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Alt 09-11-2008, 18:06   #151
621Paul
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Eine kurze persoenliche Zwischenbilanz der Krise

von Dr. Bernd Niquet

Die Krise hat heftig zugeschlagen, auch bei mir. Immerhin
nicht ganz so schlimm wie die vergangenen Krisen, denn ich
bin schon vorgewarnt in sie hinein gegangen. Und jetzt sitze
ich vor meinem Portfolio und sinniere darueber, was ich rich-
tig und was ich falsch gemacht habe.

Im Februar 2007 habe ich zum ersten Mal in meinem Leben fast
alle Aktien verkauft und nur noch ein paar Rohstoffaktien und
Rohstoffzertifikate gehalten. Daneben Cash und Anleihen von
Schuldnern bester Qualitaet, Nationalstaaten und oeffentli-
chen Banken. Weil ich eine Krise erwartet habe. Da stand der
Dax bei 7.000 Punkten. Anschliessend musste ich erleben, dass
meine Aengste vor einer grossen Krise anscheinend unbegruen-
det waren. Und musste mit ansehen, wie der Markt neue histo-
rische Hoechststaende erreichte und ich nicht dabei war.

Ab Mitte 2008 habe ich dann angefangen, Aktienpositionen auf-
zubauen. Die Krise wird nicht mehr kommen, dachte ich. Und
wenn Sie mein neues MADchester-Buch gelesen haben, wissen Sie
ja auch, dass ich die wirkliche Krise erst fuer die Jahre
nach 2010/2011 erwarte. (Daran hat sich im Uebrigen auch
durch die jetzigen Kalamitaeten nichts geaendert.) Und dann
sind da natuerlich die steuerlichen Aenderungen, die ein
Engagement in 2008 unbedingt erforderlich machen. Insgeheim
habe ich sogar auf einen Crash im Herbst gehofft, um mich
dann richtig fett einzudecken. Denn das, was ich in 2008 kau-
fe, gebe ich sowieso erst in fuenfzehn oder zwanzig Jahren
wieder heraus, um mein Alter zu finanzieren.

Natuerlich war ich etwas frueh, doch bei jedem Rutsch habe
ich nachgekauft. Bei jedem! Erneut 10 % Kursverlust im Dax an
einem Tag? Wunderbar, bei derartigen Sonderangeboten greife
ich zu! Und das Ergebnis sieht gar nicht schlecht aus, finde
ich. Wenn man weit in die Ferne schaut, kann man also auch
ruhig ein fallendes Messer fangen. Faengt man es naemlich
nicht, mag es sein, dass man anschliessend mit leeren Haenden
da steht. Per letztem Wochenende, als der Dax bei 5.000 Punk-
ten lag, besteht bei mir ein Minus von 16 % auf die in 2008
gekauften Aktien. Das geht. Herunter gerissen hat mich, dass
ich sehr frueh angefangen habe, Banken zu kaufen. Gut hinge-
gen war, dass ich auch am absoluten Low gekauft habe und mit
Eon und BASF bereits ueber 30 % im Plus liege.

Was mir meine Gesamtperformance verhagelt hat, sind die Roh-
stoffaktien, die ich durchgehalten habe und auch durchhalten
werde. Schlechteste Aktie ist Anglo American, die von 42 Euro
zu Jahresbeginn auf 19 Euro gefallen ist. Da ich sie jedoch
bereits im Jahr 1991 zu 3,80 Euro gekauft habe, bringt mich
das nicht um. Groesste prozentuale Verlustposition ist der
PEH Q-Goldminenfonds von Martin Siegel mit 55 % Verlust, der
mich gleich doppelt aergert, weil hier naemlich dauernd mit
einer Krise kokettiert und diese regelrecht herbeigesehnt
wurde, dann aber niemand eine Vorsorge dafuer getroffen hat.
Was mich natuerlich in meinem Urteil trefflich bestaetigt,
den Urteilen der Goldlobby auch weiterhin keine Aufmerksam-
keit zu schenken.

Gold selbst habe ich gleich Anfang Januar dieses Jahres hef-
tig aufgestockt. Einfach als Versicherung fuer den fall der
Faelle. 10% meines Portfolios habe ich seitdem in Gold, in
Form eines waehrungsgesicherten Zertifikats und einem ETF.
Und konnte so den Durchbruch durch die 1.000er Marke mit vol-
len Taschen geniessen. Der ETF steht jetzt etwa plus minus
null, da der Goldpreisverfall durch die Dollarsteigerung
wettgemacht wurde. Das Quantozertifikat hingegen, das ich
vorher als ueberlegen betrachtet hatte, ist zweistellig im
Minus. So kann man sich irren. Aber auch hier bleibe ich
dabei.

Duemmste Fehler meinerseits waren, im Bondbereich auf kleine
Waehrungen gesetzt zu haben. Islaendisches Pfund, Schwedische
Krone und Neuseelaendischer Dollar. Ich habe erwartet, dass
es Waehrungskrisen gibt und die Investoren dann die kleinen
Waehrungen aufsuchen, die besser knapp gehalten werden koen-
nen als die grossen, die jetzt gnadenlos entknappt werden,
wie der Dollar oder der Euro. In dieser theoretischen Ver-
blendung habe ich jedoch nicht gesehen, dass in der Krise das
Vertrauen nur in die Grossen bestehen bleibt. Ein Fehler, der
viel Geld gekostet hat. Aufgefangen werden diese Verluste
allerdings durch eine grosse Position an Yen-Bonds, in der
ich meine Erloese aus den Aktienverkaeufen 2007 angelegt ha-
be, und die seitdem waehrungsbedingt 30 % zugelegt hat.

Und jetzt? Jetzt weise ich in diesem Jahr ueber alles gerech-
net knapp 12 % Verlust aus. Angesichts dieser epochalen Krise
geht das eigentlich. Obwohl dadurch natuerlich die gesamten
Zugewinne der letzten zwei Jahre vor der Krise verzehrt wor-
den sind. Ich stehe also wieder da, wo ich Anfang 2006 stand.
Nun gut. Meine Akteinquote liegt derzeit bei 40 %. Geht es
weiter herauf mit den Aktien, gebe ich etwas. Sehen wir hin-
gegen neue Tiefs, nehme ich noch etwas. Meine Cashquote liegt
derzeit immer noch bei 10 %.

Und zu Guter Letzt: Im Bondbereich habe ich alle Kurzlaeufer
des Bundes verkauft, die saemtlichst wunderbar ueber pari
standen, und dafuer eine extrem langlaufende Bundesanleihe
gekauft - als Schutz gegen einen weiteren Crash sowie die
Wirtschaftsabschwaechung - sowie 10 % meines Portfolios in
diverse Bankschuldverschreibungen und Pfandbriefe investiert,
die Renditen von 10 % bis 30 % p.a. bringen. Auch eine Ukrai-
ne-Anleihe habe ich gekauft. Dass die Rueckzahlungen hier
nicht erfolgen werden, davor habe ich keine Angst. Speziell
bei Bankschuldverschreibungen, die in 2009 faellig werden.

Kann man nun aus diesem Erfahrungsbericht etwas lernen? Ich
habe in jedem Fall etwas gelernt, alleine dadurch, dass ich
es aufgeschrieben habe. Aber vielleicht sehen Sie hieraus,
dass man mit guter Diversifikation und unaufgeregtem kontinu-
ierlichen Agieren auch in schwerster See zwar Schlagseite
bekommt, aber dennoch nicht untergeht.


++++++

Bernd Niquet ist Boersenkolumnist und Buchautor.
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Wenn viele Anleger dasselbe glauben, dann muss dies noch lange nicht bedeuten, dass es stimmt oder wahrscheinlich ist. Das Gegenteil ist oft der Fall.
621Paul ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09-11-2008, 21:41   #152
simplify
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Beiträge: 35.728
hallo paul,
wenn ich das von dem niquet so lese, dann erinnere ich mich daran, dass wir ja im eigenen haus mal einen experten hatten. http://www.highperformance-aktien.de/


eigentlich könnte der jörg uns mal ein paar exclusiv tipps geben oder?

__________________


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simplify ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10-11-2008, 10:00   #153
621Paul
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Beiträge: 10.299
Hi Simplify,
entweder ist Jörg aufgestiegen oder wie müssen ihn einmal unter einer Brücke besuchen, weil man so gar nichts mehr von ihm hört.
Ob er es aber besser weiß wie wir? Da bin ich mir nicht ganz sicher. Vielleicht muss er ja davon leben, von dem was er verkauft und das sind bekanntlich immer die eigenen Empfehlungen.

Gruß
621Paul
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621Paul ist offline   Mit Zitat antworten
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