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Alt 23-12-2005, 14:28   #16
PC-Oldie-Udo
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Mission und Moral in Amerika !
Professor Hans-Dieter Gelfert sprach in der Alten Aula über den Versuch, die Amerikaner zu verstehen.

Sie verfechten eifrig das Prinzip der Egalität, aber die soziale Schere zwischen Reich und Arm klafft in ihrem Land sehr weit auseinander- Typisch amerikanisch? Sie sind ausgewiesene Materialisten, würden aber im Kampf für das Gute ihr Leben lassen. Typisch amerikanisch? Der Wert der Freiheit wird bei ihnen sehr hoch gehalten, aber sie schreckten während der Prohibitionszeit nicht vor einem staatlichen Alkoholverbot zurück und sind Anhänger der Todesstrafe. „Typisch Amerikanisch?“ fragt eine Vortragsreihe des neu gegründeten Heidelberg Center for American Studies (HCA), die jetzt in der Alten Aula eröffnet wurde.
Die Ringvorlesung gründeten Wissenschaftler aus zehn Disziplinen, um aus den Perspektiven ihrer jeweiligen Fächer die Supermacht USA zu beleuchten. Einleitend hatten der Prorektor für internationale Beziehungen, Professor Angelos Chaniotis, und der Gründungsdirektor des HCA, Professor Detlef Junker, die Zuhörer begrüßt. „Amerikaner sind für uns Europäer manchmal Freunde, Vorbilder oder Konkurrenten, aber sie sind niemals uninteressant“, so Professor Chaniotis.
Vor einem bis auf den letzen Stuhl besetzten Saal sprach der Berliner Literaturwissenschaftler Professor Hans-Dieter Gelfert über „Macht, Mission, Moral – Ein Versuch, die US-Amerikaner zu verstehen.“ Von einer kollektiven Mentalität könne man sprechen, wenn bei einem Volk über eine sehr lange Zeit immer die gleichen Merkmale zu beobachten seien, so Gelfert. Die deutsche Geschichte beispielsweise sei geprägt durch Angst, wie der Referent an vielen Historischen Beispielen belegte, die britische durch eine gesunde Skepsis gegenüber der Obrigkeit, aber auch durch eine ausgeprägte Kompromissbereitschaft; in den USA mischten sich diese beiden Grundgefühle.
„Amerikaner empfinden einige Skepsis gegenüber ihrer Regierung, die härtesten Kritiker sind immer in den USA selbst, aber sie sind auch sehr ängstlich, denn immerhin ist die Gesellschaft bis an die Zähne bewaffnet“, führt Gelfert aus. Wie kommt es also, fragte er, dass die moralische Mission der Amerikaner sich so in ihr Gegenteil verkehren kann, und was disponiert die einzige Supermacht der Elt zu so gravierenden Fehleinschätzungen, wie die westliche Welt sie gerade im Irak-Krieg wieder erlebte?
Die Amerikaner, so Gelfert, nähmen die Welt auf Augenhöhe wahr, soll heißen: sie unterschätzen die großen Gegner und überschätzen die kleinen. Hinzu komme ein moralischer Rigorismus, da jeder Amerikaner glaube, sein Gewissen sei die Stimme Gottes; so sei es möglich, dass Amerika ein tiefreligiöses Land sei, aber ohne theologischen Tiefgang. „Die Amerikaner wollen glauben, sie befinden sich aber in einer permanenten Spannung zwischen aufgeklärter Rationalität und puritanischer Glaubensbereitschaft“, formulierte Gelfert. Daraus seien viele der eingangs angesprochenen Paradoxien erklärlich.
Wie auch „typisch amerikanische“ Filme zeigten, trete das Böse von außen an den Menschen heran und müsse bekämpft werden; deshalb liebten Amerikaner untragische Helden, die im Kampf gegen das Böse letztlich siegreich bleiben. Deutsche dagegen liebten tragische, innerlich zerissene Helden, die noch im Scheitern sympathisch sind. „Das wäre in den USA unmöglich, dort will man seinen Helden gewinnen sehen.“
Gelfert schloss seine Betrachtungen mit der Frage, ob man vor Amerika als einziger verbleibenden Supermacht Angst haben müsse, nachdem die zweite Supermacht UdSSR weggefallen sei. „Bushs Popularität ist angeschlagen, aber er wird wohl weiter außenpolitisch die moralische Keule schwingen, wenn er darin eine ‚mission’ sieht“, so Gelfert. Insgesamt sei die USA ein gutmütiger Riese, der ins Taumeln geraten sei, aber auch ein taumelnder Riese könne gefährlich werden.
http://www.hca.uni-heidelberg.de/de/?q=node/view/46
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Es grüßt euch
Udo

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