Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 20-03-2006, 19:54   #443
Starlight
TBB Family
 
Benutzerbild von Starlight
 
Registriert seit: May 2002
Beiträge: 33.345
Der frühe Vogel… legt sich wieder hin

Seit der Fusion der New Yorker Börse mit Archipelago ist die Stimmung an der Wall Street gemischt. Für die nun selbst gelistete NYSE Group ist der Merger mit der elektronischen Handelsplattform ein wichtiger Schritt in die Zukunft – für Nostalgiker und Parketthändler der Anfang vom Ende.

In dieser Woche kocht auf dem Parkett ein Thema hoch, dass mindestens so lange diskutiert wird wie der Merger: die Öffnungszeiten. Zur Zeit beginnt der Handel in New York um 9.30 Uhr, die Schlussglocke läutet um 16 Uhr. An diese Zeiten hat sich die Branche gewöhnt, man möchte gerne am bisherigen Stundenplan festhalten.

Doch im Sinner des Unternehmens ist solches Festhalten an alten Regeln oft nicht. Mit der Struktur der NYSE Group sollte sich von Anfang an noch viel mehr ändern. Dass Händler künftig eine Stunde früher aufstehen sollten, schien zunächst eine der kleineren Veränderungen zu sein – doch die hitzigen Diskussionen der letzten Monate widerlegen das.

Es geht ja auch nicht um die eine Stunde in New York. Zwar mag ein früherer Handelsstart für den Händler mit Wohnsitz auf Long Island ärgerlich sein, der bis zur Börse immerhin eine gute Stunde pendelt. Doch noch ärger trifft es den Händler in Kalifornien, dessen Kunden natürlich erwarten, dass der Mann – aufgrund der dreistündigen Zeitverschiebung zwischen Ost- und Westküste – in Zukunft um 5.30 Uhr früh am Schreibtisch sitzen wird. Den Weg ins Büro eingerichtet, würde bei manchem Börsianer zwischen Seattle und Los Angeles folglich schon um 3 Uhr morgens der Wecker klingeln.

Und wozu das Ganze? – Darum eigentlich dreht sich der Streit. Die New Yorker Börse würde mit früheren Öffnungszeiten gerne näher an die europäischen Häsuer rücken. An denen nämlich handeln do genannte „Event-Aktien“ schon, während das Parkett noch ruht. Der Impuls dazu kommt wohlgemerkt meist aus den USA. Beispiel: Eine Fluggesellschaft spricht eine Stunde vor Handelsbeginn eine Quartalswarnung aus – das „Event“ schlägt sich im vorbörslichen Handel nieder, da die Aktie in New York noch ruht.

Immer mehr Experten bezweifeln nun, dass sich ein solcher Ablauf ändern würde, wenn New York früher eröffnen sollte. Statt um 8.30 Uhr – eine Stunde vor der Glocke – würden Unternehmen wichtige Pressemitteilungen einfach um 7.30 Uhr machen – wiederum eine Stunde vor der Glocke, meint etwa Jerry Putnam von Arca, der seit dem Merger Co-Präsident der NYSE Group ist. Schließlich wolle das Unternehmen den elektronischen Handel gezielt nutzen.

Putnam bringt seine jüngste Stellungnahme übrigens in eine ungewohnte Position: Galt der Arca-Mann früher als Feind des Parketts, hat er nun die Händler plötzlich auf seiner Seite. Denn die sind es schließlich, die am Morgen eine Stunde länger liegen bleiben dürfen, wenn die Wall Street an den bisherigen Öffnungszeiten festhält.

Markus Koch © Wall Street Correspondents Inc.
Starlight ist offline   Mit Zitat antworten