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Alt 16-12-2006, 11:22   #15
Auf Wunsch gelöscht
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Exclamation

Für den Paukenschlag der Woche hat gewiss der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert gesorgt. Indem er am Montagabend, am Rande seines Deutschlandbesuches, in einem Interview Israel verbal in die Reihe der Atommächte stellte, gab er indirekt den Besitz von Atomwaffen zu. Damit hat er zwar der Welt nichts Neues verkündet, aber noch nie hat ein hohes israelisches Regierungsmitglied so deutlich auf israelisches Atompotenzial hingewiesen.

" Israel ist eine Demokratie. Israel bedroht in keiner Weise ein anderes Land ", sagte Olmert. " Iran hat offen, öffentlich und ausdrücklich damit gedroht, Israel von der Landkarte ausradieren zu wollen. Kann man sagen, dies ist das gleiche Niveau, wenn sie ( die Iraner ) nach Atomwaffen streben, wie Amerika, Frankreich, Israel, Russland ?" Diese Sätze waren wohldurchdacht. Und der Ort, an dem sie gesprochen wurden, geschickt gewählt. Ein Blick auf die Lage macht dies deutlich.

Erstens. In Teheran redet ein größenwahnsinniger Präsident der Vernichtung Israels das Wort. " Mit Gottes Segen läuft der Countdown für den Zerfall Israels, und dies ist der Wunsch aller Nationen der Welt ", sagte Mahmud Ahmadinedschad zum Ende einer suspekten Konferenz von Holocaust-Leugnern in Teheran. Welche Strategie Ahmadinedschad verfolgt, mag man daran ablesen, dass die Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm seit zwei Jahren ohne Ergebnis sind. Im weiteren Streit darüber wird Ahmadinedschad Olmerts Vorlage dankbar in sein Propagandaarsenal aufnehmen.

Olmert wollte Teheran offenbar jede Hoffnung nehmen, einen atomaren Erstschlag ungestraft führen zu können. Ob das im " Kalten Krieg " verfolgte Prinzip der Abschreckung heute noch funktioniert ist fraglich. Auch lösen Kernwaffen im Nahen Osten keines der Probleme dort, sie sind ein Teil eines ganzen Komplexes von Problemen.

Auch deshalb gehört zu den Verhandlungen über die iranischen Nuklearambitionen auch die Frage einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten. Davon " wäre natürlich auch Israel berührt ", sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler ( SPD ). Für Deutschland sei klar, dass ohne Abrüstungsinitiativen der Nuklearmächte man auch den Iran nicht ständig an die Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag erinnern dürfe.

Berliner Zusage

Zweitens. Dass Olmert von deutschem Boden aus israelische Entschlossenheit gegenüber Iran demonstrierte, wird wohl mit dem vehement vorgetragenen Wunsch Israels zusammenhängen, Berlin möge – wegen seiner historischen Verantwortung gegenüber Israel – seine wirtschaftlichen Interessen im Iran zurückstellen. Nach den Gesprächen mit Olmert sprach sich die deutsche Kanzlerin am Dienstag für eine härtere Gangart gegenüber dem Iran aus. Genau diese Zusage wollte Olmert mit nach Hause nehmen.

Drittens. All das ist lediglich ein Teil des Gesamtkomplexes der verzwickten Nahostproblematik. Olmerts " Bomben-S ätze " fielen, nachdem die so genannte Baker-Kommission der US-Regierung eine Änderung der Irak-Politik vorgeschlagen hatte, den Irak-Krieg mit dem Palästina-Konfl ikt verknüpfte und direkte Gespräche mit Syrien und Iran empfahl.

Wenn der Palästinakonfl ikt wieder näher ins Blickfeld einer US-Regierung rücken sollte, würden vielen Israelis möglicherweise die Augen aufgehen, dass hinter den meterhohen Mauern, mit denen ihre Regierung die Palästinsergebiete umzingeln ließ, eine Wut wächst, die existenzbedrohend ist und auf Dauer nicht beherrschbar sein wird. Noch aber ist die israelische Regierung weit davon entfernt, sich einzugestehen, hier Fehler gemacht zu haben.

Wohl aber sieht sie sich schon als Zahlmeister, wenn die Amerikaner tatsächlich Gespräche mit Damaskus führen sollten. Jedermann weiß, dass syrische Zurückhaltung im Libanon und eine dichte syrische Grenze zum Irak nicht kostenlos zu haben sein werden. Der Preis wäre wohl die Rückgabe der von Israel okkupierten Golanhöhen an Syrien. Das ist Israel zu teuer.

Und im Falle von Gesprächen zwischen Washington und Iran befürchtet die Regierung in Jerusalem offenbar, die Amerikaner könnten irgendwann einen Kompromiss finden, indem sie den Nuklearkurs Teherans unter bestimmten Bedingungen tolerierten. Für Israel wäre dies nicht hinnehmbar, gilt dort doch der Iran als die größte Bedrohung. Deshalb ist Olmerts " Bomben-Botschaft " auch an Washington adressiert. Sie lautet etwa : Wenn ihr die Sache nicht erledigt, dann tun wir das.

Viertens. Olmerts " Bomben-Botschaft " zwingt geradezu zu einem Blick auf den 1968 geschlossenen Atomwaffen-Sperrvertrag. Ihm zufolge dürfen die fünf offi ziellen Atommächte – USA, Russland, Frankreich, Großbritannien, China – keine Nuklearwaffen an Dritte geben oder sie bei deren Entwicklung unterstützen. Mitgliedsländer ohne ein solches Arsenal dürfen diese Waffen weder entwickeln noch herstellen. Im Gegenzug wird ihnen ein Recht auf Förderung der friedlichen Nutzung der Atomenergie zugestanden – etwa mit Hilfe der Internationale Atomenergie-Organisation.

Undichte Sperre

Mittlerweile gehören dem Vertrag 188 Staaten an. Israel ist derartige Verpfl ichtungen nie eingegangen. Das Land zählt neben den Atom-M ächten Indien und Pakistan zu jenen Ländern, die eine Unterschrift unter den Vertrag verweigern.

Der Sperrvertrag ist undicht. Er wird nicht dichter, wenn die USA einen 30 Jahre alten Boykott aufgeben und Indien künftig Technologie und Brennmaterial für die zivile Nutzung der Kernenergie liefern wollen. Kritiker befürchten nicht zu Unrecht eine wachsende Gefahr eines regionalen Rüstungswettlaufs. Nicht unbegründet dürften indische Befürchtungen sein, China könnte mit Pakistan ein ähnliches Abkommen schließen, wie es die USA mit Indien vereinbart haben.

Das wirft schon Schatten auf die Glaubwürdigkeit von Atommächten. Auch das kommt heraus, wenn man über Olmerts " Bomben-Botschaft " etwas länger nachdenkt.
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"Mittagessen? Nur Flaschen essen zu Mittag!"
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