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Alt 21-09-2004, 18:35   #6
Starlight
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Vor der Fed-Sitzung wird noch einmal abgewogen

Die Wall Street hat ihre Ziele für die heutige Fed-Sitzung gesetzt. Man rechnet allgemein mit einer Zinsanhebung um weitere 25 Basispunkte – zum dritten Mal in Folge – auf dann 1,75 Prozent. Darauf deuten die Futures hin, und auf dem Parkett ist man sicher. Doch gibt es auch Gründe, warum die Notenbank diesmal eine Runde aussetzen könnte.

Zum einen bleibt die Frage ungeklärt, ob die Fed das Ohr ganz nah am Markt hat, oder ob sie eine eigene, festgeschriebene Agenda verfolgt. Janet Yellen, die Präsidentin der lokalen Notenbank von San Francisco, hat erst in der vergangenen Woche angedeutet, dass der Offenmarktausschuss den Leitzins bis Ende des nächsten Jahres gerne wieder in der Nähe von 4 Prozent sehen würde.

Hält nun die Notenbank an ihrem – am Markt eigentlich sehr geschätzten – Plan fest, die Zinsen nur „schrittweise“ und „messbar“ zu erhöhen, dann spräche das eigentlich für eine Zinsanhebung bei jedem Treffen um 25 Basispunkte. Aussetzer kann man sich angesichts eines recht dichten Fahrplanes nicht erlauben, und damit wäre die Frage auch für diesen Nachmittag geklärt.

Doch hat die Fed auch lange genug betont, wie wichtig es den Zinspolitikern sei, den Markt zu unterstützen. Durch niedrige Zinsraten. Die jüngsten Konjunkturdaten lassen nun nicht ohne Zweifel darauf schließen, dass die Wirtschaft wächst. Sicher, die Produktivität hat über die vergangenen anderthalb Jahre in fast allen Sektoren zugenommen. Zuletzt jedoch haben die Wachstumsraten schwer nachgelassen.

Ein schwacher Arbeitsmarkt belastet zudem den Konsumenten. Dass am Montag die Zahl der verkauften Häuser zugenommen hat, wird relativiert durch einen rapiden Einbruch bei den Bauanträgen und den erteilten Genehmigungen. Platzt jetzt doch die Häuser-Blase, die sowohl für Alan Greenspan als auch für George W. Bush immer das wichtigste Vorzeige-Argument für Konjunktur-Wachstum war?

Apropos Bush: Auch die im November anstehenden Präsidentschaftswahlen dürften für die Notenbanker in ihre Entscheidungsfindung eine Rolle spielen. Nur noch zweimal trifft sich das Gremium um Alan Greenspan vor den Wahlen. Dabei ist den Währungshütern durchaus bewusst, wie wichtig der Faktor Wirtschaft für den Wähler ist, und was ein weiterer Einbruch der Märkte durch zu hohe Zinsen für Bush bedeuten könnte.

Einfach aussetzen geht indes auch nicht. Sollte der demokratische Herausforderer John F. Kerry die Wahl gewinnen, kann Alan Greenspan zwar wieder an der Zinsschraube drehen. Dann dürfte er aber schnell in den Verdacht kommen, mit einer ruhigen Zinspolitik den Amtsinhaber mehr gestützt zu haben als die Konjunktur – und damit wäre es um seine eigene Zukunft schlecht bestellt.

Wenn die Fed an diesem Dienstag den Zinssatz anhebt, dann dürfte es in jedem Fall der letzte Schritt vor der Wahl sein. Obwohl die Fed-Futures auch auf eine weitere Anhebung im Oktober tippen, wäre ein solcher Schritt ohne einen deutlich sichtbaren Aufschwung nicht wirklich vorstellbar.

Um 14.15 Uhr (Ortszeit, 20.15 Uhr MESZ) wird die Wall Street klüger sein. Doch die Erfahrung der vergangenen Monate zeigt, dass der bis zum Mittag recht unbewegte Markt auch nach einer Entscheidung kaum nachhaltig ausbrechen dürfte. Auf Tagessicht dürften die Aktienbarometer zwar ausschlagen, schon ab Mittwoch wird die Wall Street sich aber an neuen Faktoren orientieren, die in den nächsten Tagen und Wochen anstehen.

Lars Halter - © Wall Street Correspondents Inc.
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