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Alt 03-07-2006, 22:48   #9
Starlight
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Ende des Bullenmarktes


Von Jim Rogers

Selbst mit vorzüglichen Argumenten in Sachen Nachfrage und Angebot auf meiner Seite, konnte ich nicht die Zweifel an der These zerschlagen, daß ohne Rohstoffe kein Portfolio als wirklich diversifiziert bezeichnet werden kann. Ich konnte meine Argumente auf den Tisch bringen, Beispiele aus meinen eigenen Erfahrungen zitieren, auf historische und gegenwärtige Trends verweisen. Ich hatte es immer noch nicht zu einer wirklich professionellen Analyse gebracht, mit Tabellen und Grafiken, die zeigen, wie sich Rohstoffe gegenüber Aktien und Anleihen verhalten. Aber während ich schrieb, haben zwei Professoren diese Forschungen und Analysen geleistet und gezeigt, wie sich Rohstoffinvestitionen im Verhältnis zu Aktien und Anleihen verhalten haben und die Ergebnisse veröffentlicht.

Und aus diesem Grund bin ich der Ansicht, daß die Studie aus dem Jahr 2004 vom Yale School of Management’s Center for International Finance mit dem Titel „Facts and Fantasies About Commodity Futures“ (Fakten und Fantasien über Rohstoff-Futures) ein wirklich revolutionäres Dokument ist. Die Professoren Gary Gorton von der Wharton School der Universität von Pennsylvania und vom National Bureau of Economic Research und Professor K. Geert Rouwenhorst, von der Yale School of Management, haben die Forschungen endlich geleistet und bestätigt, dass:

1. in den Siebzigern Rohstoff-Futures die Performance von Aktien übertroffen haben; während der Achtziger galt das Gegenteil – das ist ein Beweis für die „negative Korrelation“ zwischen Aktien und Rohstoffen, die schon vielen von uns aufgefallen ist. Bullenmärkte bei Rohstoffen werden von Bärenmärkten bei Aktien begleitet, und umgekehrt.

2. die Entwicklung der Rohstoff-Futures in der Studie in „positiver Korrelation“ zur Inflation stehen. Höhere Rohstoffpreise waren der Vorbote für allgemein höhere Preise (d.h. Inflation) und daß ist der Grund, warum die Erträge in inflationären Zeiten besser sind, während Aktien und Anleihen schlechtere Ergebnisse zeigen.

3. die Volatilität der Erträge von Rohstoff-Futures, die sie über einen Zeitraum von 43 Jahren beobachtet haben, „leicht unter“ der Volatilität des S&P 500 im gleichen Zeitraum lag.

Aus diesen Gründen sind Rohstoffe nicht nur eine gute Möglichkeit, ein Portfolio mit Aktien und Anleihen zu diversifizieren, sie bringen auch oft bessere Erträge. Und im Gegensatz zu der sich am stärksten haltenden Phantasie über Rohstoffe, ist die Investition in Rohstoffe weniger riskant als die in Aktien.

Das sind dramatische Neuigkeiten. Ich bezeichne sie als „revolutionär“, weil sie im großen Stil die Art und Weise verändern werden, mit der Finanzberater, Treuhändler von Fonds und Brokers Rohstoffe behandeln. Die ausufernde Mißachtung von Investitionen in Rohstoffe wird nun Kritik und Vorwürfen ausgesetzt sein – und das mit einer angesehenen akademischen Studie im Rücken.

In den späten Siebzigern gab es eine Studie, die sich mit dem umstrittensten wirtschaftlichen Instrument befaßte, das je entwickelt wurde, mit den Junk-Bonds. Diese Studie verlieh Investitionen in diese Junk-Bonds Ansehen und verwandelte sie in eine akzeptierte Klasse der Vermögenswerte. Ich erinnere mich an einen weiteren akademischen Bericht aus den späten Sechzigern, der erschien, nachdem Aktien jahrzehntelang schief angesehen wurden. Dieser Bericht verhalf den Unternehmensaktien zu einem Aufschwung. Er hat dazu beigetragen, den Aktienmarkt neu zu beleben. Dieser Yale-Bericht wird das gleiche für Rohstoffe tun.

Aber bitte behalten sie im Hinterkopf, daß selbst in einem Bullenmarkt nur wenige Rohstoffe auf geradem Wege steigen, es gibt auf dem Weg dorthin immer wieder Konsolidierungen. Und nicht alle Rohstoffe bewegen sich gleichzeitig nach oben. Nur weil es sich um einen Bullenmarkt handelt, heißt das noch lange nicht, daß man blind einen Pfeil auf eine Liste von Dingen werfen kann, die an den Futures-Börsen überall auf der Welt getradet werden und einen Gewinner trifft. Man könnte beispielsweise Kupfer treffen. Kupfer hat seinen Höchstwert vielleicht schon hinter sich. Im letzten langfristigen Bullenmarkt, der 1968 begann, erreichte Zucker, wie wir erkannten, seinen Gipfel 1974, aber der Rohstoff-Bullenmarkt dauerte noch bis zum Ende des Jahrzehnts an. Ein Bullenmarkt allein, ganz egal, wie beeindruckend er auch sein mag, kann nicht jeden Rohstoff in einem Aufwärtsstrudel halten.

Jeder Rohstoff wird, wie wir gesehen haben, durch seine eigene Dynamik von Angebot und Nachfrage getrieben. Nicht alle Rohstoffe in einem Bullenmarkt erreichen ihren Gipfel zur gleichen Zeit – genauso wenig wie alle Aktien in einem Bullenmarkt die Höchstwerte gleichzeitig erreichen. Einige Unternehmensanteile werden in dem einen Jahr in die Höhe schießen, andere erst ein oder zwei Jahre später. Das gilt auch für die Rohstoffmärkte.

Während der Fragestunde nach meinen Reden, steht normalerweise immer jemand auf und sagt „Wenn man also in Rohstoffe investiert und es gibt einen Bullenmarkt, woher weiß man dann, daß er vorbei ist?“ Man erkennt das Ende, wenn man es sieht, nachdem man sich zunächst in die Welt der Rohstoffe eingearbeitet hat und einige Erfahrungen gesammelt hat. Man erkennt einen Anstieg in der Produktion und einen Rückgang der Nachfrage. Und selbst dann steigen die Märkte noch eine Zeitlang. Erinnern Sie sich daran, daß die Ölproduktion die Nachfrage 1978 überholte, der Preis ist danach jedoch noch zwei weitere Jahre in die Höhe gegangen, weil es nur wenigen aufgefallen ist und weil es nur wenige interessiert hat.

Politiker, Analysten und ausgebildete Professoren haben noch 1980 geschlossen Ölpreise von 100 Dollar vorhergesagt. Bullenmärkte enden immer in einer Hysterie. Wenn der Schuhputzer Bernard Baruch einen Aktientip gibt, dann ist der Gipfel der Hysterie erreicht und es ist an der Zeit, den Markt zu verlassen. Ich habe es wieder beim Dot-com Crash erlebt. In der ersten Phase des Bullenmarktes hat kaum einer mitbekommen, daß er nahte. Am Ende haben vernünftige Menschen das Medizinstudium abgebrochen um Day-Trader zu werden.

Wilde Hysterie hat das Zepter übernommen – und dann verkaufe ich. Ich verliere dann normalerweise auch eine Zeitlang Geld, weil ich nie glauben kann, wie hysterisch Menschen am Ende eines langen Bullenmarktes werden können. Erinnern Sie sich noch an die kichernden und geifernden Dot-coms, die 1999 und 2000 auf CNBC auftraten? Natürlich gibt am Ende niemand zu, daß er es nie hat kommen sehen. Wenn ich Ihnen im Bullenmarkt 1982-83 gesagt hätte, daß ein Bullenmarkt bei Aktien bevorsteht, dann hätten Sie mich ausgelacht.

Damals wußte jeder, daß Aktien tot waren – trotzdem hat sich der S&P 500 in den folgenden sieben Jahren fast verdreifacht. Hätte ich Ihnen geraten, Ihr gesamtes Geld in Aktien zu stecken, dann hätten Sie mich aus dem Saal gebuht: Natürlich konnte kein vernünftiger Mensch davon ausgehen, daß die Aktien noch weiter steigen würden, nachdem sie sich in wenigen Jahren verdreifacht hatten. Aber zwischen 1999 und 2000 ist der S&P 500 weiter nach oben gegangen, hat sich fast verfünffacht – während die Nasdaq-Mischung um das Zehnfache anstieg.

Und auch die Variante mit den Rohstoffen wird mit einem eigenen Wahnsinn über die Bühne gehen. Anstelle von Geschäftsführern wird man reiche, grinsende Bauern und Ölplattformen auf den Titelseiten von Fortune und Business Week finden. CNBCs Berichterstatter werden von den Schweinebauch-Börsen in Chicago aus berichten und die Damen im Supermarkt werden davon reden, daß sie gerade ein Mordsgeld mit Soja gemacht haben.

Kleine Autos werden die Norm sein, die Häuser werden fünf Grad unter der heute bevorzugten Raumtemperatur geheizt werden und vor den Toren der Stadt gibt es Windfarmen so weit das Auge reicht. Wenn sie das alles sehen können, dann ist es Zeit, das Geld aus den Rohstoffen herauszunehmen. Dann ist der Bullenmarkt zu Ende.


Jim Rogers ist Gast-Autor des kostenlosen Newsletters "Trader's Daily"

Quelle: Instock
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