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Alt 05-11-2002, 13:20   #1
saida
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Frankfurt (vwd) - Der Chefvolkswirt der WestLB, Ulrich Hombrecher, rechnet mit einem "klaren Zinssenkungssignal" im Anschluss an die Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag. In dieser Woche sei jedoch noch kein Zinsschritt zu erwarten, dafür habe schlicht die verbale Vorbereitung gefehlt, urteilte Hombrecher am Dienstag im Gespräch mit vwd. Eben diese werde aber am Donnerstag mit Verweis auf die im Dezember anstehenden Projektionen der Notenbank beginnen.



Hier zeichne sich eine Argumentation der Art ab, dass die konjunkturelle Entwicklung eingetrübt sei, die Preisrisiken somit abnehmen, was auch mit dem Verweis auf Basiseffekte untermauert werden könne. Zugleich habe er aber auch den Eindruck gewonnen, dass die Preise derzeit nicht die entscheidende Rolle spielten. Vielmehr tue sich die EZB schwer mit der Debatte um den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Mit Blick auf die politischen Einflussversuche bemerkte Hombrecher, dass die EZB "im Grunde darüber stehen sollte", allerdings sei er sich nicht sicher, ob sie bereits so weit sei.


Unbestritten sei das aktuelle Zinsniveau für Deutschland zu hoch, hingegen sei ein Zinsschritt für Frankreich oder Spanien nicht unbedingt nötig. Hombrecher ist der Auffassung, dass der Zeitpunkt für die Währungsunion zu früh gewählt wurde. Sofern die Fiskal- und Wirtschaftspolitik in nationaler Hand bleibe, müsse man damit rechnen, dass noch über Jahre Probleme auf Grund von Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten bestehen blieben. Allerdings werde bei dieser Diskussion gerne übersehen, dass solche Divergenzen auch zwischen den Bundesstaaten der USA bestehen, nur rede darüber keiner.


Die Kommunikationspolitik der EZB sieht Hombrecher "erheblich verbessert", insofern würde er es als einen "Rückfall" in alte Zeiten betrachten, wenn die EZB bereits am Donnerstag die Zinsen lockern würde. In diesem Fall wäre er aber auch nicht "enttäuscht oder entsetzt", denn eine Entlastung sei auch mit Blick auf die Banken angebracht. Letztere hätten "viel eingefangen über die Wertberichtigungen", das spiele sicherlich auch innerhalb der Diskussionen im EZB-Rat eine Rolle, nur werde dies nicht nach außen kommuniziert. Realwirtschaftlich sei von einem Zinsschritt unmittelbar wenig zu erwarten, vielmehr gehe es um eine Belebung der Stimmung.


Von der Fed erwartet Hombrecher am Mittwochabend eine Zinssenkung um 25 Basispunkte. Allerdings sei auch hier realwirtschaftlich nicht viel zu bewegen, bereits die zahlreichen Lockerungen des vergangenen Jahres hätten sich realwirtschaftlich kaum niedergeschlagen. Zudem müsse beachtet werden, dass sich nicht nur der geldpolitische Spielraum verenge, sondern mit sinkendem Zinsniveau auch die Zinselastizität der Ausgaben zurückgehe. Schließlich stelle sich die Frage, ob der monetäre Transmissionsprozess "überlagert" oder aber "grundlegend gestört" sei.


Er neige der ersten Ansicht zu, ein drohender Militärschlag gegen den Irak und die damit einher gehenden Unsicherheiten hätten sich "wie Mehltau" auf die Stimmung gelegt. Eine grundlegende Störung bedeute hingegen, dass das Bankensystem in einer systemischen Krise stecke, dies sei aber vor allem vor dem Hintergrund der hohen Anpassungsfähigkeit der Banken nicht der Fall. Hombrecher will aber nicht ausschließen, dass die Situation eines überlagerten Transmissionsmechanismus länger anhält, womit jede geldpolitische Maßnahme wirkungslos wäre. +++ Christian Vits


vwd/5.11.2002/cv/ptr
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