Sorgen um die Vogelgrippe
Deutschland mag den USA ein guter Partner sein, für die meisten ist es aber nur eins: ziemlich weit weg. Ein ganzer Ozean trennt die beiden Staaten. Doch das ist nicht allzu viel, wenn es um die Verbreitung der Vogelgrippe geht: Seit in Deutschland die ersten Tiere verendet sind, ist auch in den USA die Sorge gewachsen.
Der Tenor, der die Experten in den US-Medien eint, ist ähnlich wie in Deutschland: Man nimmt die Seuche ernst, bereitet Maßnahmen gegen den Virus vor, will aber eine Panik vermeiden. Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass die Vogelgrippe nicht von Mensch zu Mensch ansteckend ist. Und dass die bisher gezählten 173 infizierten Menschen (darunter 93 Todesfälle) nicht etwa beim Verzehr von Hünchenfleisch, sondern durch Kontakt mit infizierten Tieren und Kadavern angesteckt wurden.
Wichtigstes Argument der Experten im Kampf gegen eine Massenpanik ist aber, dass die Ansteckungsgefahr von Zuchttieren, also vor allem Geflügel auf Farmen, in den USA deutlich geringer sein dürfte als sonstwo auf der Welt. Vor allem mit dem asiatischen Raum ließen sich US-Farmen nicht vergleichen, meint Richard Lobb vom National Chicken Councel, dem Branchenverband der Geflügelzüchter.
„In Asien kommen Sie in ein Dorf, und da läuf das Geflügel frei in den Straßen umher“, so Lobb. In den USA hingegen würden professionell gezüchtete Hühner, Enten, Gänse und Truthähne normalerweise in Hallen gehalten. Selbst Tiere in Freilandhaltung, die etwa 1 Prozent des Marktes ausmachen, seien durch Zäune abgeschirmt vom Kontakt mit wilden Tieren und Zugvögeln. Diese aber seien das größte Ansteckungsrisiko, wenn sie mit Zuchttieren in Berührung kämen oder sich den gleichen Tümpel teilten.
Die größten amerikanischen Geflügelzüchter, Tyson Foods und Pilgrim´s Pride machen sich daher auch keine großen Sorgen um das Geschäft. Das ist zwar naiv, immerhin bricht auch bei McDonald´s und den Steakhäusern im ganzen Land regelmäßig das Geschäft ein, wann immer nur eine einzige Kuh mit Verdacht auf Rinderwahn zusammenbricht. Zudem wissen die Unternehmen, wie teuer ein Erntfall wäre: Als die Vogelgrippe 1983/84 schon einmal in den USA ausgebrochen war, mussten allein im Bundesstaat Pennsylvania 15 Millionen Tiere getötet werden.
Auch haben die US-Geflügelzüchter in den letzten Wochen ihre Exporte bereits um ein Drittel einbrechen sehen, da andere von der Vogelgrippe betroffene Länder bemüht sind, zunächst ihre eigenen – sicheren – Bestände zu verbrauchen. Dennoch: Die Geflügelzüchter halten nach jüngsten Kommentaren an ihren Prognosen fest.
Tyson Foods und Pilgrim´s Pride sind nicht die einzigen Unternehmen, die von einer Epidemie betroffen wären. Sollte es in den USA zu einer Ausbreitung der Vogelgrippe kommen, deren Impfstoff nach wie vor nur begrenzt zur Verfügung steht, wären die Folgen immens. Selbst eine leichte Ausbreitung könnte nach Schätzungen der Regierung 75 Millionen Amerikaner betreffen, 100 000 von ihnen töten und das Wirtschaftswachstum um 1,5 Prozent drücken.
Eine große Epidemie hingegen dürfte nach ersten Prognosen 90 Millionen Amerikaner treffen und 2 Millionen Menschen töten. Die Wirtschaft könnte in eine Rezession gestoßen werden mit einem um 5 Prozent sinkenden BIP. Zum Vergleich: Der normalen Grippe fallen jedes Jahr nur etwa 36 000 meist ältere Amerikaner zum Opfer.
Von einer Vogelgrippe-Epidemie indes wären alle Altersgruppen betroffen. Deshalb arbeiten Firmen bereits an Notfall-Plänen, erneuern Versicherungen und instruieren Mitarbeiter in Heimarbeit. Man glaubt nicht an den Ernstfall, will aber gut vorbereitet sein, falls es zum Äußersten komme.
Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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