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Alt 20-06-2007, 13:42   #144
OMI
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Crash, Notenbanken und Liquidität


Von Bernd Niquet

Die Situation an den Welt-Aktienmärkten ist wirklich nicht ohne Brisanz. Ich gebe zu, solchen Chart wie den des Dax vorher noch nie gesehen zu haben, nicht einmal im letzten Emerging-Market. Erst senkrecht bergauf, dann senkrecht bergab, dann wieder senkrecht bergauf. Und das, obwohl sich in der Weltpolitik und der Wirtschaft nur wenig getan hat. Da sage wirklich noch einer, Märkte wären rational. Märkte sind vielmehr genauso verrückt wie die Menschen.

Und hier liegt exakt das Problem. Denn die Menschen sind sich ihrer Verrücktheit nur selten bewusst - und versuchen vielmehr, stets neue rationale Begründung für das verrückte Geschehen heranzuziehen und zu erfinden. Zwei von ihnen möchte ich heute behandeln. Es sind zwei ganz wichtige, nämlich die beiden Begründungen, die stets dahingehend angeführt werden, dass ein möglicher Crash nicht gravierend wäre beziehungsweise gar nicht kommen könne.

"Angenommen, die Börsen fallen um 20 oder sogar nur um 10 Prozent, dann werden die Zentralbanken natürlich fleißig Geld drucken, um Liquidität zu schaffen, durch die dann die gefallenen Vermögenswerte wieder steigen werden", sagt beispielsweise Marc Faber. Und die andere - und damit sehr verwandte - Interpretation lautet, dass weiterhin viele Milliarden auf Anlage warten und daher den Märkten kaum Gefahr drohe.

An dieser Stelle muss man zwei Dinge klar auseinander halten und so kategorisch voneinander trennen, dass man niemals - und wirklich niemals - die beiden miteinander vermischt. Auf der einen Seite müssen wir die Einschätzungen der Anleger betrachten, also deren Erwartungen und deren Psychologie. Hier kann es tatsächlich sein, dass beide sich positiv darstellen und den Märkten aus diesem Grunde wenig Gefahr droht. Das ist möglich, doch hierüber kann man keine verlässliche Aussagen treffen, da Zukunftserwartungen und Psychologie sich weder objektiv ergründen noch quantifizieren können. Hierüber kann man folglich nur spekulieren.

Und auf der anderen Seite stehen die Dinge, über die man sehr wohl exakte quantitative und verlässliche Aussagen treffen kann - wie über die Notenbank, die Geldmenge und das liquide Vermögen - doch daraus kann und darf man keinerlei Folgerungen ziehen! Das ist der wichtigste Satz über die Börse überhaupt!

Warum ist das so? Natürlich können Notenbanken Aktienmärkte stabilisieren. Das haben wir schon oft gesehen, teilweise wissend und teilweise sicher auch unwissend. Doch das hat nichts mit umlaufendem oder geschaffenem Geld zu tun, sondern mit Marktteilnehmern, die Aktien aufnehmen und keiner Budgetrestriktion unterliegen, weil sie entweder selbst eine Notenbank sind oder aber von der Notenbank von möglichen Verlusten freigestellt werden. Wenn die Notenbank selbst kauft oder beispielsweise Goldman Sachs auffordert, zu kaufen, und verspricht, sie von Verlusten freizustellen, dann ist es dieser Akt und nicht die Schaffung des Geldes, welches die Kurse stabilisiert. Der Unterschied mag jetzt zwar marginal vorkommen, doch er ist entscheidend, denn er zieht dem zweiten Argument den Boden unter den Füßen weg.

Der Hinweis auf Geld, das Anlage sucht, ist ein sinnloser Hinweis und nichts anderes als irritierend für die rasende Masse. Nehmen wir einmal an, die reichsten Männer der Welt böten plötzlich für alle Aktien dieser Welt den doppelten Preis - und bekämen dafür alle Aktien. Dann hätten sich die Märkte verdoppelt, doch das Geld selbst hätte sich nicht um einen Euro oder einen Dollar verändert. Es wäre nur von den Konten der Käufer auf diejenigen der Verkäufer gewechselt. Die Menge anlagesuchenden Geldes wäre damit trotz verdoppelter Kurse genauso hoch wie vorher.

Erinnert sich jemand noch an die Jahre 2000 bis 2003? Der Dax-Crash dieser Jahre war schlimmer als der Crash der deutschen Aktien von 1929 bis 1933. Und trotzdem hat sich die Geldmenge und die damit die Menge "anlagesuchenden" Kapitals in dieser Zeit nicht vermindert, sondern erhöht. Es hat nur niemand davon gesprochen. Aber so ist es halt mit den Argumenten an der Börse, sie werden immer nur dann hervorgeholt, wenn sie passen. Das ist an der Börse nicht anders als im normalen Leben oder im Irrenhaus.


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