdem das Management selbige bestätigt hatte, um nicht in den Abwärtsstrudel einer Gewinnwarnung von General Motors zu kommen.

Schuld an den schlechten Aussichten sind, laut Ford-Management, anhaltend hohe Stahlpreise und hohe Sozialversicherungskosten, die vom Ölpreis gedrückte Nachfrage und niedrige Gewinnmargen. Die dürften in der Tat weiterhin leiden, denn die Unternehmen – das befürchtet nicht nur Merrill Lynch – setzen ihre margenerschütternden Sonderangebot fort. Allen voran General Motors: Der Branchenführer verschenkt dieser Tage in seinen Filialen wieder 1000 Wagen im Rahmen einer pressewirksamen Glücksspiel-Aktion. Ford muss bei solchen Spielchen mitziehen, sonst drohen die Marktanteile der strauchelnden Industrielegende weiter zu schwinden.

Apropos Presse: Alles andere als ein geschickter Schachzug ist die Aktion, die sich GM zurzeit mit der Los Angeles Times leistet. Im Ärger über negative Schlagzeilen und die Forderung eines Kolumnisten, CEO Rick Wagoner zu feuern, hat das Unternehmen sämtliche Anzeigen aus dem Blatt zurückgezogen. Das ist ärgerlich für die Los Angeles Times, für die Analysten einen Ausfall von bis zu 1,6 Prozent der Gewinne berechnet haben. Schlimmer könnte die Aktion aber für GM werden: Die Los Angeles Times ist nämlich die größte Zeitung im größten regionalen Automarkt der USA – dort sollte das Unternehmen eigentlich stark repräsentiert sein, auch wenn man sich über eine schlechte Autokritik ärgert.

Analysten und Markenstrategen wie Kelly O’Keefe von O’Keefe Brands nennen GMs Rückzug aus der Los Angeles Times einen „beachtlich dämlichen Schachzug“ und kritisieren das Management des Autoriesen.

Kritik wiederum wird sich auch das Management von Ford anhören müssen. Denn wenn schon Gewinnwarnung Anlass zum Ärger gibt, dann doch umso mehr die Tatsache, dass sich die Chefetage erst vor wenigen Tagen eine satte Gehaltserhöhung genehmigt hat. Für den CEO und Gründerenkel Bill Ford fallen danach für das abgelaufene Jahr 22 Millionen Dollar ab, dem erst vor wenigen Wochen ernannten Präsidenten Jim Padilla überreicht man für dei Zeit vor seiner Berufung ein Paket im Wert von mehr als 6 Millionen Dollar.

So scheint es weniger am hohen Ölpreis zu liegen, dass sich die Wagen von GM und Ford nicht mehr so gut verkaufen wie dereinst. Vielmehr ist die Schuld im Management beider Konzerne zu suchen. In beiden Chefetagen ist in den letzten Jahren unglaublich schlecht gearbeitet und noch viel schlechter für die Zukunft geplant worden:

Der Herausforderung aus Asien, von wo benzinsparende Autos den US-Markt überrollen, hat man sich nie wirklich gestellt. Wozu auch? Die Entwicklung sparsamer Modelle hätte ja Geld gekostet und wahr aus Washington nicht verlangt. Insofern kämpft man heute sehr wohl mit dem hohen Ölpreis, zumal GM und Ford das meiste Geld mit einer Reihe unverschämt durstiger SUV machen wollten. Doch ist das Problem mit dem hohen Ölpreis nicht mehr als die Folge eines internen Problems.

Anleger durchschauen die Situation, und so fahren die Aktien beider Autohersteller auch am Montag auf der Verliererstraße. Für Ford geht es um 6 Prozent bergab, für GM um 2 Prozent. Hoffnung auf Besserung gibt es kurzfristig nicht.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
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