W.E.T. Automotive Systems – Übernahmeangebot zu niedrig
Die W.E.T. Automotive Systems AG hat ein freundliches Übernahmeangebot erhalten hat. Ein kanadisches Unternehmen bietet 52,70 Euro je Aktie. Manuel Hölzle, Analyst bei GBC German Business Concepts, hält diesen Preis für nicht angemessen. Er taxiert den fairen Wert mit 70 Euro.
W.E.T. gilt als Weltmarktführer für den Bau von Sitzheizungen für die Automobilindustrie. Das Unternehmen entwickelt auch Lenkradheizungen und Komponenten für die Regelung solcher Heizungen. Außerdem sind KfZ-Flachbandleitungen sowie Industrieheizelemente im Fokus des oberbayerischen Unternehmens mit Sitz in Odelzhausen. Der immer stärker wachsende Anteil von Elektronik im Fahrzeugbau sorgt auch in den kommenden Jahren für Fantasie. Großes Wachstumspotenzial liefert der Bereich Flachbandkabel für die Automobilindustrie. Das hat nun auch die 2026140 Ontario Inc. festgestellt und plant, W.E.T zu übernehmen. Wir sprachen mit Manuel Hölzle, Geschäftsführer beim Augsburger Research-Haus GBC German Business Concepts, über die aktuelle Situation.
?Herr Hölzle, die W.E.T. Automotive Systems AG steht kurz davor, übernommen zu werden. Wer steckt hinter dieser Aktion?
Hölzle: Bieter ist die 2026140 Ontario Inc, die im Mehrheitsbesitz von Private Equity-Funds steht. Diese wiederum wird von von der kanadischen HgCapital, einem unabhängigen Anbieter von Private Equity für den europäischen Markt, beraten. HgCapital ist fokussiert auf Transaktionen mittlerer Größe - also von 40 bis 400 Mio. Euro und verwaltet dabei Fonds in Höhe von ca. 1,1 Mrd. Euro.
?Handelt es sich dabei um eine so genannte feindliche oder um eine freundliche Übernahme?
Hölzle: Es handelt sich von der Systematik her gesehen um eine freundliche Übernahme. Das bedeutet, dass mit dem Management über die Übernahme und die weitere Vorgehensweise hinsichtlich der Strategie für die Zeit nach der Übernahme verhandelt wird. Bei einer feindlichen Übernahme würde dem Markt ohne Absprache mit dem Management ein Angebot unterbreitet.
?Hat bei einem attraktiven Unternehmen wie W.E.T. denn schon einmal eine feindliche Übernahme gedroht?
Hölzle: Eine feindliche Übernahme von W.E.T. war aufgrund der bisherigen Aktionärsstruktur nicht möglich, da Bodo Ruthenberg die Mehrheit an W.E.T. hatte. Durch einen Vertrag mit dem Hauptaktionär hat sich die 2026140 Ontario Inc. nun den Erwerb von rund 65,67% des W.E.T.-Grundkapitals zum Preis von 52,70 Euro je Stückaktie gesichert. Die Vereinbarung steht dabei laut Pressemitteilung unter verschiedenen aufschiebenden Bedingungen, welche in der konkreten Angebotsunterlage näher erläutert werden sollen. Die Veröffentlichung der Angebotsunterlage nach § 14 WpÜG war für Ende Juni geplant und sollte deshalb in nächster Zeit veröffentlicht werden.
?Der Vorstand von W.E.T. hat das Angebot bereits als „fair“ abgesegnet. Wie ist Ihre Meinung?
Hölzle: Wir sind hinsichtlich des zunächst genannten Übernahmepreises von 52,70 Euro anderer Meinung als das Management und sehen vor dem Hintergrund der hohen Profitabilität von W.E.T., die sich auch in den kürzlich veröffentlichten Neunmonatszahlen widerspiegelt, einen höheren fairen Wert. Aus diesem Grund haben wir W.E.T. auch weiterhin mit dem Rating „Kaufen“ bewertet. Für eine freundliche Übernahme, auch aus Sicht der Aktionäre, erwarten wir nochmals einen deutlichen Aufschlag auf den aktuell geplanten Übernahmepreis.
?Sie sehen also Nachbesserungspotenzial beim Übernahmepreis, oder?
Hölzle: Auf jeden Fall. Angestrebt wird von den Finanzinvestoren die vollständige Übernahme von W.E.T. Es sollen mindestens 95% erworben werden, also die Schwelle, nach der ein Squeeze Out möglich wird. Beim Squeeze Out wird den verbleibenden Aktionären ein Pflichtangebot unterbreitet, dem sich die Aktionäre dann nicht mehr entziehen können. Sollte die Übernahme gelingen, so wird W.E.T. also schließlich vom Markt verschwinden. Damit kann der Aktionär dann nicht mehr von einer möglichen weiteren positiven Entwicklung profitieren. Aus diesem Grund muss der Übernahmepreis für den Aktionär ansprechend sein. Aktuell gibt uns der Markt auch schon recht und erwartet vorsichtig eine Nachbesserung. Dies zeigt sich daran, dass der Börsenkurs mittlerweile bereits über der genannten Marke von 52,70 Euro notiert.
?Gibt es beim Zahlenwerk auch Nachbesserungspotenzial? Oder sind Sie mit der Entwicklung in den ersten neun Monaten des laufenden Geschäftsjahres 2002/03 zufrieden?
Hölzle: Wir waren mit den vorgelegten Zahlen sehr zufrieden. Die Gesellschaft konnte über die letzten Jahre ihre Umsätze und, was noch wichtiger ist, auch die Gewinnmargen stetig steigern. In den ersten neun Monaten lag z.B. die EBIT-Marge bei beeindruckenden 17,2%, die Umsatzrendite damit bei 11,2%. Als Gewinn pro Aktie wurden 4,60 Euro verdient und damit bereits mehr als im Jahr 2002.
?Was für Eckdaten erwarten Sie für das Gesamtjahr?
Hölzle: Für das Gesamtjahr antizipieren wir Umsatzerlöse von 175 Mio. Euro. Damit nehmen wir wieder eine recht konservative Sichtweise ein. Der Zielkorridor von W.E.T. liegt zwischen 175 und 185 Mio. Euro. Als Ergebnis vor Zinsen und Steuern erwarten wir 27,9 Mio. Euro, was einer EBIT-Marge von knapp 16% entspräche. Das sollte gut erreichbar sein. Der Gewinn pro Aktie sollte nach unserer Einschätzung schließlich bei knapp über 6 Euro liegen.
?Wie steht es vor dem Hintergrund eines möglichen Übernahmekurses von 52,70 Euro pro Aktie mit der Bewertung?
Hölzle: Mit einem Übernahmekurs von 52,70 Euro wäre die Aktie nach unseren Annahmen mit einem KGV von 8,7 bewertet, was gemäß unserer Bewertungseinschätzung zu billig ist. Mit einer Kapitalrendite (ROCE) von ca. 25% auf das eingesetzte Kapital zeigt sich die Gesellschaft als absolut profitables Investment. Den fairen Wert von W.E.T. taxieren wir gemäß unserem Bewertungsmodel aktuell mit 74 Euro.
?Was raten Sie dem Anleger?
Hölzle: Zu einem Kurs von 52,70 Euro sehen wir die Übernahme als deutlich zu billig an. Da kann der Aktionär bereits an der Börse teurer verkaufen. Bereits seit einer gewissen Zeit sind im Bereich der Automobilzulieferer Übernahmeaktivitäten zu verzeichnen, die wir intensiv beobachten. Da passt die hochprofitable W.E.T. sehr gut ins Bild. Bei einem Übernahmeangebot von 70 Euro könnten wir eine Übernahme als fair bezeichnen. Als einige der wenigen Firmen, die sich nach dem Börsengang sehr erfreulich weiterentwickelt haben, ist es nicht sinnvoll, die W.E.T. für ein „Butterbrot“ zu verkaufen. Wir glauben, dass sich die W.E.T. auch ohne eine Übernahme weiterhin gut entwickeln wird und der Aktienkurs sein faires Niveau erreichen wird.
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viele grüsse
cade
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