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Alt 31-03-2003, 14:54   #86
arpad
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Für die 13. Kalenderwoche 2003

Sehr geehrte Damen und Herren,
Gerd Häusler vom IWF und die deutsche Regierung wollen die "Macht" der Ratingagenturen brechen. Häusler, der unter anderem beim Internationalen Währungsfonds Direktor im International Capital Market Department ist, warnte auf einer Pressekonferenz, daß die Ratingagenturen, Standard & Poor's und Moody's, angeblich "potentielle Interessenkonflikte" hätten und daher genau im Auge behalten werden müssen. Die deutsche Regierung treibt derweil parallel eine europaweite Kampagne voran, um den Einfluß der beiden "amerikanischen" Ratingagenturen zu beschneiden und die Entscheidung der Agenturen zu "überwachen".

Selbst der Dümmste weiß, daß man nicht den Boten der schlechten Nachricht erschießen sollte. Der Ursprung der Angst der deutschen Regierung ist offensichtlich: Die Ratingagenturen sind unabhängig und können den Kapitalmarkt vor Risiken warnen, die sie gerne unter den Teppich kehren möchte. So lange es nicht um ihren Verantwortungsbereich ging, war kein Wort der Kritik von der deutschen Regierung zu hören. Wenn die Agenturen allerdings darauf hinweisen, daß sich die Bonität Deutschlands und der deutschen Wirtschaft verschlechtert, dann heißt es auf einmal, das der Bote unseriös ist und zuviel "Macht" besitzt.

Wieviel Macht hat der Bote wirklich? So viel, wie der Kapitalmarkt ihm gewährt! Daß der Einfluß von S&P und Moody's groß ist, ist offensichtlich und braucht nicht bestritten zu werden. Aber der Einfluß ist schließlich nicht staatlich gegeben und sollte daher nicht staatlich genommen werden, sondern er hat sich im Laufe der Jahre aus einer langen Reihe von richtigen Einschätzungen und wenigen Fehleinschätzungen der Agenturen ergeben. Diese Reputation wäre nicht vorhanden, wenn die Agenturen "Interessenkonflikte" hätten, die dem Kapitalmarkt schaden würden. Auch wird gerne an der Reputation gekratzt, indem die rhetorische Frage aufgeworfen wird: Warum gibt es nur zwei Ratingagenturen? Kontrollieren sie nicht den Markt? Stimmt nicht. Es gibt ein gutes Dutzend Ratingagenturen, aber nur die zwei genannten haben sich als die wegweisenden Agenturen herauskristallisiert, die den Kapitalmarkt nachhaltig vor Risiken (=Verlusten) schützen.

Der IWF und die deutsche Regierung sollten statt dessen lieber die Kritik der Ratingagenturen annehmen. Das Verhalten des IWF als globaler "lender of the last resort" wird zu Recht kritisiert, denn die in Not geratenen Schuldner verlassen sich mittlerweile fest darauf, daß der IWF im Zweifel einspringt und für sie, mit Milliardenbeträgen aus den G7 Ländern, die Kastanien aus dem Feuer holt. So wird der Druck gesenkt und die Schuldner verwenden nur noch einen geringen Teil ihrer Ressourcen darauf, die Schulden mit den eigentlichen Gläubigern zu restrukturieren. Ein besonders krasses Beispiel ist Argentinien, deren Regierung die Gläubiger, dank des Kuschelkurses des IWF, regelrecht zum Narren hält. Auch die Politik der deutschen Regierung, die auf dem besten Wege ist, die deutsche Wirtschaft ungespitzt in den Boden zu rammen, würde gut daran tun, die zahlreichen Herabstufungen unten den deutschen Spitzenkonzernen und das Fragezeichen hinter dem "AAA" der deutschen Staatsanleihen als Warnsignal und nicht als persönlichen Affront zu betrachtet.

Zu den weiteren Ereignissen der letzten Tage:

Nach einem kurzem Rücksetzer konnten sich die Telekomanleihen wieder erholen. Insbesondere die Anleihen von France Telecom profitierten, da S&P und Fitch signalisierten, daß es in naher Zukunft zu einer Heraufstufung kommen könnte. Für die beiden von mir empfohlenen Anleihen könnte dies eine Heraufstufung von "BBB-" auf "BBB" bedeuten. Zwar konnten sich auch die Anleihen der Deutschen Telekom erneut erholen, aber der wieder zurückgekehrte Optimismus des Marktes basiert im speziellen auf der lange angekündigten und nun in Durchführung befindlichen Kapitalerhöhung. France Telecom wird sage und schreibe 15 Mrd. Euro von seinen (Alt-)Aktionären einsammeln. Anders gesagt: Der Anleihenmarkt honoriert, daß der Schuldenabbau zu Lasten der Aktionäre geht und nicht auf den Schultern der Gläubiger ausgetragen wird. Pikantes Detail dabei: Die France Telecom hat von allen Analysten, die Details der Kapitalerhöhung erfahren wollten, eine 40-tägige Schweigepflicht eingefordert.

Auch die amerikanischen Autoanleihen verbesserten sich wieder. Nachdem es im März bei Anleihen der "großen Drei aus Detroit" zu erheblichen Abschlägen kam, da der Kapitalmarkt einen signifikanten Umsatzeinbruch fürchtete, ging es in dieser Woche wieder aufwärts, da die Umsätze mit Pkws und einfachen Nutzfahrzeugen in den USA in der ersten Kriegswoche "nur" um 8% im Vergleich zur Vorjahresperiode gefallen waren. Im Vergleich zu den Einbrüchen nach dem 11. September 2001, als die Umsätze um bis zu 25% sanken, war dies jedoch eine Kundenreaktion, mit der alle leben konnten. Fraglich ist jedoch, ob mit einer anhaltenden Dauer des Krieges im Irak nicht auch die Sorge des Kapitalmarktes wieder steigt, daß die Umsätze letztlich doch substantiell in Mitleidenschaft geraten.

Alle neuen Empfehlungen und die neue Ausrichtung am internationalen Anleihenmarkt lesen Sie bitte im neuen Anleihen-Compass 04/03 nach, der am kommenden Mittwoch, dem 2. April, bei Ihnen im Briefkasten liegt.


quelle:FM Research
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arpad
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