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Alt 19-10-2006, 18:11   #567
Starlight
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Amis im Konkurs

Unter den regelmäßig gemeldeten Konjunkturdaten sind immer die am interessantesten, die sich um den Verbraucher drehen. Der steht hinter zwei Dritteln der amerikanischen Wirtschaft, und so steht und fällt mit ihm die Konjunktur. Umso mehr ist Besorgnis erregend, dass es dem Verbraucher hinter den Kulissen nicht so gut geht, wie viele auf den ersten Blick meinen.

Der Börse genügt regelmäßig ein kurzer Blick auf die Verbraucherausgaben. Die nehmen regelmäßig zu, ebenso wie die Einnahmen, und so scheint alles in Ordnung zu sein. Das Gegenteil ist der Fall. Die Einnahmen der amerikanischen Verbraucher sind in den letzten Jahren längst nicht so deutlich gestiegen wie die Ausgaben, vor allem versteckte Kosten für Haus und Lebenshaltung belasten John und Jane Doe.

Dem durchschnittlichen Ehepaar mit Kind in einer durchschnittlichen amerikanischen roßstadt sind in den letzten zwei Jahren allein durch steigende Grundsteuern und Hypothekenzinsen rund 750 Dollar pro Monat abhanden gekommen. Die steigenden Zinsen machen sich unterdessen auch anderswo bemerkbar: Bei den Kreditkartenkosten, die immer höher werden, da der US-Verbraucher immer mehr Grund- und Konsumausgaben auf Pump tätigt.

Viele treiben das zu weit, wie eine aktuelle Statistik des American Bankruptcy Institute belegt. Danach haben allein im zweiten Quartal mehr als 150 000 Amerikaner Konkurs angemeldet, im ersten Quartal waren es 112 000. Auf Jahressicht dürften 450 000 Amerikaner unter dem Druck immer höherer Kreditkosten zusammengebrochen und zum Konkursverwalter gegangen sein.

Das wären rund eine Million weniger als im Jahr zuvor, doch ist von einem allgemein positiven Trend nicht viel zu spüren. Denn die erschütternden Zahlen des Vorjahres liegen zu einem großen Teil an einer Flut von Konkursanträgen, die Amerikaner vor Ablauf einer Frist einreichten, nach der zum Jahreswechsel der Schritt in den Bankrott erschwert wurde. Um es noch ein wenig einfacher haben, um die hohen Schulden herumzukommen, haben allein im vierten Quartal des letzten Jahres mehr als 650 000 Amerikaner Konkurs angemeldet.

Das geht in den USA unter zwei Paragraphen: 7 und 13. Paragraph 7 war Stein des Anstoßes und Grund für die Gesetzänderung. Denn während überschuldete Verbraucher unter Paragraph 13 immer noch einen Großteil ihrer Schulden unter fachlicher Anleitung und über mehrere Jahre abstottern müssen, verfallen die Schulden bei Paragraph 7 ganz, zumindest wenn beim Schuldner nach Verkauf etwaiger unangemessener Besitztümer nichts mehr zu holen ist.

Paragraph 7 nutzten bis letztes Jahr zahlreiche Schuldner aus, die ihre Schulden durchaus hätten abstottern können. Das rief natürlich die Kreditbranche auf den Plan, auf deren Initiative die Gesetzänderung letztlich zurückgeht. Allerdings: Wenn einmal der Ansturm der Konkursanträge ausgeglichen ist und sich das neue Level eingependelt hat, wird sich zeigen, wie wirksam die neuen Regeln aus Washington sind. Die zwingen den Schuldner nämlich vor allem in eine Beratung und legen nahe, einen kompletten Konkurs zu vermeiden um Kredite oder andere finanzielle Transaktionen später im Leben nicht zu gefährden. Allzu viele Amerikaner indes scheinen sich nicht gut zureden zu lassen, wie die noch immer hohen Bankrott-Statistiken zeigen.

Markus Koch - © Wall Street Correspondents Inc
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