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Alt 04-05-2003, 10:10   #17
OMI
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04.05.2003, 10:18
Luftholen für die nächste Rallye (EuramS)

Trotz der trüben Konjunktur hat der DAX in den vergangenen Wochen deutlich zugelegt. Viele Anleger haben der Rally aber nur zugesehen. Doch noch ist es nicht zu spät: Die Gewinnerwartungen der Unternehmen steigen, der DAX kann sich über der Marke von 3000 Punkten festsetzen.


von Jens Castner

Regel Nummer 1: Kaufen, wenn die Kanonen donnern. Regel Nummer 2: Sell in May and go away. Klingt recht simpel. Und zumindest die erste der beiden Uralt-Weisheiten wurde in den vergangenen Wochen eindrucksvoll bestätigt. Gut 30 Prozent hat der DAX seit dem ersten Bombardement auf Bagdad zugelegt. Ist nach drei Jahren Talfahrt im DAX damit endlich die Trendwende eingeläutet? Oder gilt jetzt die Verkaufe-im-Mai-Regel? Diese Handlungsanweisung resultiert aus der jahrzehntelangen Beobachtung, dass sich die Kurssteigerungen eines Jahres in schöner Regelmäßigkeit in den ersten vier bis fünf Monaten abspielen. Über den Sommer stagnieren die Märkte häufig, der Herbst wird nicht selten von heftigen Börsengewittern begleitet. Auch im vergangenen Jahr erreichten die Kurse ihren vorläufigen Tiefpunkt im Oktober, dem gefürchtetsten aller Börsenmonate. Erst im November und Dezember erholen sich die Märkte nach dem Jahreszeiten-Muster wieder.


Doch 2003 dürfte kein "normales" Börsenjahr werden. Denn vor dem Krieg waren die Aktienkurse im eigentlich Gewinn bringenden Frühjahr eingebrochen. Das jahreszeitliche Muster der Kursverläufe wurde durcheinander gewirbelt. Deshalb könnte sich die Erholung durchaus noch fortsetzen. Charttechnisch zumindest stehen die Ampeln weiter auf Grün.


"An unserem mittelfristig positiven Szenario hat sich nichts geändert", erklärt Uwe Wagner, Technischer Analyst der Deutschen Bank. Auch wenn er ein Nachlassen der Aufwärtsdynamik erwartet, weil die nach durch das Kriegsende ausgelösten Rally ins Stocken geraten ist, traut er dem DAX kurzfristig den Sprung über die 3000er-Marke zu. Zunächst könnte es allerdings zu einer kurzen Konsolidierungsphase kommen, die noch maximal ein bis zwei Wochen dauern dürfte.


Fundamental untermauert wird der mögliche Anstieg der Märkte nicht zuletzt durch den fallenden Ölpreis. Als das "gigantischste Konjunkturprogramm der Welt" apostrophierte Wagner kürzlich das Szenario rapide zurückgehender Energiekosten (vgl. EURO 13/03). Und genau das ist eingetreten.Dabei sprechen die tagesaktuellen Konjunkturdaten in Deutschland noch nicht für eine Trendwende. Der Ifo-Geschäftsklima-Index vom vergangenen Montag lag deutlich unter den Erwartungen, und auch der am Freitag veröffentlichte Reuters- Einkaufsmanager-Index deutet auf eine noch leicht schrumpfende Wirtschaftsleistung in Deutschland und der Eurozone hin.


Dennoch beurteilen Experten inzwischen die Zukunft und die Gewinnaussichten der meisten Unternehmen wieder positiver. Die Analysten der Landesbank Rheinland-Pfalz etwa überarbeiteten vergangene Woche ihre Gewinnprognosen für sämtliche DAX-Unternehmen für das Jahr 2004 - und hoben sie im Schnitt sogar um vier Prozent an. Seit dem Ende des Börsenbooms im März 2000 hat sich das kaum jemand getraut. Steffen Neumann, Marktstratege der Landesbank, ist überzeugt, "dass der Markt erst begonnen hat, das Gewinnerholungspotenzial in die Kurse einzuarbeiten".


Sollte sich diese Theorie bewahrheiten, könnten sich vor allem Frühzykliker wie Stahl- und Chemie-Werte als lohnende Investition erweisen. Die Aktie von ThyssenKrupp etwa nahm in der Vergangenheit konjunkturelle Erholungen stets vorweg. Für ein Engagement spricht auch, dass die Wandlung vom Stahlgiganten zum diversifizierten Technologiekonzern bisher von der Börse ignoriert wurde. Auch BASF dürfte schon beim ersten Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung zu den Favoriten der Fondsmanager zählen. Nach einem überraschend starken ersten Quartal enttäuschte das Unternehmen zwar mit einem relativ verhaltenen Ausblick, aber der war eben Folge der konjunkturellen Unwägbarkeiten. Sollte Licht am Ende des Tunnels sichtbar werden, wird auch das Management des Ludwigshafener Chemie-Konzerns wieder etwas optimistischer in die Zukunft blicken. Und bei BASF hat selbst der Sinkflug des Dollar Gewinn steigernde Effekte. Da Rohstoffe meist in Dollar abgerechnet werden, spart das Unternehmen beim Einkauf und kann so die Währungsverluste, die beim Export nach Übersee entstehen, abfedern.


Der Charme der Schering-Aktie hingegen liegt in der günstigen Bewertung. Mit einem Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) von 14,2 für das Jahr 2004, ist das Pharma-Unternehmen kaum teurer als BASF (12,9). Da die Pharma-branche im Gegensatz zur Chemie aber nicht als zyklisch gilt, sehen Experten Aufschläge als gerechtfertigt an. Vergleichbare US-Unternehmen wie Johnson & Johnson und Eli Lilly werden mit KGVs um die 20 gehandelt, was für Schering langfristig rund 50 Prozent Aufholpotenzial bedeutete.


Aber die hohen US-Kurse könnten ein Risiko für die DAX-Kurse sein. Kommt es nämlich auf breiter Front zum Abbau von Überbewertungen bei US-Titeln, würde auch eine Kurserholung hier zu Lande dadurch gebremst werden. Denn deutsche Börsianer neigen dazu, den Richtungsvorgaben der Wall Street eng zu folgen. Obwohl die laufende Berichtsaison der US-Unternehmen fürs erste Quartal mehr positive als negative Überraschungen brachte, liegt das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis im marktbreiten S&P-500-Index immer noch bei stolzen 27. Im langfristigen Durchschnitt sind die Unternehmen aber nur mit dem 15Fachen ihres Jahresgewinns bewertet.


Das Ausmaß der Überbewertung ist auch durch die aktuell niedrigen Zinsen kaum zu rechtfertigen. Zwar erwarten Experten wegen der relativ hohen Dividendenrenditen nicht, dass es in nächster Zeit zu Einbrüchen des US-Marktes kommt, zumal auch der sonst eher pessimistische Notenbankchef Alan Greenspan vergangenen Mittwoch vor dem Repräsentantenhaus erklärte, er erwarte eine Erholung der Konjunktur. Aber das Gros der Analysten sieht das Aufwärtspotenzial als begrenzt an. "Wir haben US-Aktien deshalb derzeit deutlich untergewichtet", verrät Uwe Zöllner, Fondsmanager der Investmentgesellschaft Franklin Templeton. Auch sein Kollege Frank Lingohr von der Vermögensverwaltung Lingohr & Partner räumt europäischen Aktien derzeit mehr Chancen ein. Und weil Deutschland im europäischen Vergleich noch mal unterbewertet ist, können Anleger durchaus die Chancen der hiesigen Märkte nutzen.


Kurzfristig seien wegen der konjunkturellen Unsicherheit zwar noch Rückschläge drin, "wer einige Jahre Geduld mitbringt, dürfte aber belohnt werden", sagt Templeton-Fondsmanager Zöllner. Ein Problem, das den Aufschwung der Märkte hier zu Lande vorerst verhindern könnte, ist die Lungenseuche SARS. Die Krankheit droht sich zu einer echten Konjunkturbremse in Asien auszuweiten. Reihenweise senkten Investmentbanken in den vergangenen Wochen ihre Wachstumsprognosen für China und andere asiatische Märkte. In Deutschland sind davon nicht nur Unternehmen betroffen, die - wie etwa VW - große Hoffnungen auf den chinesischen Markt setzen, sondern auch Konzerne wie Lufthansa und TUI, die unter der gedämpften Reiselust in Richtung Asien leiden.


"Bleibt zu hoffen, dass SARS ein regional begrenztes Problem bleibt", sagt DWS-Fondsmanager Markus Kohlenbach, der den Optimismus vieler seiner Kollegen ohnehin nicht teilen will. "Asien war - abgesehen von Japan - die einzige Region, wo es konjunkturell gut lief. Mit SARS ist auch das nun ins Stocken geraten. Wir werden uns wohl mit einem weltweit geringen Wirtschaftswachstum abfinden müssen."


Und was bedeutet das für die Aktienmärkte? Können sie ohne Konjunkturaufschwung Fahrt aufnehmen? Zumindest für Deutschland und Europa gibt es Hoffnung. "Wenn der Dollar weiter schwächelt", sagt Tobias Klein, Chef der Frankfurter Investmentgesellschaft First Private, "wird die Europäische Zentralbank die Zinsen nochmals senken können. Wir sollten aber nicht vergessen, dass die deutsche und europäische Exportwirtschaft fast in den ganzen zehn Jahren vor der Euro-Einführung mit einem noch schwächeren Dollar zu leben hatte." Ein Zinsschritt der EZB würde Aktien nochmals attraktiver machen. Da mehr als drei Prozent Rendite auch mit Anleihen nur durch Risiko erkauft werden können, ist nicht ausgeschlossen, dass Anleger sich wegen der aktuell historisch hohen Ausschüttungssummen verstärkt den Dividendenpapieren zuwenden.


Geld zum Anlegen ist im Überfluss vorhanden. Klein sorgt sich beispielsweise um den hohen Liquiditätszufluss der Immobilienfonds, der der Situation der Aktienmärkte Ende der 90er-Jahre immer ähnlicher werde. Vor allem bei den Gewerbe-Immobilien gebe es als Folge der Wirtschaftsflaute "erschreckend viele Leerstände", die nur über niedrigere Mieten - und damit fallende Bewertungen für den Bestand der Immobilienfonds - abgebaut werden könnten. Nicht auszuschließen, dass Geld nicht nur vom Rentenmarkt, sondern auch vom Immobilienmarkt zurück in die Aktien fließt. Wobei eine Gefahr nicht ganz wegzudiskutieren ist: "Auch Banken und Versicherungen sind stark im Immobilienmarkt engagiert. Wenn hier die Preise fallen, stehen den Wertberichtigungen auf die Aktienbestände geringere Immobilienreserven gegenüber", so Klein. Die Titel aus der Finanzbranche sind also mit Vorsicht zu genießen. Mit einer Ausnahme: die Deutsche Börse selbst. Das Unternehmen hat kein Immobilienproblem - und in den vergangenen drei Jahren bewiesen, dass es auch in fallenden Märkten Geld verdient. Eine Erholung der Indizes könnte die ohnehin eindrucksvolle Gewinndynamik noch beschleunigen.

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OMI
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