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Alt 13-06-2004, 06:33   #1
Börsengeflüster
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Lightbulb Kostolany´s Börsenweisheiten

Um ein wenig mehr Unterhaltung (zum Schmunzeln und Nachdenken ) hier in das Forum zu bringen, möchte ich hier und da mal ein paar Erlebnisse und Geschichten, rund um die Börse von André Kostolany posten. Wer seine Bücher gelesen und sie auch richtig interpretiert hat, ist sicherlich ein gutes Stück vorangekommen, ein Spekulant mit Kopf zu sein

Bei dem ersten Posting geht es um Börsenboom (Blase) und den unausweichlichen Krach danach

Boom und Krach- ein unzertrennliches Gespann

Der Börsenkrach ist für den Spekulanten eine äußerst spürbare Realität, um so mehr, als er überraschend kommt.
Die Hausse steigt sanft, sie erklimmt Absatz um Absatz, ohne das man es so recht merkt. Dagegen kommt der Börsenkrach plötzlich und mit der Heftigkeit göttlicher Rache. Solange das Börsenbarometer auf beständig steht, geht alles gut. Herr Spekulant streicht vergnügt seinen Gewinn ein, und das die Börse gut geht, erscheint ihm absolut normal, sozusagen als die natürliche Ordnung der Dinge. Dass es auch umgekehrt kommen kann- und noch dazu auf recht gewalttätige Weise-, kommt ihm nicht in den Sinn. Das schiene ihm eine persönliche Beleidigung.
Die Geschichte der Börse ist eine Folge von Boom und Börsenkatastrophen. Boom und Börsenkrach sind ein unzertrennliches Gespann, der eine kann nicht ohne den anderen sein. Im Zeichen der Prosperität schwellen die Booms gemächlich an. Schließlich ist fatalerweise ein Ballon daraus geworden, der durch einen Nadelstich platzen kann.

Eine Gesetzmäßigkeit der Börsengeschichte ist: kein Börsenkrach, kein Knall, dem nicht ein Boom vorangegangen wäre, und kein Boom, der nicht mit einem Börsenkrach endet .


Die Tulpenkatastrophe im 17. Jahrhundert :ices_blum

Es ist eine Ironie des Schicksals, daß eine zarte Blume, die Tulpe das klassische Symbol für Boom und Krach geworden ist. Sie sollte für unerfahrene Börsenspieler, Geldmanager und Anlageberater noch heute ein Memento sein. Diese Blume hat die aufstrebende Wirtschaft eines sonst so nüchternen Landes — das Holland des 17. Jahrhunderts — fast erschüttert. Das kam folgendermaßen: Ein gewisser Herr Busheck, Gesandter des deutschen Kaisers in der Türkei, konnte sich an einer Blume — von den Türken Turban genannt — nicht satt sehen. Die Exzellenz brachte sie nach dem Westen mit, wo ihr Name in Tulipan entartete. Bald konnte man sie in den Gärten der Fugger in Augsburg bewundern.
Den Botanikern gelang es, den zarten Körper der Blume an das rauhe Klima des Nordens zu gewöhnen, doch dauerte es noch viele Jahre, bis die Holländer sich närrisch in sie verliebten und dabei den Kopf verloren. Jahrelang war die Tulpe nichts als ein Farbfleck in ihren Bürgerhäusern. Dann wurde sie allmählich ein Beweis des sozialen Aufstiegs. Die eleganten Damen suchten sich sorgfältig die Tulpe aus, die zu den Farben ihrer Toiletten paßte. Die Blütenteppiche ihrer Villen übertrafen an Farbenpracht die des Orients. Man fuhr in tulpengeschmückten Kutschen spazieren, es gab täglich Blumenfeste, einen Wettstreit der Eleganz. Es gehörte zum guten Ton, seltene Tulpen zu sammeln, die der Nachbar noch nicht hatte. Sie wurden ein Statussymbol wie heute eine Sammlung moderner Bilder. Ein reicher Reeder, der seinen Konkurrenten imponieren und von sich reden machen wollte, kam auf die Idee, seiner Tochter als Hochzeitsgabe nicht einen besonders schönen Diamanten, sondern eine höchst seltene Tulpenzwiebel zu schenken. Nachdem er seine Freunde eingeladen hatte das <Geschenk> zu bewundern, ließ er einen besonderen Tisch herrichten. Die Zwiebel wurde auf seinem schönsten Delfter Teller in die Mitte gestellt. Während er sich mit seinen Gästen noch im Garten erging, betrat ein Fremder, ein Seemann, das Haus; er war noch ein Neuling in der Liebe zu den Tulpen. Gerade war er dabei, einen Hering mit einem Stück Brot zu verzehren, da fiel sein Blick auf die Zwiebel, und er dachte, sie müßte doch prächtig dazu schmecken. Er griff nach ihr und verspeiste sie mit Haut und Haar. Der Herr des Hauses kam zurück. Ach, es war zu spät, das Hochzeitsgeschenk war vor der Unterzeichnung des Ehekontrakts aufgegessen worden. Es ist nicht überliefert, ob der gute Bürger vor Kummer oder Ärger starb, aber es ist sehr wahrscheinlich! Die Tulpen-Hysterie dauerte einige Jahre. Nachdem die Bürger reich geworden waren, wollten sie immer höher und höher auf der sozialen Rangleiter klettern — und dies mit Hilfe der Tulpen. Snobs äfften die Narrheiten des Adels aus Den Haag nach. Während ihre Gärten von Tulpen prangten, begannen die Preise zu steigen. Die Nachfrage ging weiter und erreichte Ausmaße, die der heimische Boden nicht mehr befriedigen konnte. Langsam, aber sicher zogen die Preise an, besonders von Juli bis September, wenn die Tulpenzwiebeln in den Handel kamen. Bald witterten raffinierte Geldleute die Chance, sie legten Ihr Geld in Zwiebeln an. Große Umsätze lockten weitere Spieler aller Art an, die sich bislang an der Amsterdamer Börse mit Aktien befaßt hatten. in den letzten Jahren wurden in ähnlichen Fällen Börsianer den Aktien untreu und stürzten sich auf Gold und Silber, um damit das große Glück zu machen.

Einer rief: Feuer! Und alle stürzten hinaus

Dann aber kam »1637« der Nadelstich, der fatale Knall. Ein großer Kunde mußte bei seinem Tulpenlieferanten feststellen, daß alle ihm präsentierten dreihundertfünfzig Sorten schon in großen Mengen auf dem Markt waren und den Reiz der Rarität verloren hatten. Und plötzlich erkannten auch die Spekulanten die Tulpeninflation. Haben wir nicht ähnliches erst in den siebziger Jahren in Wall Street mit den amerikanischen Conglomerates den Mischkonzernen erlebt? Die Spieler hatten auf einmal entdeckt, daß die Mischgesellschaften nicht mehr weitermischen konnten. Das war der Nadelstich für die aufgeblase_nen Aktienpreise. Das Ende ist dann immer das gleiche. Ein Spekulant ruft: ~Feuer~. und alle stürzen zum Notausgang. Jeder will jetzt verkaufen, aber es gibt keine Käufer mehr. So platzte auch der Tulpenballon, und Tulpenzwiebeln waren plötzlich nicht mehr wert als gewöhnliche Zwiebeln. Die Spekulan_ten, gestern noch Millionäre, waren nur noch Habenichtse, »Ritter von der traurigen Gestalt«. Das war der Börsenkrach. Der aufgeblasene Ballon war geplatzt, er hinterließ Zusammenbrüche, Kummer und Schmerzen.
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Zitat:
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Die Börse ist keine Wissenschaft, sondern eine Kunst.

André Kostolany


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Geändert von Börsengeflüster (19-06-2004 um 08:41 Uhr)
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