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Alt 15-01-2006, 21:05   #5
Starlight
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Blodget’s Gedanken zu Google

Erinnert sich noch jemand an Henry Blodget? Als Analyst von Oppenheimer & Co. gab er der Aktie von Amazon.com im Dezember 1998 ein Kursziel von 400 Dollar, wurde alsbald zum Hohepriester des Internet und später zum Symbol der Internet-Blase. Jetzt warnt ausgerechnet Blodget vor allzu hohem Optimismus gegenüber Google.

Henry Blodget hat offenbar einiges gelernt in den letzten Jahren. Zum Beispiel, dass Aktien nicht grenzenlos in den Himmerl wachsen können. Und dass Fundamentaldaten wichtiger sind als Optimismus und Momentum am Aktienmarkt. Blodget sieht viele Aktien heute mit anderen Augen, und mit seiner Meinung hält er nicht hinterm Berg. Da ihm wegen übertriebenen Empfehlungen für schwache Aktien ein lebenslanges Berufsverbot im Wertpapierbereich auferlegt wurde, berichtet er lediglich nicht mehr als Insider über den Markt, sondern als „InternetOutsider“ – so der Name seines Blogs.

In diesem Blog hat sich Blodget nun den größten Internetgewinner der letzten Monate vorgeknöpft: Google. Und während die Aktie von acht Jahren vermutlich eine Kaufempfehlung nach der anderen bekommen hätte, postet der Ex-Analyst heute das Foto eines Furcht einflößenden Bören zu seinem Text. Auf dem Foto ist, wohlgemerkt, nur ein einzelner Bär zu sehen, was der Situation an der Börse ziemlich genau entspricht. Denn zumindest unter den Google-Beobachtern wimmelt es nach wie vor von Bullen: Im eben angebrochenen Jahr haebn schon fünf Analysten das Kursziel für die Suchmaschine angehoben, Mark Stahlman von Caris & Co. zuletzt auf – festhalten! – 2000 Dollar.

Das ist bekanntes Terrain für Blodget, der Google ein Kursziel von 100 Dollar gibt – nicht kurzfristig, wie er selbst schreibt, aber möglicherweise irgendwann.

Das Hauptrisiko für Google sieht Blodget im einseitigen Umsatzfluss. Dass der Verkauf von einzelnen Wörtern als Suchbegriffe fast den kompletten Umsatz für die Suchmaschine einbringt, sei gefährlich. Dass Google zahlreiche andere Produkte habe, verbessere die Situation nicht, denn Google Earth, die Bücherei und der neu vorgestellte Videodienst trügen kaum zum Ergebnis bei.

Blodget widmet sich in seinen Beobachtungen also allein dem Verkauf von Suchbegriffen. Dass für winzelne Wörter immer mehr bezahlt werde, ist für den Internet-Experten ein kurzfristiger Trend, der irgendwann auslaufen werde. Doch sieht Blodget nicht nur den Preis pro Wort rückläufig, sondern eines Tages auch die Investitionen der Unternehmen in Online-Werbung.

Welchen Schaden sinkende Einnahmen anrichten könnte, zeigt Blodget im Vergleich mit der Kostenstruktur bei Google aus. Das Unternehmen habe einen ungewöhnlich hohen Anteil an Fixkosten, so dass sinkende Einnahmen umso stärker auf die Bilanz durchschlagen könnten.

Mit einem Szenario, das Blodget für Google ebenso vorsieht, kennt sich der Ex-Analyst bestens aus: Betrug. Dass Internet-Unternehmen für Betrügereien besonders anfällig sind, ist bekannt, schließlich fällt eine Beurteilung von Aktiva schwer, wo nicht mit Waren, sondern mit Information und Hinweisen gehandelt wird. Käme es aber zu Betrugsfällen bei Google, würden Unternehmen und Aktie umso ärger getroffen, je höher sie zur Zeit gejubelt würden.

Um Google-Anleger nun nicht in alle Winde zu verjagen, macht Blodget in seinem Blog eines klar: Ob und wann sich die Schreckensszenarien für die Suchmaschine einstellen, wisse er nicht. Investment-Hinweise wolle – und per Gericht darf – er darüber hinaus auch nicht geben, und so bleibt der Blog einfach eine von vielen Meinungen. Allerdings immer noch die Meinung von einem, der die Sonnen- und die Schattenseite der Internet-Aktien besser kennt als alle anderen.

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