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Alt 30-08-2002, 11:55   #26
arpad
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Für die 35. Kalenderwoche 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sorgen und Ängste beherrschen weiterhin den Markt. Insbesondere die amerikanischen Staatsanleihen stehen weiterhin hoch im Kurs und konnten in dieser Woche ihre Position ausgezeichnet verteidigen. Trotz der historisch niedrigen Renditen ist die Nachfrage anhaltend stark, denn es mangelt an gefälligen Alternativen. Hinzu kommen kurzfristig noch negative Wirtschaftsdaten, die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe stiegen überraschend stark und das Bruttoinlandsprodukt des 2. Quartal blieb unverändert bei 1,1%, und die Sorge vor einem Krieg im Nahen Osten.

Der Ölpreis hat den Krieg im Nahen Osten bereits vorweggenommen. Zwar sorgte die OPEC zwischenzeitlich für eine kleine Pause, nachdem das Kartell eine Erhöhung der Förderquote um 3,5% avisierte, aber grundsätzlich lauert hinter einem hohen bzw. gestiegenen Ölpreis mittelfristig immer Preisdruck. Inflation ist jedoch Gift für Anleihen, insbesondere für die Fälligkeiten, die weit in der Zukunft liegen. In der Konsequenz verstärkte sich der Trend zu kurzen Laufzeiten weiter.

Die Geldzuflüsse aus dem Aktienmarkt machen sich auch im qualitativ hochwertigen Unternehmenssektor bemerkbar:

Ungewöhnlich hohe Nachfrage bei Volkswagen. Das Volumen der gestern gepreisten Anleihenemission wurde in letzter Minute um 50% (!) auf 1,5 Mrd. Euro aufgestockt. Die Nachfrage war so hoch, daß sich die Leadmanager Barclays Capital, die Commerzbank und SG Investment Banking quasi ad-hoc zu einer Anpassung entschlossen haben. Die Anleihe ist somit nun die größte ausstehende VW Obligation. Die hohe Nachfrage ist um so erstaunlicher, da die Rendite relativ unattraktiv ausfällt: Bei einer Laufzeit bis zum 10.3.2008 bietet VW im Euro einen Kupon von 4,875%. Für ein Rating von A1 / A+ kein wirklich schlagendes Kaufargument. Somit kann ich die hohe Nachfrage nur auf den Zwang von Rentenfonds zurückführen, das in den letzten Wochen und Monaten eingesammelte Geld möglichst zügig umzusetzen.

Zur Sache ging es erneut auch wieder in Südamerika:

Der IWF tadelt Argentinien. Die Regierung sei zerstritten und unfähig einen konkreten Plan vorzulegen, wie die Wirtschaft stabilisiert und die Inflation eingedämmt werden kann. An diesem Wochenende wird ein neues Team des Internationalen Währungsfonds nach Buenos Aires geschickt, um die Verantwortlichen auf eine Strategie festzunageln. Die denken derweil nur an ihr eigenes Heil und wollen dafür möglichst wenig tun. So ist aus Regierungskreisen die "Drohung" zu hören, daß man die supranationalen Gläubiger nicht mehr bedienen kann, wenn nicht schnell eine neue Geldspritze bereitgestellt wird. Dazu kann ich nur sagen:

Den Argentiniern sollte mal jemand ordentlich die Leviten lesen. Die bisher gezeigten Reaktionen und Aktionen der argentinischen Regierung sind grotesk und lächerlich. Die Vertreter des IWF müssen sich bei ihren Verhandlungen fühlen, als ob ihnen ein Rudel von ungezogenen Gören gegenüber sitzt und nicht ein paar gestandene Staatsmänner. Ich denke, es wird Zeit für eine härtere Gangart von Seiten der Gläubiger.

Gleichzeitig steigt auch im Nachbarland Brasilien der "Chaosfaktor" täglich.

Die brasilianische Wirtschaft beginnt die weiße Fahne zu schwenken. Bis zum Jahresende kumulieren sich die Tilgungen der Privatwirtschaft auf satte 16 Mrd. Dollar! Ein beträchtlicher Teil dieser Schulden sollte ursprünglich mit neuen Krediten refinanziert werden. Davon ist nach dem Absturz des Real nur noch bei wenigen Unternehmen die Rede. Zu teuer sind die Dollar-Schulden geworden und zu wenige risikobereite Gläubiger sind noch im Rennen. Die Kavallerie scheint derweil den Wald vor lauten Bäumen nicht mehr zu sehen: Aus der Zentralbank ist zu hören, daß man mit einer Aufwertung des Real fest rechnet. Nur wann das passieren soll, darauf wollten sich die Ökonomen nicht festlegen und sinnierten in Anlehnung an Keynes: "In the long run


Quelle:FM Research
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arpad
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