Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 31-01-2007, 09:42   #141
OMI
Gründungsmitglied
 
Benutzerbild von OMI
 
Registriert seit: Sep 2000
Ort: Bayern
Beiträge: 82.687
Die Schuld der US-Notenbank?


Von Bernd Niquet

Meine große Privatdiskussion auf der Internationalen Kapitalanleger-Tagung in Zürich in der vergangenen Woche: Darf man tatsächlich der US-Notenbank die Schuld für die Exzesse an den Finanzmärkten zuweisen?

Felix Zulauf berichtet von seinem vielfachen Zusammentreffen mit Alan Greenspan. „Greenspan hatte sehr große Angst vor eine Wiederholung der Deflation in den Dreißiger Jahren“, sagt Zulauf. „Er wusste alles darüber und hat versucht, alles zu tun, um eine Deflation zu verhindern.“

Ich denke, dass Greenspan richtig gehandelt hat. Und ich denke, dass die Probleme, mit denen wir gegenwärtig konfrontiert sind, nichts mit einem Fehlverhalten einer oder mehrerer Notenbanken zu tun haben. Wir leben in einer liberalisierten Geldwirtschaft – und das bedeutet: das Geld regiert die Welt. Doch gesteuert wird das Geld von den großen Vermögen. Sie setzen allen Marktteilnehmern aller Marktwirtschaften den Schwitzkasten an. Den Nationalstaaten, den Arbeitnehmern, den Unternehmen – und auch den Notenbanken. Und freie Märkte tendieren zu Konzentrationsprozessen und Massenverhalten. Das, was wir gegenwärtig erleben, ist damit ein völlig systemimmanentes Geschehen.

Folker Hellmeyer widerspricht mir vehement: „Die Fed hat die Marktmechanismen außer Kraft gesetzt“, sagt er. „Wenn den Finanzmarktteilnehmern die Einsicht verloren geht, dass man bei Fehlverhalten in Konkurs geht, können Märkte nicht funktionieren. Und die Fed hat mit dem „Greenspan Put“ eben genau das getan.“

Ich sehe das Argument, und ich glaube, dass Hellmeyer Recht hat. Und dennoch darf man die Weltwirtschaft nicht in die Talfahrt schicken, um Spekulanten zu bestrafen, denke ich. Greenspan hat deshalb Recht getan.

Ralf Flierl bringt den Vergleich mit der Kindererziehung: „Wenn man einem Kind nicht rechtzeitig „eine Watschen gibt“, dann lernt es nicht, seine Grenzen zu finden.“ Ich erkenne in diesem Plädoyer ein ganz anderes Bild: Die Greenspan-Gegner wollen, dass dann, wenn einzelne Kinder kokeln, zur Strafe das ganze Jugendzentrum abbrennt – mitsamt aller Insassen.

In der Pressekonferenz frage ich Marc Faber, wo denn nun genau Greenspans Fehler lag. Wo war es konkret falsch, gegenzusteuern? Nach 2000? Oder 1998 bei LTCM, Russland- und Asienkrise? Vielleicht gar bereits 1987?

„Tja“, sagt Faber, „so leicht lässt sich das nicht sagen. Deshalb hätte ich auch lieber einen internationalen Goldstandard, in dem das Geld an das Gold gebunden ist und nicht willkürlich von den Notenbanken gedruckt werden kann.“

Erleichtert lehne ich mich zurück. Was für ein Segen, dass sich trotz allgemeiner öffentlicher Verwirrung für die konkrete Geldpolitik immer wieder große Geister gefunden haben – und wir sie nicht den Laien überlassen mussten.


Anregungen oder Kritik bitte an Bernd Niquet.
[30.01.2007 13:41:40]

Quelle: instock
__________________
Schöne Grüße
OMI
OMI ist offline   Mit Zitat antworten