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Alt 22-02-2006, 20:40   #426
Starlight
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Der Ausverkauf der Sicherheit

Schockierende Nachrichten meldet der Borowitz-Report: Die US-Regierung will ihr gesamtes Heimatschutzministerium an eine unbekannte nord-koreanische Firma namens Jim Kong-Il, Inc. verkaufen. Deren CEO, Mr. Jim, will sich nach der Übernahme zuerst um die nuklearen Sprengköpfe der USA kümmern, die sofort nach Nord-Korea verschifft werden sollen – sie dürften schließlich nicht in falsche Hände geraten.

Wen diese Entwicklung überrascht, dem sei gesagt, dass der Borovitz-Report eine Nachrichten-Parodie ist. Doch sie kommt der Realität erschreckend nahe. Tatsächlich will die US-Regierung nämlich die Operation der sechs wichtigsten Frachthäfen – New York, Newark, Philadelphia, Baltimore, Miami und New Orleans – für 6,8 Milliarden Dollar an Dubai Port World aus den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verkaufen.

Ausgerechnet von einer Regierung, die sich seit fünf Jahren ausschließlich und bedingungslos dem Heimatschutz verschrieben hat, hätte man das nicht zugetraut. Die Frachthäfen, der bis heute anfälligste Teil der Inneren Sicherheit, sollen aus einem Land betrieben werden, das finanzielle Verbindungen zu mindestens zwei Attentätern des 11. September 2001 hatte. Und das zudem ein wichtiger Transferpunkt für den Schmuggel von Atommaterial nach Iran, Nordkorea und Libyen gewesen sein soll. Erst in der vergangenen Woche haben die Regierungen von VAE und Iran bekannt gegeben, dass man die Geschäftsbeziehungen weiter ausbauen wolle.

Von alledem wollen Präsident George W. Bush und sein Heimatschutzminister Michael Chertoff nichts wissen. Der Verkauf sei wasserdicht, heißt es. Das Ministerium sehe Dubai Port World nicht als Sicherheitsrisiko. Außerdem gehe es nicht an, dass man die Häfen bisher von einer Firma aus London habe betreiben lassen, ein anderes Land – einen Verbündeten im Kampf gegen den Terror – nun aber benachteiligen wolle.

Eine solche Diskriminierung der „arabischen Partner“ sende ein „schreckliches Signal“, meint Finanzminister John Snow. Und Verteidigungsminister Dnald Rumsfeld bekräftigt, man habe mit den VAE eine starke Partnerschaft, auch im militärischen Bereich. Und schon deshalb nichts zu befürchten.

Diese Argumentation kann in den USA kaum jemand nachvollziehen, zumal die Bush-Regierung die Angst vor Sicherheitslücken und Terror in den letzten Jahren mit allen Mitteln aufgebauscht und politisch ausgeschlachtet hat. Jetzt sollen auf einmal wirtschaftliche Interessen wichtiger sein?

„Unsere Soldaten sind nicht für robusten Handel gestorben“, schreibt ein erboster Zuschauer an den Fernsehsender CNN. Und ein anderer meint: „Diese Art von Outsourcing geht zuweit.“ Zumal Dubai Port Worls nicht einmal im freien Markt tätig ist. Das Unternehmen untersteht der Regierung der VAE.

Entsprechend glaubt beim Wirtschaftssender CNBC nicht einmal ein Viertel der Befragten, dass der Protest gegen den Verkauf auf Protektionismus beruhe. Für 76 Prozent spricht einfach der gesunde Menschenvestand gegen den Deal.

Da ist was dran. Das zeigt nicht zuletzt die ungewohnte Einigkeit, mit der Republikaner und Demokraten gegen den Verkauf der Hafenorganisation kämpfen. Der Fraktionsführer der Republikaner, Bill Frist, hat zum Wochenbeginn gedroht, einen Verkauf notfalls per Gesetzesvorlage stoppen zu lassen. Die Unterstützung des Kongresses ist ihm sicher. Allein, das Weiße Haus läösst das kalt. Präsident Bush droht mit einem Veto – es wäre das erste in seiner mehr als fünfjährigen Amtszeit.

Dieses selbst für Bush außergewöhnlich sture Engagement ist umso unverständlicher, als der Präsident bis vor kurzem gar nichts von dem Deal mit Dubai gewusst haben will. So sollen nach offiziellen Angaben Finanz- und Heimatschutzministerium das Geschäft ausgehandelt haben, bevor das Weiße Haus informiert worden sei. Diese Vorstellung ist nicht minder grotesk als die Annahme, dass sich Bush nun vor den Karren spanen ließe und mit der Sicherheitspolitik das Kernstück seiner Regierung auf’s Spiel setzt.

Denn die Gefahr, dass in den US-Häfen unter falscher Aufsicht allerhand passieren kann, ist durchaus real. Die Frachthäfen sind seit Jahren als Schwachpunkt bekannt. Während Flugpassagiere sich vor der Einreise bekanntlich ausziehen und alle möglichen Schikanen über sich ergehen lassen müssen, kommen 95 Prozent der internationalen Fracht per Schiff ungeprüft ins Land. Nur 5 Prozent der Container werden geöffnet.

Die Praxis beruht unverständlicherweise darauf, dass man etwa 5000 Speditionen mit entsprechenden Sonderrechten ausgestattet habe, so dass diese ihre Fracht schon auf der Überfahrt nach Amerika selbst deklarieren können. Ob die Unternehmen die jeweiligen Sicherheitsauflagen, denen sie vor fünf Jahren zugestimmt haben, auch erfüllen, ist nie kontrolliert worden.

Dass die Regierung den Deal mit Dubai Port World dennoch so intensiv durchzudrücken versucht, kann nur mit den finanziellen Interessen einiger Beteiligten zu tun haben. Wenn die Regierung, und am Mittwoch auch die Hardliner im Wall Street Journal, der Gegenseite vorwerfen, „allgemein gegen Globalisierung“ zu sein, dann wirft sich eine ganz andere Frage auf: Warum haben Bush & Co. jüngst so vehement gegen die Übernahme des Öl-Riesen Unocal durch die chinesische CNOOC gekämpft? Seinerzeit hieß es, Öl sei ein Teil der Inneren Sicherheit und dürfe nicht ins Ausland verkauft werden, obwohl die betroffenen Öl-Vorräte nicht einmal auf amerikanischem Grund sondern vor der Küste Taiwans gelegen hatten.

Und noch eine andere Frage stellt sich: Warum findet sich eigentlich kein amerikanisches Unternehmen, dass die Frachthäfen organisieren kann?

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc
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