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Alt 25-10-2002, 13:01   #41
arpad
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Für die 43. Kalenderwoche 2002

Sehr geehrte Damen und Herren,
die Zahlen aus dem Unternehmenssektor sind unterm Strich relativ gut ausgefallen. Es besteht kein Grund zum Jubeln. Darin sind sich alle einig. Aber viele große Unternehmen, allen voran die etablierten und alteingesessenen Industriekonzerne, haben sich im 3. Kalenderquartal besser geschlagen als erwartet und scheinen die weltweite Wirtschaftsflaute mittlerweile durch Strukturanpassungen kompensieren zu können.

Zu einigen ausgewählten Ergebnissen im Detail:

Amazon.com entwickelt sich ausgesprochen positiv. Nicht nur die von mir empfohlene Wandelanleihe, die bisher in 49 Tagen eine Performance von 16,11% erzielte, sondern vor allem das operative Kerngeschäft des Unternehmens gehen in die richtige Richtung. Amazon.com meldete gestern nachbörslich ein Wachstum im Jahresvergleich von 33% und kündigte auch für das laufende Quartal, das wichtigste für jeden Händler, ein Wachstum von 19 bis 27% im Vergleich zum Vorjahr an. Zwar wies Amazon.com immer noch einen Verlust nach Steuern aus (3. Quartal: -35,08 Mio. Dollar), aber vor Sondereinflüssen, in diesem Fall außerordentliche Verluste aus Untermietsverträgen, verlief das 3. Quartal "Break-Even". Bemerkenswert ist auch, daß das Unternehmen in den letzten vier Quartalen einen freien Cash-Flow von 120 Mio. Dollar erwirtschaftete. Frei verfügbares Geld, das genügend Spielraum für zusätzliche Investitionen und Verbesserungen der Bilanzstrukturen bietet. Ich bleibe weiterhin engagiert, werde jedoch meine Gewinne sofort mitnehmen, falls das positive Momentum nachlassen sollte.

Die Quartalszahlen von AT&T sorgten für Erleichterung. Der Telefonkonzern verzeichnete im abgelaufenen 3. Quartal den ersten Gewinn seit vier Quartalen. Das Ergebnis von 207 Mio. Dollar bzw. 0,05 Dollar pro Aktie resultierte jedoch nicht aus steigenden Umsätzen, diese fielen sogar um 8,3% auf 11,9 Mrd. Dollar, sondern aus Kosteneinsparungen und geringeren negativen Sondereinflüssen. Der Ausblick bleibt jedoch verhalten. So wird dieses Quartal vor allem von dem Verkauf der Sparte AT&T Broadband an den Kabelbetreiber Comcast überschattet werden. Die verbleibende AT&T wird anschließend einen reversen Aktiensplit im Verhältnis 5:1 vornehmen, was sich zu einer erheblichen Belastung für die Marktkapitalisierung entwickeln kann, da Reverse-Splits in der Regel fallende Kurse nach sich ziehen. Das könnte wiederum die momentan positive Stimmung für AT&T deutlich beeinträchtigen, also auch negativ in den Anleihenbereich ausstrahlen. Ich bleibe daher bei AT&T zurückhaltend.

Der vorsichtige Ausblick von DaimlerChrysler verhagelte der Börse die Stimmung. Und das, obwohl das Quartalsergebnis die ambitionierten Vorgaben des Unternehmens voll erfüllten hat. Der Umsatz stieg, in einem fallenden Gesamtmarkt, um 1% auf 36,34 Mrd. Euro und das Ergebnis bei Chrysler verdreifachte sich. Konzernweit reichte es zwar nur zu einem Ergebnis nach Steuern von 780 Mio. Dollar, ein Rückgang um 22% im Vergleich zum Vorjahresquartal, aber entscheidender ist, daß Chrysler die Kurve bekommen hat und das auch noch früher als erwartet. Daß der Vorstand sich verhalten bis pessimistisch für das laufende Quartal und das kommende Geschäftsjahr äußerte, schreckt mich nicht ab, da sich DaimlerChrysler in den letzten Quartal auf die Kunst verstanden hat, wenig zu versprechen und viel mehr zu halten. Ich empfehle die von mir vorgestellte Daimler-Anleihe erneut zum Kauf und werde meine Position entsprechend verbilligen.

Unabhängig von den insgesamt positiven Entwicklungen an der Wall Street bleibt das Thema Südamerika und im speziellen Brasilien und Argentinien weiterhin ein Ärgernis.

Die Weltbank reiht sich bei den Argentinien-Geschädigten ein. Bisher galten Anleihen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank als "unantastbar". Obwohl es keine rechtliche Begründung dafür gibt, wurden die Kredite und Kreditgarantien der beiden supranationalen Institute immer bevorzugt behandelt. Sehr zum Schaden der restlichen institutionellen und privaten Investoren. Vor diesem Hintergrund ist zu betrachten, daß Argentinien vor gut einer Woche die fällige Tilgung einer durch die Weltbank garantierten Anleihe schlicht und einfach hat ausfallen lassen. Und wie reagiert die Weltbank darauf?

Die Weltbank faßt Argentinien immer noch mit Samthandschuhen an! Da die Weltbank die Zeroanleihen der Serie D, die am 15. Oktober 2002 fällig wurden, garantiert hat, hat die Weltbank die Forderung von der argentinischen Regierung übernommen und aus eigenen Mitteln getilgt. Anstatt die Gelegenheit zu nutzen und die Argentinier nun dafür unter Druck zu setzen, den überfälligen Strukturwandel umzusetzen, warf man noch mehr Öl ins Feuer. Ohne jegliche Gegenforderung bot man der argentinischen Regierung an, die fälligen 250 Mio. Dollar in vier halbjährlichen Tranchen bis 2005 zu tilgen und dabei lediglich einen Zins zu zahlen, der 4% über dem entsprechenden LIBOR liegt. Faktisch ein neuer und aus argentinischer Sicht fast kostenloser Kredit.

In Gefahr geraten sind nun die zukünftigen Garantien der Weltbank. Sollte Argentinien nicht bis Mitte Dezember die komplette Tilgung doch noch durchführen, verfallen automatisch die Weltbankgarantien für alle anderen noch laufenden argentinischen Staatsanleihen. Das betrifft primär die Zeroanleihen der Serie E, die am 15. Oktober 2003 fällig werden. Deren Kurse fallen im Vorfeld dementsprechend stark.

In Brasilien findet am Sonntag die Stichwahl statt. Der Kapitalmarkt zeigte sich im Vorfeld optimistisch, daß es zu einer Rally nach der Wahl kommt. Wir werden das Wahlergebnis abwarten müssen, wenngleich da Lula der haushohe Favorit ist, und insbesondere genau unter die Lupe nehmen, welche Maßnahmen die neue Regierung dann wirklich einleitet. Daß nach der Wahl durchaus nicht vor der Wahl sein muß, wissen Sie genauso gut wie ich. Bis dahin ist Brasilien nur ein Spielball der Spekulanten.


Quelle:FM Research
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arpad
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