Matthäus: Mit Elber hat
Bayern sein Herz verkauft
Von WOLFGANG RUINER
Matthäus (42) arbeitet jetzt als Teamchef der ungarischen Nationalmannschaft
BILD am SONNTAG: Herr Matthäus, fehlen dem FC Bayern derzeit die Führungspersonen?
Lothar Matthäus: Nein. Michael Ballack ist doch ein Führungsspieler. Nur müsste er vom Verein auch die volle Rückendeckung bekommen. So wie einst Stefan Effenberg. Der wurde nie kritisiert, hatte einen Freifahrtschein. Und der hat ihn so stark gemacht.
Bei Ballack wird schon gemosert, wenn er mal durchschnittlich spielt. Das ist für sein Selbstvertrauen und für seine Akzeptanz nicht förderlich. Dabei ist Michael spielerisch stärker als Effe. Darum sollte man ihn auch ein wenig in Watte packen.
Wäre das Ihre Krisenlösung?
Zumindest einen Versuch wert. Es verstecken sich doch viele Spieler hinter Ballack. Aber er müsste auch lauter werden. Denn mit Friede, Freude, Eierkuchen gewinnt man keinen Blumentopf. Insgesamt ist die Mannschaft viel zu stumm.
Jetzt hat sich auch Kahn zurückgezogen...
Ich kann ihn verstehen. Auch ich habe viel auf die Schnauze bekommen, weil ich meinem Ärger freien Lauf ließ. Wenn man dann oft intern, sprich von Mannschaft und Vorstand, rasiert wird, überlegt man sich jedes Wort. Aber wenn Olli in dieser Saison noch einen Titel holen möchte, dann muss er ganz einfach wieder der Alte werden. Er muss die Konfrontation suchen, wachrütteln. Zu viel Harmonie schadet.
Wie hätten Sie in Aachen reagiert?
Da wäre sicher der eine oder andere Schuh durch die Kabine geflogen, ich hätte mir schon auf dem Platz einen Kollegen zur Brust genommen. Das Problem ist: Es fliegen bei den Bayern keine Fetzen mehr, alles wird unter den Teppich gekehrt.
Und von den Bossen hört man auch nichts mehr...
Das vermisse ich auch. Unter Franz hätte es gescheppert im Karton. Uli Hoeness und Kalle Rummenigge müssen Kritik auch öffentlich äußern. Nur das tut einer Mannschaft so richtig weh. Man muss das Kind beim Namen nennen, sonst verstecken sich die Spieler wieder.
Sollte sich Beckenbauer wieder mehr einschalten?
Auch wenn es Uli und Kalle nicht gerne hören: Ja. Seine direkten Worte haben immer etwas bewirkt – und sie haben alle verstanden. Ich würde es begrüßen, wenn der Franz wieder mehr eingebunden wird.
Gibt es nach fünfeinhalb Jahren Abnutzungserscheinungen im Verhältnis Hitzfeld/FC Bayern?
Wenn ich etwas in München zu sagen hätte, dann würde ich Ottmars Vertrag sofort um fünfeinhalb Jahre verlängern. Er ist der ideale Trainer für den FC Bayern.
Werden die Bayern-Stars vielleicht zu sehr verwöhnt?
Ich will keinen Streit mehr mit dem FC Bayern, darum beantworte ich diese Frage nicht. Ich habe aber nach wie vor einen guten Einblick, was da an der Säbener Straße abläuft.
Sie kritisierten aber schon die vielen Werbetermine...
Ich habe mich über die überzogene Öffentlichkeitsarbeit gewundert. Man darf sich doch von Sponsoren nicht so abhängig machen. Priorität hat noch immer der Sport. Auch gehören Profis nicht mit ’nem Glas Bier und einer Zigarette ständig in die Zeitung.
War es ein Fehler, sich von Giovane Elber zu trennen?
Der Mannschaft wurde damit jedenfalls das Herz herausgenommen. Denn der Spaßvogel hatte nicht nur eine positive Ausstrahlung auf seine Mitspieler, sondern war auch bei den Fans beliebt. Aber durch die Verpflichtung von Makaay wollte man Querelen aus dem Weg gehen. Man hat sich für die Zukunft entschieden.
Quelle: Bild Online