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Alt 16-03-2006, 18:37   #442
Starlight
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Angst um´s Öl

Nur wenige Faktoren bewegen den amerikanischen Aktienmarkt so stark wie der Ölpreis. Da mag es an manchen Tagen starke Quartalszahlen und Aufstufungen am laufenden Band geben – wird Öl teurer, geben die Märkte ab. Andererseits hat ein fallender Ölpreis die Indizes schon oft trotz schlechter Nachrichtenlage aus der Versenkung befreit.

Wie volatil die Börsen regelmäßig ausschlagen, wenn sich allein der Ölpreis bewegt, zeigt wie angespannt die Lage auf den Energiemärkten und die Stimmung im Land sind. Das schwarze Gold beschäftigt Anleger, Analysten und natürlich auch John and Jane Doe mehr als jedes andere Thema – Amerika fürchtet eine Krise, wie eine aktuelle Umfrage des Gallup-Instituts für CNN belegt.

Danach befürchten 77 Prozent , dass das Öl-Angebot in Zukunft mit der steigenden Nachfrage nicht Schritt halten kann – ein Drittel der Befragten glaubt, dass der Rohstoff bereits in 25 Jahren ausgehen werde.

Da ist es kaum tröstlich, dass die Energie-Informationsbehörde, der die offiziellen Öl-Statistiken für die Regierung führt, optimistisch dagegenhält und postuliert, dass das Angebot selbst dann noch reichen werde, wenn die Nachfrage binnen der nächsten 20 Jahre um gewaltige 40 Prozent steigen würde.

Im Gegenteil: Wie optimistisch sich die Behörden geben, unterstreicht nur was viele fühlen. 71 Prozent der in der jüngsten Studie Befragten sagen, dass die Bush-Regierung nicht genug tut, um aktuelle Probleme auf dem Öl- und Energiemarkt in den Griff zu bekommen. Bushs Warnung bei der Rede zur Lage der Nation, die USA seien „süchtig nach Öl“, kommen den meisten nur wie heiße Luft vor – zu Recht.

Die Energiekonzepte der Regierung sehen bekanntlich bis heute weder eine Senkung des Benzinverbrauchs bei Autos noch andere Maßnahmen zur Eindämmung des Verbrauchs vor. Die Forschung im Bereich alternativer Energien wird mit einer Milliarde Dollar unterstützt – nicht einmal Hundertstel der Gewinne, die die Öl-Konzerne im vergangenen Jahr eingefahren haben.

Die Öl-Konzerne werden unterdessen nicht mehr nur als Abzocker angesehen, sondern sind für eine breite Mehrheit der Amerikaner an der aktuellen Krise mit schuld. 89 Prozent der Befragten sagen, dass die Branche noch mehr hinter der Öl-Knappheit steckt als das Weiße Haus. Etwa 30 Prozent der Befragten sehen einen Großteil der Schuld auch bei den Öl fördernden Ländern, 27 Prozent deuten auf die Automobil-Industrie, die ja nicht überraschend der prominenteste Umwelt- und Energiesünder ist.

Soweit die Öl-Industrie indes eine Krise überhaupt eingesteht, hat man einen Schuldigen gefunden, den unter den Befragten der Gallupp-Studie sonst keiner auf der Liste hatte: Hurrikan Katrina. In dem Unwetter des letzten Herbstes sieht Shell-CEO John Hofmeister die Wurzel aller Probleme. Der Hurrikan habe das Angebot gekürzt, während die Nachfrage gleich geblieben sei… dass so nach den gesetzen der Marktwirtschaft die Preise steigen , weiß indes jedes Kind.

Umso weniger nimmt man Hofmeister seine belehrenden Worte ab. Denn auch die Tatsache, dass die USA nur einen minimalen Anteil seines Öl-Verbrauchs im und vor dem eigenen Land gewinnt, ist viel zu bekannt, als dass sich irgendjemand durch derart billige Tricks ablenken lassen würde.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
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