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Alt 15-07-2008, 18:05   #869
Starlight
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Umdenken am Stammtisch
Dienstag, 15. Juli 2008

Amerika im Ausverkauf: Investoren aus Übersee kaufen die New Yorker Skyline, die Citigroup stößt Unternehmensteile nach Frankreich ab, GE verkauft das Verbrauchergeschäft nach Japan… und die belgische Inbev übernimmt eine der amerikanischsten Marken überhaupt: Budweiser. Die Amis ärgern sich, doch sie sind selber Schuld.

Das heißt, nicht alle Amerikaner sind schuld. Die demokratische Senatorin Claire McCaskill, die den Budweiser-Staat Missouri in Washington vertritt, weiß es genauer: „Das alles konnte nur passieren, weil die katastrophale Politik der letzten sieben Jahr den Dollar geschwächt hat.“ Damit hat sie natürlich recht, und doch wäre es allzu einfach, für die Misere bei Anheuser-Busch ganz alleine den Präsidenten verantwortlich zu machen.

Dessen Politik hat nämlich ein Stück weit nur widergespiegelt, was Amerika treibt: der Wille, immer mehr zu konsumieren und dafür immer weniger zu zahlen. Die totale Abhängigkeit der Amerikaner von Plastikschrott aus China und von Öl aus Nahost hat das Handelsbilanzdefizit explodieren lassen. Hohe Kriegsausgaben und niedrige Steuern haben zu einer Überschuldung der letzten verbliebenen Großmacht geführt. Dass der Dollar im freien Fall ist, ist nur die logische Konsequenz.

Der schwache Dollar hat wiederum Öl teurer gemacht. Die Öl-Produzenten verdienen sich dumm und dämlich und investieren ihre Petrodollar direkt wieder in den USA, wo sie sich die besten Grundstücke und Vorzeigeimmobilien schnappen, darunter zuletzt das Chrysler Building, das GM-Building, das „Flatiron“, die ehemalige Zentrale von Philip Morris, das Plaza-Hotel…sie alle gingen jüngst an Investoren überwiegend aus Nahost.

Der Durchschnitts-Ami bekommt davon nichts mit, und er weiß auch nicht, dass das Ausland den USA seit Jahren Milliarden-Kredite gibt, von denen das Land längst abhängig geworden ist. Insofern könnte ausgerechnet die Übernahme von Anheuser-Busch ein Umdenken einleiten, denn davon hat das Volk gehört – und es ist zornig.

„Ich habe Budweiser immer mit Stolz getrunken“, zitiert CNN einen (offenbar geschmacksgeschädigten) Bar-Besucher. „Damit ist jetzt Schluss.“ Und ein anderer erklärt, er habe sein „Bud Light“ vor Schreck nicht einmal austrinken können, als er in den Nachrichten von der Übernahme des Konzerns gehört habe.

Wenn der erste Schock vorüber ist, werden sich viele Kneipengespräche darum drehen, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass fortan die Belgier in St. Louis das Sagen haben. Und warum die Scheichs in Penthouses am Central Park in Manhattan einziehen, wo die meisten Amerikaner längst ausgepreist sind. Vielleicht wird dem ein oder anderen auffallen, dass Amerika seine Stellung als Weltmacht verkauft hat.

Das „amerikanische Jahrhundert“ ist vorbei, die Nation ist zu einem Haufen hochverschuldeter Konsumenten geworden, die sich auf den Errungenschaften früherer Generationen ausgeruht hat. Bahnbrechende Erfindungen gab es zuletzt nicht, keine wichtigen neuen Technologien, keine erfolgreichen politischen Initiativen. Dafür die Arroganz, aufstrebende Schwellenländer als Markt nicht ernst zu nehmen und sich lieber in die eigene Flagge einzunähen.

Eines ist sicher: Wenn das alles am Stammtisch ausdiskutiert wird, dann wird das Bier auch wieder fließen. Denn im Frust wird den Amis letztlich egal sein, welcher Konzern am Braukessel rührt.
© Inside Wall Street
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