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Alt 08-10-2011, 11:24   #4
Benjamin
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Nehmen wir also an, die US-Regierung schafft es, jährlich (!) den Neuverschuldungszuwachs vom historischen Durchschnitt 8,5% (=100%) abzusenken, und versucht das erst einmal ganz harmlos mit jährlich 10% weniger Neuverschuldung als im Vorjahr. Ergebnis: Mit diesem Verfahren wären im 16. Jahr dieser Anstrengung immer noch rund 2% jährliche Neuverschuldung da.

Nehmen wir an, die eine US-Regierung versucht es analog mit 33% jährlicher Reduzierung der Neuverschuldung. Dann würde sie aber auch im 16. Jahr immer noch eine jährliche Neuverschuldung von 0,12% haben.

Selbst eine jährliche Halbierung der Neuverschuldungsrate des Vorjahres (im Basisjahr 2010 waren das die angenommenen 8,5%, die hier gleich 100% gesetzt werden), dann brächte auch nach 10 Jahren immer noch eine jährliche Neuverschuldungsrate von 0,22%.

Dieses Spiel ist also nur mit einer Reduzierung der jährlichen Neuverschuldung nicht zu gewinnen! Das ist -so denke ich - auch den Politikern in den USA vollkommen klar.

Steigende Zinsen auf US-Treasuries:

Nehmen wir nun an, die Zinsen würden nicht mehr ewig so niedrig gehalten werden können wie in 2010, und zwar aus 2 Gründen:
  1. Externe Investoren verlängen mehr Zinsen für US-Schuldtitel (für gestiegene Ausfallrisiken)
  2. fortgesetzte bzw. sogar steigende Aufkäufe von Staatsanleihen durch die US-Notenbank wären politisch nicht mehr durchsetzbar.
Im Ergebnis würden bei theoretisch gleich bleibender Verschuldungshöhe (Neuverschuldungsrate = 0) die jährlichen Zinsen steigen, folglich bliebe netto weniger im US-Haushalt.

Angenommen, die US-Zinsen steigen aus den o.g. beiden Gründen mit einer jährlichen Steigerungsrate von 20% p.a. (über der Inflationsrate!!!), also z.B. von derzeit 1,7% in 2011 auf 2,04% in 2012 (Inflation 0%). Falls die Inflation z.B. 5% betragen würde, dann ist hier eine resultierende Rate von 5%+20%=25% gemeint, also in dem Beispiel eine Steigerungsrate von 25%).
Dann landen wir im 10. Jahr (nach Abzug der Inflation!) bei einem Zinssatz von 8,77% netto, also in etwa der Neuverschuldungs-Zuwachsrate p.a. aus der Vergangenheit.

Aus diesem Szenario folgert, dass eine US-Regierung dann ihren Zinskostenanteil am Haushalt als Ziel jährlich um 20% senken muss, um die resultierende prozentuale Zinslast im US-Bundeshaushalt auch nur auf dem Level von 2010 zu halten, damit dann überhaupt noch wenigstens "41 cents of every dollar" ausgegeben werden kann.

Das bedeutet, dass in diesem Szenario der US-Haushalt zwar in jedem Jahr eine Mischung aus Kürzungen und Einnahmensteigerungen so vornimmt, dass am Ende rechnerisch 20% weniger Zinslasten im betreffenden Folgejahr herauskommen müßten, aber dass die dann doch um 20% p.a.steigende Zinsrate das alles in jedem Jahr wieder zunichte macht macht und man hält in jedem Jahr gerade mal eben den Status quo aufrecht - obwohl doch all diese Ausgabenkürzungen bzw. Einnahmenerhöhungen vorgenommen wurden!!!

Schafft eine US-Regierung leider nur weniger als jährlich 20% bei diesem Spiel (oder steigt die Zinsrate auf US-Schuldtitel um mehr als 20% p.a.), dann säuft die US-Bundesregierung ab: Der Staatsbankrott der USA ist dann irgendwann unausweichlich.

Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Soll-Vorgabe nicht erfüllt wird?
Ich meine, das liegt nahe 100%.

Ein Argument dafür ist dieses Posting von mir vom 30-07-2011, also unmittelbar vor der letzten Anhebung der US-Schuldenaufnahmegrenze Anfang August 2011. Darin wird aufgelistet, was alles nicht mehr vom US-Staatshaushalt finanziert werden kann, wenn eine Neuverschuldung plötzlich um 100% gesenkt würde - also nur noch knapp die Hälfte von jedem Dollar zur Verfügung steht : https://www.ftor.de/tbb/showpost.php?...8&postcount=48

Ich denke, selbst wenn wie in dem obigen Beispiel nicht 100% sondern "nur" 20% jedes Jahr gekürzt oder durch Steuererhöhungen zusätzlich reingebracht werden müßten, so etwas wäre nicht politisch durchhaltbar: Die 20%-Reduktion ist imo unrealistisch. Eine Steigerung von 20% p.a. bei den Zinsen auf US-Staatsanleihen halte ich für realistisch. - Damit stehen die Zeichen auf Staatsbankrott. Es stellt sich nur noch die Frage, wann er kommt.

das ist schwer zu berechnen, da die getroffenen Annahmen natürlich im Detail so nicht genau kommen werden. Am 25.03.2010 schrieb ein Herr Eberhardt Unger, Analysehaus Fairesearch, z.B. das hier (http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_424280):
Wie die unabhängige Haushaltsbehörde Congressional Budget Office (CBO) errechnete, werden die neuen jetzt von Präsident Barack Obama vorgelegten Ausgabenprogramme und Steuererleichterungen das Defizit massiv ausweiten. Demnach dürften die auflaufenden Staatsschulden während der nächsten zehn Jahre noch einmal 9,8 Billionen Dollar über dem bisher geschätzten Defizit liegen (siehe angehängte Grafik).

Das ganze Ausmaß der Dramatik wird deutlich, wenn man die Zinslast betrachtet, die da auf die USA zukommt und die Jahr für Jahr schwerer wird. 2010 dürften die Zinsen etwa 1,4 Prozent der Wirtschaftsleistung auffressen. Schon im Jahr 2020 dürfte laut CBO-Berechnungen der Anteil der Zinsen 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausmachen, erläutert Unger. Bis 2040 dürften die Sollzinsen dann so weit gestiegen sein, dass sie 25 Prozent des BIP verschlingen, wie Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ergaben. (...)

Die Realität könnte noch schlimmer aussehen, da in Schätzungen nicht berücksichtigt ist, dass die Budgets durch die rückläufige Bevölkerung und Überalterung zusätzlich belastet werden. Laut Unger sind soziale Unruhen so gut wie sicher. "Die USA tragen ebenso wie viele andere Industrienationen in ihrer absurd hohen Staatsverschuldung den Keim zum Untergang ihrer Gesellschaftsordnung", so sein beängstigendes Fazit.


In der Tat, die USA müssen in den kommenden Jahren massive Probleme lösen - gleichzeitig - die alle auch Geld kosten werden:

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Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (14-02-2016 um 21:33 Uhr)
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