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Alt 08-06-2006, 10:55   #126
Benjamin
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Hallo Membran.

korrekt, falls es keine deutliche Inflation bei den Energiekosten (allgemeiner: Rohstoffkosten) geben sollte, dann stimmt meine Interpretation "Stagflation" nicht. Das wäre aber für die Börse noch schlimmer: Falls die Nachfrage nach Rohstoffen (vor allem Öl, Metalle) starker abflaut als die ebenfalls langfristig abnehmende Fähigkeiten zur Produktion, dann würde das bedeuten, dass die konjunkturelle Nachfrage also ganz schlecht wäre. Das klappt nur im Rahmen einer Rezession, Depression, Deflation. Das wäre die schlechteste aller Welten!

Imo gehen auf Sicht von vielen Monaten oder gar Jahren die Rohstoffpreise rauf. Angesichts der Rückschläge bei den Metallen inkl. Edelmetalle und vieler Soft Commodities fällt es natürlich im Moment schwer, da grossartige Inflationsgefahren zu erblicken. Wer (nur) zurückblickend auf die Daten schaut, für den ist Inflation im Moment kein wirklich relevantes Thema. Mein Punkt ist: Die Preise auch der Metalle werden irgendwann (Wochen, Monate?) wieder anfangen zu steigen. Kupfer ist nicht so schnell zu ersetzen. Öl ebenso (wenngleich langfristig für beide Rohstoffe sicherlich Alternativen entwickelt werden, die langfristig (Jahre!) sicherlich relevant sein werden). Beim Kupfer gibt es keinen Iran. Wohl aber beim Öl. Der Anteil der Energiekosten bei unseren Produkten und Dienstleistungen ist hoch genug, um das zu einem wesentlichen Faktor zu machen, vor allem, wenn die Gewinnmargen angesichts einer konjunkturzyklischen Abschwächung ohnehin beginnen zu purzeln. Ich meine, an dieser Stelle irrt Herr Hellmeyer.

Wegen der Referenz auf die 70er Jahre in dem mm-Artikel hier der Chart des S&P 500 Aktienindex in dieser Zeit, konkret vom 05.01.1970 - 01.01.1983: Wer Anfang 1971 kaufte und das Zeug geschlagene 11 Jahre hielt, der hatte Mitte 1982 (fast) nichts verdient. Unerfreulich! Auf so eine Zeit blicken Aktionäre mit Grauen zurück.

Und hier der Zusammenhang von da an, in log. Skalierung:

Und hier der ganze Zusammenhang seit dem 2. Weltkrieg, hier 06.01.1949 - 07.06.2006:

Unten eine bärische Interpretation, die langfristig Deflation unterstellt: Das unerreicht bleibende historische Top aus dem Jahr 2000 stellt eine sehr langfristige 5 gemäß Elliott-Wellen-Theorie dar. Aktuell - bei korrektiver Zählung eines angenommenen Flats ab dem Top - eine im Mai 2006 gerade beendete B-Welle rauf, die nun abgelöst worden ist durch eine Impulswelle runter. Alternativ kann man auch gleich ab dem 2000er-Top impulsiv runterzählen, wie jeweils nach dem "/" dargestellt.

In jedem Falle sollten wir die Gegend von 800 beim S&P-Aktienindex im Rahmen der gerade begonnenen Abwärtsbewegung als Kursziel sehen. Das All-Time-High war nur dann kein solches, wenn 1) nach Erreichen der 800 Schluss ist und wenn 2) nach der dann folgenden Erholungsrally die danach folgende Abwärtsbewegung die 800 nicht durchschlägt (Test des Low). Falls dieser dritte Test der 800 nicht bestanden würde, dann wären alle Schleusen geöffnet, es gäbe nach unten kein wirkliches Halten mehr, jedermann würde verkaufen.

Der Elliott-Gro0meister Prechter vertritt die These, dass das Aktientop aus dem Jahr 2000 das ur-historische Langfrist-Top war. Mit anderen Worten: Während unserer ganzen Lebenszeit werden wir demnach keine derartig hohen Kurse mehr sehen! Daher habe ich in dem unteren Chart einen Fehlschlag dieses dritten Tests eingezeichnet, also die Prechter'sche Version.

Ich persönlich bin kein Elliott-Großmeister. In meinen eigenen unvollkommenen Augen sieht der Chart so aus, dass er sich beide Möglichkeiten bis zum Schluss (dem 3. Besuch der 800) offenhält. Falls es nämlich nach dem 3. Test nachhaltig raufginge, dann hätten wir seit dem Top in 2000 ledigleich eine ganz gewöhnliche Flat-Korrektur in Welle 4-Position gesehen, das häufigste, gewöhnlichste Korrekturmuster überhaupt.

Ich vermute, dass die 800 beim 3. Test dann nach unten durchstoßen werden, falls wir tatsächlich am Ende des Tages doch fallende Preise beobachten. Falls die steigenden Rohstoffpreise parallel zum Effekt der Wirtschaftszyklen (abflachende Konjunktur) zuerst inflationsbedingt die Zinsen nach oben, die Anleihe- und Aktienkurse nach unten bringen und Leute den Job verliegen, dann reden wir Stagflation. Wenn das dann aber weitergeht, wenn jede Menge fauler Kredite und die "strukturellen Ungleichgewichte" das Finanzsystem überbeanspruchen (z. B. Dollar), wenn die Leute also weniger kaufen müssen , weil ihre Einnahmen absinken, wenn also weniger nachgefragt würde an Produkten und Dienstleistungen, weil das Geld nur für das Allernötigste reicht - dann würden die verbleibenden Anbieter die Preise senken müssen, um überhaupt eine Geschäftstätigkeit zu sehen. Dann wäre aus der Stagflation der Anfangsphase eine Rezession und Deflation geworden. Der japanische Nikkei 225 läßt grüßen und bietet Anschauungsmaterial dafür, was uns bei Deflation blühen würde:

Der aktuelle Langfristchart: http://www.mrci.com/pdf/nikkei.pdf

Es ist schon richtig: Sollten wir eines schönen Tages ernsthaft über Deflation reden, dann wären in der Tat alle Schleusen geöffnet! Aber so weit sind wir noch nicht. Aktuell sehe ich steigende Preise und fallende Aktien und fallende Anleihen bei absinkender Konjunktur, das nennt Stagflation, da beisst die Maus keinen Faden ab. Details von mir hierzu siehe
https://www.traderboersenboard.de/sho...097#post248097

Wer den Elliott-Großmeister Prechter zum Thema lesen möchte: Conquer the Crash. You Can Survive and Prosper in a Deflationary Depression,
von Robert R. Prechter, ISBN: 0470870907, aus dem Jahre 2002.
Das Buch ist auch als deutsche Übersetzung erhältlich:
Besiege den Crash! Wie man eine Deflationskrise übersteht und dabei sogar gewinnt, ISBN: 3922669441, Details siehe http://www.amazon.de/exec/obidos/ASI...644686-8424502
In 'Conquer the Crash', Robert Prechter explains why he thinks the boom times are behind us. Based on his interpretation of the Elliott Wave Principle (an idea premised on the notion that mass investor psychology is what really drives markets), Prechter argues that the economy is about to enter into a deflationary depression that few investors are prepared to deal with. In making his case, he assembles an impressive array of data that in essence suggests that the bill for the last 10 years of market excess is about to come due. The second half of the book shows how to avoid becoming "a zombie-eyed victim of the depression" and offers advice on protecting one's assets in a deflationary environment (cash is king). If there's any good news in the future that Prechter sees coming (other than how to avoid it), it's that all-out depressions don't last very long. Conquer the Crash should appeal to all investors, particularly those desperately looking for a safe haven from the uncertainties of today's markets.
Ich habe das Buch bestellt, aber noch nicht gelesen; habe aber bereits Prechter's älteres Buch über das Elliott Wave Principle gelesen.

Geändert von Benjamin (15-02-2013 um 21:12 Uhr)
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