Teufelskerle
von Dr. Bernd Niquet
Die abgelaufene Woche hat es wirklich in sich gehabt. Und sie
ist noch nicht ganz zu Ende als ich diese Kolumne schreibe.
Viele neue Risiken sind aufgetreten, aber wohl auch viele
Chancen, denn kein deutscher Anleger darf vergessen, dass es
nur noch in diesem Jahr moeglich ist, sich fuer die eigene
Alterssicherung ein auf Lebenszeit steuerfreies Portfolio
zusammen zu stellen. Ich selbst habe einiges gekauft und
darueber hinaus die Marktturbulenzen zum Anlass genommen,
meine Satellitenprogramme im Fernseher neu einzustellen, wo-
mit ich ab sofort auch wieder CNBC sehen kann.
Und ich muss sagen: Diese Amis sind wirklich Teufelskerle.
Das merkt man erst, wenn man lange mit ihnen keinen Kontakt
gehabt hat - so wie ich. Und wenn man deshalb voellig auf die
europaeischen Eiertaenze geeicht ist. Und wie muss es erst
sein, denke ich, wenn man aus den totalitaeren Gesellschaften
des Ostens kommt. Denn mit welcher Offenheit diese Marktge-
sellschaft ihre Situation und Probleme kommuniziert, ist
wirklich einmalig. Hier regiert die Pluralitaet der Meinun-
gen, im Markt, aber auch in den Gespraechen ueber den Markt.
Hier kann jeder sagen und machen, was er fuer richtig haelt.
Und deswegen haben die meisten auch eine erstaunliche Kompe-
tenz.
Bei uns wird ja gegenwaertig ueberall die These vom Untergang
der US-Fuehrungsmacht herum gereicht. Doch das ist weit ge-
fehlt! Trotz der heftigen Krise, die die USA gegenwaertig
erleiden. Jedenfalls werden die geschlossenen Gesellschaften
Chinas, des sonstigen Ostens oder auch Europas kaum eine
Chance haben, diesem Fuehrungsmodell etwas entgegen zu set-
zen. Da bin ich sehr sicher.
Und dann auch noch dieser eklatante Unterschied im oekonomi-
schen Wissen. Machen Sie einmal den Test: Schauen Sie die
Tagesschau und ntv, lesen Sie "Der Spiegel" und "Die Welt" -
und dann schalten Sie auf CNBC. Der Unterschied macht nicht
nur Welten aus, es ist regelrecht ein Universum, was uns hier
trennt. Ich denke, in ganz Europa gibt es nicht mehr Oekono-
mieverstaendige als alleine im Umkreis von CNBC existieren.
Leider jedoch arbeitet bei uns niemand davon im Bereich der
Medien.
Wenn hierzulande beispielsweise immer zu lesen ist, dass die
Zentralbanken "Geld in das System pumpen", dann ist das eine
Kindervorstellung und trifft den Sachverhalt keineswegs.
Ueberall diese Vorstellung von Pumpen, als ob wir alle noch
Vorschueler waeren. Bei CNBC hingegen redet man ganz normal
von "the Fed is expanding their balance sheets". Das ist kor-
rekt. Die Fed verlaengert ihre Bilanz. Sie nimmt temporaer
illiquide Papiere in ihr Portfolio und gibt dafuer Geld. Und
genau das ist ihre Aufgabe. Doch mit Pumpen hat das gar
nichts zu tun.
Die entscheidende Differenzierung muss zudem gemacht werden
zwischen Ueberschuldungs- und Liquiditaetsproblemen. Sind die
angeschlagenen Banken ueberschuldet oder haben sie "nur" ein
Liquiditaetsproblem? Das ist die entscheidende Frage. Doch
einem deutschen Wirtschaftsjournalisten diesen Unterschied
klar machen zu wollen, ist sicherlich vergeblich. Er hat sei-
ne Pumpen im Kopf und dabei wird es bleiben.
Was fuer Teufelskerle dagegen diese Amis sind. Mitten in der
Krise wird ploetzlich vom Prinzip abgegangen, die angeschla-
genen Multis zu retten. Und dann versagt die Fed auch noch
die Zinssenkung. Das ist todesmutig und gleichzeitig weise.
Denn die Fed stellt sicher, jeglicher Illiquiditaet stets
entgegen zu wirken, aber keine Zinssubventionen zu gewaehren.
Doch das versteht man hierzulande natuerlich nicht.
Wer also wirklich etwas begreifen und weiterkommen will, muss
auch weiterhin nach Amerika. Zum Glueck reicht dafuer heutzu-
tage in vielen Faellen eine intakte Satellitenschuessel.
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
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