Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 25-05-2005, 23:02   #224
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 33.345
Bei Übernahmen können Anleger mitverdienen

Eigentlich ist die Sache ganz einfach: Wer mit Aktien Geld machen will, der sollte in Unternehmen investieren, an denen in absehbarer Zeit auch ganz viele andere Anleger interessiert sind. Oder deren Bewertung so interessant geworden ist, dass sich Konkurrenten für eine Übernahme interessieren könnten.

So weit, so gut – doch solche Unternehmen zu finden, ist gar nicht so leicht.

Dabei mangelt es nicht an möglichen Übernahme-Zielen. Die amerikanischen Börsen sehen zur Zeit eine Unmenge an Mergern und Übernahmen. In manchen Branchen war und ist eine Konsolidierung überfällig – beispielsweise bei den Internetbrokern oder im Telekom- und im Airline-Sektor. In anderen Branchen schnappt sich lediglich ein dominantes Unternehmen mehrere kleine Konkurrenten, um die Produktpalette zu erweitern und den Vorsprung auf den Rest des Feldes auszubauen. Dies sahen Anleger zuletzt im Software-Sektor.

Glücklich schätzen können sich meist die Anleger, deren Unternehmen aufgekauft wird, denn ihnen winkt eine Prämie. Kein Wunder, dass sich Investoren dafür interessieren, wer demnächst das Ziel einer Akquisition werden könnte. Die Crux dabei: Sichere Informationen gibt es nicht, denn Übernahmeverhandlungen werden so geheim geführt wie kaum ein anderes Gespräch.

Doch haben sich Anleger längst Werkzeuge zurecht gelegt, mit deren Hilfe sich zumindest interessante Kandidaten aus dem Wust aller öffentlich notierten Unternehmen herausfiltern lassen. Nach Ansicht des Investment-Professors Richard Sloan von der Universität Michigan sind es nur eine Handvoll Indikatoren, die eine quantitative Auswahl ermöglichen. Dazu gehören bekannte Faktoren wie ein niedriges KGV oder ein niedriges Verhältnis von Aktienkurs zu den Aktiva oder zum freien Cash Flow.

Diese Maßstäbe hat Sloan jüngst an alle 5875 in den USA notierten Unternehmen angelegt, was ihm eine Liste von 1656 interessanten Kandidaten bescherte. Aus denen filterte er fünfzehn Firmen, die es in den jeweiligen Bewertungs-Kategorien auf Höchstnoten brachten. Fünfzehn Firmen blieben übrig, für die Sloan eine qualitative Analyse erstellte – mit interessanten Erkenntnissen für Anleger.

Mit auf der Liste der möglichen Übernahmekandidaten sieht Sloan American Greetings, den größten Hersteller und Vertreiber von Grußkarten. Der gilt zwar noch immer als Branchenriese und gut funktionierendes Unternehmen, leidet aber zunehmend unter der Konkurrenz von Wal-Mart und Target. Beide Einzelhändler bieten mittlerweile Karten für weniger als einen Dollar an, was American Greetings den Absatzmarkt verdirbt. Beide könnten allerdings an Produktions- und Vertriebsstätten der einst unumstrittenen Nummer Eins der Branche interessiert sein.

Ebenfalls auf Sloans Liste ist Borders Group, der zweitgrößte Buchhändler der USA. Das Unternehmen leidet nicht nur unter der immer stärkeren Konkurrenz aus dem Internethandel, sondern auch unter dem einbrechenden Musikgeschäft, mit dem man 16 Prozent des Umsatzes erzielt. Zum Vergleich: Der Konkurrent Barnes & Noble macht nur 5 Prozent seines Geschäfts mit Musik. Borders hat zudem keinen eigenen Buchverlag und kein interessantes Bonussystem für Kunden, was die Nummer 2 der Branche zunehmend in Schwierigkeiten bringt, ohne jedoch die Attraktivität für eventuelle Käufer zu mindern.

Ein weiterer spezialisierter Einzelhändler, der möglicherweise im Visier von Käufern ist, ist Payless Shoesource. Der größte Schuhhändler der USA macht einen Großteil seiner Umsätze mit Nike. Der Sportartikler verkauft mittlerweile aber auch bei Wal-Mart, was die Aktie der Ladenkette in Bedrängnis gebracht hat. Die Infrastruktur allerdings bleibt interessant.

Ebenfalls von einem großen Partner abhängig ist Freescale Semiconductor. Erst kürzlich aus Motorola ausgegliedert, sorgt der Handyriese noch für 28 Prozent des Umsatzes bei diesem führenden Chip-Hersteller in der Mobilfunkbranche. Motorola indes ist manchem Anleger ein zu wackliger Großkunde, weshalb auch Freescale gemessen an Umsatz und Cash Flow zur Zeit gündtig zu haben ist.

Weitere Unternehmen auf Professor Sloans Liste: US Steel, Micron Technology und die Einzelhändler Jo-Ann Stores und Charming Shoppes. Ob all diese Unternehmen – oder auch nur ein einziges davon – einen Käufer finden, sei bei Sloan und allen anderen seriösen Experten dahingestellt. Ganz offensichtlich ist aber, dass sich Investoren in Zeiten eines Übernahme-Booms unter eventuellen Kandidaten umsehen sollten und mit reizvollen Prämien belohnt werden könnten.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten