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Alt 06-09-2002, 12:11   #28
arpad
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Für die 36. Kalenderwoche 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
jetzt ist es offiziell: Die französische Regierung rettet die France Telecom. Was gibt es aus Sicht eines Investors schöneres, als ein Unternehmen, dessen Rendite sich an der Privatwirtschaft orientiert und das dann quasi Staatsgarantien erhält? Das französische Finanzministerium teilte am Donnerstag mit, daß man die France Telecom "in geeigneter Weise" unterstützen werde. Fallende Renditen und steigende Anleihenkurse verspricht dieses Szenario, das wie folgt aussieht:

Michel Bon wird gefeuert und das Eigenkapital erneut kräftig ausgepolstert. Der Chef des französischen Telekomkonzerns ist einer der letzten Vorsitzenden der großen europäischen Telefongesellschaften, der noch nicht ersetzt wurde. Eine Ablösung Bon's war zudem spätestens nach dem forcierten Rücktritts Sommer's eine sichere Wette. Wie hoch die Kapitalerhöhung ausfallen wird, ist noch nicht sicher. Gemunkelt wird jedoch über eine Plazierung von Aktien mit einem Börsenwert von 10 Mrd. Euro. Das wäre ein wichtiger Schritt, um die Verschuldung, die Ende Juni 70 Mrd. Euro erreichte, zu reduzieren.

Weitere Anleihenemissionen sind jedoch nicht zu umgehen. France Telecom wird voraussichtlich nach dem Sommer neue Schulden im Volumen von insgesamt 15 Mrd. Euro emittieren, um die Tilgungen im kommenden Jahr zu refinanzieren. Eine Verbesserung des Ausblicks durch Moody's von "negativ" auf "stabil" wäre natürlich im Vorfeld sehr hilfreich für den Verkauf. Eine Hoffnung des Unternehmens, die auch gute Chance hat, wenn die Kapitalerhöhung vorher durchgeführt wird.

Alles in allem kann ich die Anleihen von France Telecom nur wärmstens zum Kauf empfehlen. Bei den drei von mir empfohlenen Anleihen lassen sich auf aktuellem Niveau effektive Renditen bis Endfälligkeit im Bereich von 7,29% bis 11,36% erzielen.

Die Emission von IBM ist dagegen unattraktiv gepreist. Der Computerkonzern emittierte in dieser Woche zwei Anleihen mit einem Gesamtvolumen von 1,7 Mrd. Dollar, um die historisch niedrigen Zinsen im Dollar auszunützen. Die erste Anleihe mit einer Laufzeit bis zum 10. September 2004 hat ein Volumen von 1,1 Mrd. Dollar, wurde zu 100% verkauft und trägt einen veränderlichen Kupon, der jeweils 12,5 Basispunkte über dem 3-Monats US-Libor liegt. Das ist gelinde gesagt erbärmlich wenig, vor allem für ein A1 / A+ Rating. Auch die zweite Anleihe, mit einer Laufzeit bis zum 15. September 2009 und einem Volumen von 600 Mio. Dollar, ist mit einem Kupon von 4,25% nicht gerade ein Geschenk. Der Spread zur vergleichbaren US-Staatsanleihe mit einem Triple-A Rating betrug nur 88 Basispunkte! Meine Empfehlung: Finger weg.

Ein Bankrott von Elektrim ist keine direkte Bedrohung für Polska Telefonia Cyfrowa.Bereits seit vergangenem Dezember ist bekannt, daß Elektrim, die einst als Star der osteuropäischen Telekombranche von den Analysten gefeiert wurde, voraussichtlich zahlungsunfähig wird. Zwar existiert zwischen PTC und Elektrim noch die eine oder andere Verbindung, aber die direkte und indirekte Kontrolle über den Mobilfunker haben Vivendi Universal und die Deutsche Telekom, die sich seit Jahren einen Grabenkrieg um PTC liefern. Meine Sorge neben dem schwachen Zloty (s. AC 08/02) liegt denn auch mehr in der Nachhaltigkeit der beiden Unternehmen, an ihren direkten und indirekten Beteiligungen festzuhalten. Beide haben bekanntlich Schwierigkeiten mit ihrer Bilanzstruktur und neigen daher zu Beteiligungsverkäufen. PTC bleibt aber vorerst eine Haltenposition.

Apropos Deutsche Telekom: Mir ist ehrlich gesagt die Kinnlade heruntergeklappt, als ich die neuen Preise für T-Mobil gesehen habe. Die Deutsche Telekom ist offensichtlich unter der neuen Führung von Helmut Sihler bereit, das Tafelsilber zu Basarpreisen feilzubieten. Nach Informationen aus dem Hause Goldman Sachs ist die Telekom bereit, 10% an T-Mobil außerbörslich für 2 Mrd. Euro anzubieten. Noch im 1. Quartal dieses Jahres (!) hatte die Telekom einen Preis von 10 Mrd. Euro für 10% an T-Mobil eingeplant. Diese gedankliche Wertberichtigung ist mir zu extrem. Die Telekom wäre gut beraten, nicht in diesem Panik-Preisumfeld zu verkaufen, sondern zu warten, bis sich der Rauch etwas verzogen hat und die fairen Preisniveaus wieder sichtbarer werden.

Amazon.com ist wieder ein Kauf. Ich hatte die Wandelanleihe des sehr spekulativen Internethändlers bereits im vergangenen Jahr mit aufgenommen und sehr erfolgreich wieder verkauft. Ich sehe nun die Chance auf einen weiteren interessanten Kursgewinn. Ausschlaggebend dafür ist ein Bericht von Moody's, die das Senior Implied Rating von B3 auf B2 erhöht haben, da die Agentur erwartet, daß Amazon.com einen positiven Cash-Flow für dieses Jahr ausweisen wird, exklusive bestimmter Positionen. Moody's rechnet zudem damit, daß Amazon.com mit einem aktuellen Cashbestand von 823,6 Mio. Dollar genügend Spielraum hat, um in den kommenden zwei Jahren keine Neuverschuldung aufzunehmen. Das Senior Implied Rating ist das übergeordnete Rating für das Unternehmen.

Die Amazon.com Wandelanleihe kann zusätzlich von dem steigenden Interesse am Junk Bond Markt profitieren. Mit einem Rating von Caa2 / CCC+ zählt die Anleihe glasklar zu den Hochrisikoanlagen am Kapitalmarkt, bietet dafür aber auch aktuell eine effektive Rendite bis Endfälligkeit von 15,68%. Der feste Kupon liegt bei 4,75% und das Wandlungsverhältnis liegt bei 12,816 Aktien pro 1.000 Dollar Nennwert, was einem Preis von 78,0275 Dollar pro Aktie entspricht. Die Laufzeit reicht bis zum 1. Februar 2009, aber die Anleihe kann vorzeigt gekündigt werden. Die WKN lautet 308 598 und kann z.B. über Warburg Dillon Read und Salomon Smith Barney gehandelt werden.

Rußland zahlt früher. Laut der Presseagentur AP tilgte die russische Regierung Ende August vorzeitig eine Tranche im Umfang von 172,1 Mio. Dollar. Die Tilgung wäre zum 31. Dezember gegenüber Deutschland fällig gewesen. Die Schulden stammen noch aus der Sowjet-Ära. Präsident Putin schmeichelte sich jedoch selbst, als er mit der Tilgung die Hoffnung verband, daß das russische Kreditrating dadurch positiv beeinflußt wird.

Update zu Petroplus: Die Margen-Schere hat sich leicht verengt, wenngleich daraus noch kein Trend abzulesen ist.


Quelle:FM Research
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arpad
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