Zurück   Traderboersenboard > Börse, Wirtschaft und Finanzen > Wirtschaftsdaten und allgemeine Finanzthemen

Antwort
 
Themen-Optionen Thema bewerten
Alt 08-10-2011, 09:13   #1
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Jährliche Kreditaufnahme - brutto aufgenommen / netto verfügbar

Ich gewinne den Eindruck, dass die Entwicklung der Wohlfahrt der (US-)Gesellschaft ähnlich unsymetrisch verlaufen wird wie das bei der künftigen Entwicklung der jährlich netto der Wirtschaft bereitstellbaren Ölmenge erwartet wird (Net Hubbert Curve):



Der Abschwung (Absturz) ist viel steiler als der Aufschwung, d.h. der Abschwung vollzieht sich in viel kürzerer Zeit als der Aufschwung. Wir befinden uns heute wohl erst ganz am Anfang jenes Abschwungs analog zu der Situation beim Öl (siehe Grafik). Bei der analogen Grafik der jährlich netto der Wirtschaft bereitstellbaren Kreditmenge müßte natürlich die Öl-spezifische Verhältniszahl "EROI" entsprechend ersetzt werden durch die Verhältniszahl "netto frei für Einkäufe verfügbare Kaufkraftmenge je dafür eingesetzter Kreditsumme insgesamt" (aus letzterer müssen auch die Gebühren und Zinsen bezahlt werden).

Es wird deutlich: Die jährlich real verfügbare Kaufkraft wird immer kleiner werden, die wir netto aus der jährlichen Gesamt-Kreditmenge übrig behalten werden (nach Abzug der Zinsen). Wir können immer weniger einkaufen - besonders für die USA problematisch, dort kommt rund 75% der Wirtschaftsleistung aus dem Konsum!

Die Schrumpfung der jährlich real verfügbare Kaufkraft ist zwingend, weil wir uns von unserer eigenen Zukunft Geld leihen bzw. geliehen haben (bzw. von der Zukunft unserer Kinder und Enkel, die müßten die Schuld dann theoretisch erst erarbeiten) - wir werden es aber wohl nicht ausreichend erarbeiten können, weil die Voraussetzungen dafür bereits in der Vergangenheit (also heute!) weitgehend verfrühstückt wurden... was heute beginnt durch steigende Zinsen eingepreist zu werden!

Unser Anspruchslevel als Volkswirtschaft wird aber durch den höchsten erreichten Punkt der Kurve definiert, als waagerechte Linie (Tangente) dargestellt. Die Fläche, die zwischen jenem nicht mehr erfüllbaren Anspruchslevel (als waagerechte Linie dargestellt) einerseits und der Netto-Kurve andererseits liegt, stellt das Konfliktpotential in der Gesellschaft dar - und das wird sehr rasch größer. Immer mehr Leute wollen vom schnell immer kleiner werdenden Kuchen ein Stück abhaben - allen voran die Reichen und Mächtigen.


Insofern lande ich leider auch bei der gleichen Erwartung:
Zitat:
Ohne Gewalt wirds nicht funktionieren, ...
Nur stimme ich dem Ende des Satzes nicht zu (..."wer gibt schon schließlich gerne freiwillig Macht und Geld ab?"). Hier geht es nicht um Freiwilligkeit, hier stehen alle mit dem Rücken zur Wand - auch die Eliten. Hier gewinnt am Ende derjenige, der die stärksten Machtmittel einzusetzen in der Lage ist. Die o.g. Fläche wird zu groß werden, als das es ohne Gewalt abgehen wird - das ist jedenfalls die historische Lehre.

Es gibt nur ein einziges positives Beispiel in der Geschichte, wo eine Elite (ganz ähnlich mit dem Rücken an der Wand stehend) nicht die gewaltsame Fortsetzung des bekannten Weges wählte (wissend, dass dieser in den Untergang führt), sondern die Gesellschaft (als Not-Rettung) mehr oder weniger gewaltarm und geordnet vereinfachte und zurückführte auf ein Level, das langfristig aufrecht erhalten werden konnte. Das hatte allerdings einen enormen Verlust an materiellem und geistigem Wohlstand zur Folge.

Wer mag, kann hier mehr über jenes positive Beispiel lesen, und zwar am Ende des Postings #1:
https://www.traderboersenboard.de/showthread.php?t=39583
__________________
Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (09-10-2011 um 11:01 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08-10-2011, 09:18   #2
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374




Quelle: http://www.crp-infotec.de/01deu/fina...schuldung.html
  • Since 1938, the national debt has increased at an average annual rate of 8.5 percent. The only exceptions to the constant annual increase over the last 62 years were Clinton and Johnson - note that this is the rate of growth - the national debt still existed under both presidents. During the Clinton Presidency, debt growth was almost zero. Johnson averaged 3 percent growth of debt for the six years he served (1963-69).
  • Total US government debt as a percentage of GDP was 94 percent in 2010. Greece, the poorest step-sister of the European Union, is now expected to see debt peak at 172 percent of its annual economic output, substantially higher than the 150 percent of GDP estimated when the joint IMF-European Union rescue was approved last year.
  • The U.S. government has to borrow 41 cents of every dollar that it currently spends.
  • When World War II ended, the debt equaled 122 percent of GDP (GDP is a measure of the entire economy). In the 1950s and 1960s the economy grew at an average rate of 4.3 percent a year and the debt gradually declined to 38 percent of GDP in 1970. This year (=2010), the Office of Budget and Management expects that the debt will equal 95 percent.
  • The U.S. government has such a voracious appetite for debt that the rest of the world simply doesn’t have enough money to lend us. So now the Federal Reserve is buying most U.S. debt, and the only reason it can do that is because it can create money to lend out of thin air — at the mint’s printing presses!
Quelle: By Jill Schlesinger | Nov 18, 2010 http://moneywatch.bnet.com/economic-...bt-facts/2824/

Ein Blick nach Australien:
In May 2010, the National Australia Bank forecast that the Australian national debt would peak at $190 billion in June 2013, based upon improving economic conditions since the 2009 budget predictions. (...) The surplus for 2013-14 is now projected to be lower at $3.3bn and net debt is now expected to peak at 6.4 per cent of GDP in 2011-12.
Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Australian_national_debt



Man sieht deutlich:
  • Beim Bund dürfte (ggf.) die jährliche Neuverschuldung demnach zurückgehen, aber die jährliche Zinslast wird trotzdem größer. Folglich sinkt im Bundeshaushalt die netto verfügbare Geldmenge, die jährlich ausgegeben werden kann (vorausgesetzt, alles andere bliebe gleich).
  • Bei den USA ist diese netto verfügbare Geldmenge im Bundeshaushalt bereits auf „41 cents of every dollar“ gesunken: 59% der eingenommenen Geldmenge geht für Zinsen drauf.
  • Bei einer jährlichen Steigerungsrate der USA-Neuverschuldung von durchschnittlich 8,5% wird die jährliche Zinslast analog mit steigen – und jene „41 cents of every dollar“ noch weiter absenken.
  • Nimmt man nun an, dass bei einer Volkswirtschaft der “debt peak” so in der Gegend um 172% des „annual economic output“ liegt, kann man sich im Grunde ausrechnen, wann bzw. in welcher Reihenfolge diverse Staaten ihren „Höhepunkt“ erreichen – und dann beginne abzustürzen.
    “debt peak” meint die maximal durchsetzbare jährliche brutto Neuverschuldung. Mehr geht nicht, weil (spätestens) dann das Vertrauen bricht und eine solche Volkswirtschaft weder von außen Geld geliehen bekommt noch im Innern einen Finanzhaushalt aufzustellen in der Lage ist.

Der rechnerische “debt peak” ergibt sich (theoretisch!) ganz einfach aus den o.g. Zahlen:
  1. Man nimmt den jährlichen US-Staatshaushalt als 100% an und zieht den netto verfügbaren Anteil ab (in 2010 waren das 41%); 100% - 41% = 59% = jährliche Zinslast, die (hier als Beispiel für das Jahr 2010) aus dem Bundeshaushalt abgezogen wird.
  2. Man nimmt die jährliche Steigerungsrate der USA-Neuverschuldung von durchschnittlich 8,5% als auch für die kommenden Jahre gültig an.
  3. Dann ergibt sich diese Kurve und damit der spätestmögliche Zeitpunkt eines Staatsbankrotts der USA mit Ende 2016 - dann kreuzt die Kurve die 100%-Linie, bei der ALLES Geld im US-Staatshaushalt für Zinsen draufgehen würde, also das theoretische Maximum:


* Für die Rechnungen nahm ich http://www.zinsen-berechnen.de/onlinerechner.php
__________________
Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (14-02-2016 um 22:33 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08-10-2011, 11:47   #3
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Das wird so mit Sicherheit NICHT kommen, bitte hier kein Mißverständnis!
Die US-Regierung ist kein simpel programmierter Robotter, dort sitzen sehr wohl intelligente Menschen.

Was werden die also zukünftig machen?
  • Genau, die werden die jährliche Steigerungsrate der USA-Neuverschuldung von durchschnittlich 8,5% versuchen zu reduzieren - sie werden anfangen zu sparen, also Ausgaben zu kürzen. Nehmen wir an, sie schaffen es, die jährliche Neuverschuldung zu halbieren. Neue Rate also 4,25%.
  • Sehr mutige/illusorische Annahme: Alles andere bliebe weiterhin so schön wie im Jahr 2010.
  • Ergebnis: Staatsbankrott Ende 2022, nicht mehr Ende 2016. Also 6 Jahre gewonnen.
  • Fazit: Das reicht nicht!
__________________
Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (14-02-2016 um 22:33 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08-10-2011, 12:24   #4
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Nehmen wir also an, die US-Regierung schafft es, jährlich (!) den Neuverschuldungszuwachs vom historischen Durchschnitt 8,5% (=100%) abzusenken, und versucht das erst einmal ganz harmlos mit jährlich 10% weniger Neuverschuldung als im Vorjahr. Ergebnis: Mit diesem Verfahren wären im 16. Jahr dieser Anstrengung immer noch rund 2% jährliche Neuverschuldung da.

Nehmen wir an, die eine US-Regierung versucht es analog mit 33% jährlicher Reduzierung der Neuverschuldung. Dann würde sie aber auch im 16. Jahr immer noch eine jährliche Neuverschuldung von 0,12% haben.

Selbst eine jährliche Halbierung der Neuverschuldungsrate des Vorjahres (im Basisjahr 2010 waren das die angenommenen 8,5%, die hier gleich 100% gesetzt werden), dann brächte auch nach 10 Jahren immer noch eine jährliche Neuverschuldungsrate von 0,22%.

Dieses Spiel ist also nur mit einer Reduzierung der jährlichen Neuverschuldung nicht zu gewinnen! Das ist -so denke ich - auch den Politikern in den USA vollkommen klar.

Steigende Zinsen auf US-Treasuries:

Nehmen wir nun an, die Zinsen würden nicht mehr ewig so niedrig gehalten werden können wie in 2010, und zwar aus 2 Gründen:
  1. Externe Investoren verlängen mehr Zinsen für US-Schuldtitel (für gestiegene Ausfallrisiken)
  2. fortgesetzte bzw. sogar steigende Aufkäufe von Staatsanleihen durch die US-Notenbank wären politisch nicht mehr durchsetzbar.
Im Ergebnis würden bei theoretisch gleich bleibender Verschuldungshöhe (Neuverschuldungsrate = 0) die jährlichen Zinsen steigen, folglich bliebe netto weniger im US-Haushalt.

Angenommen, die US-Zinsen steigen aus den o.g. beiden Gründen mit einer jährlichen Steigerungsrate von 20% p.a. (über der Inflationsrate!!!), also z.B. von derzeit 1,7% in 2011 auf 2,04% in 2012 (Inflation 0%). Falls die Inflation z.B. 5% betragen würde, dann ist hier eine resultierende Rate von 5%+20%=25% gemeint, also in dem Beispiel eine Steigerungsrate von 25%).
Dann landen wir im 10. Jahr (nach Abzug der Inflation!) bei einem Zinssatz von 8,77% netto, also in etwa der Neuverschuldungs-Zuwachsrate p.a. aus der Vergangenheit.

Aus diesem Szenario folgert, dass eine US-Regierung dann ihren Zinskostenanteil am Haushalt als Ziel jährlich um 20% senken muss, um die resultierende prozentuale Zinslast im US-Bundeshaushalt auch nur auf dem Level von 2010 zu halten, damit dann überhaupt noch wenigstens "41 cents of every dollar" ausgegeben werden kann.

Das bedeutet, dass in diesem Szenario der US-Haushalt zwar in jedem Jahr eine Mischung aus Kürzungen und Einnahmensteigerungen so vornimmt, dass am Ende rechnerisch 20% weniger Zinslasten im betreffenden Folgejahr herauskommen müßten, aber dass die dann doch um 20% p.a.steigende Zinsrate das alles in jedem Jahr wieder zunichte macht macht und man hält in jedem Jahr gerade mal eben den Status quo aufrecht - obwohl doch all diese Ausgabenkürzungen bzw. Einnahmenerhöhungen vorgenommen wurden!!!

Schafft eine US-Regierung leider nur weniger als jährlich 20% bei diesem Spiel (oder steigt die Zinsrate auf US-Schuldtitel um mehr als 20% p.a.), dann säuft die US-Bundesregierung ab: Der Staatsbankrott der USA ist dann irgendwann unausweichlich.

Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Soll-Vorgabe nicht erfüllt wird?
Ich meine, das liegt nahe 100%.

Ein Argument dafür ist dieses Posting von mir vom 30-07-2011, also unmittelbar vor der letzten Anhebung der US-Schuldenaufnahmegrenze Anfang August 2011. Darin wird aufgelistet, was alles nicht mehr vom US-Staatshaushalt finanziert werden kann, wenn eine Neuverschuldung plötzlich um 100% gesenkt würde - also nur noch knapp die Hälfte von jedem Dollar zur Verfügung steht : https://www.ftor.de/tbb/showpost.php?...8&postcount=48

Ich denke, selbst wenn wie in dem obigen Beispiel nicht 100% sondern "nur" 20% jedes Jahr gekürzt oder durch Steuererhöhungen zusätzlich reingebracht werden müßten, so etwas wäre nicht politisch durchhaltbar: Die 20%-Reduktion ist imo unrealistisch. Eine Steigerung von 20% p.a. bei den Zinsen auf US-Staatsanleihen halte ich für realistisch. - Damit stehen die Zeichen auf Staatsbankrott. Es stellt sich nur noch die Frage, wann er kommt.

das ist schwer zu berechnen, da die getroffenen Annahmen natürlich im Detail so nicht genau kommen werden. Am 25.03.2010 schrieb ein Herr Eberhardt Unger, Analysehaus Fairesearch, z.B. das hier (http://boerse.ard.de/content.jsp?key=dokument_424280):
Wie die unabhängige Haushaltsbehörde Congressional Budget Office (CBO) errechnete, werden die neuen jetzt von Präsident Barack Obama vorgelegten Ausgabenprogramme und Steuererleichterungen das Defizit massiv ausweiten. Demnach dürften die auflaufenden Staatsschulden während der nächsten zehn Jahre noch einmal 9,8 Billionen Dollar über dem bisher geschätzten Defizit liegen (siehe angehängte Grafik).

Das ganze Ausmaß der Dramatik wird deutlich, wenn man die Zinslast betrachtet, die da auf die USA zukommt und die Jahr für Jahr schwerer wird. 2010 dürften die Zinsen etwa 1,4 Prozent der Wirtschaftsleistung auffressen. Schon im Jahr 2020 dürfte laut CBO-Berechnungen der Anteil der Zinsen 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausmachen, erläutert Unger. Bis 2040 dürften die Sollzinsen dann so weit gestiegen sein, dass sie 25 Prozent des BIP verschlingen, wie Berechnungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) ergaben. (...)

Die Realität könnte noch schlimmer aussehen, da in Schätzungen nicht berücksichtigt ist, dass die Budgets durch die rückläufige Bevölkerung und Überalterung zusätzlich belastet werden. Laut Unger sind soziale Unruhen so gut wie sicher. "Die USA tragen ebenso wie viele andere Industrienationen in ihrer absurd hohen Staatsverschuldung den Keim zum Untergang ihrer Gesellschaftsordnung", so sein beängstigendes Fazit.


In der Tat, die USA müssen in den kommenden Jahren massive Probleme lösen - gleichzeitig - die alle auch Geld kosten werden:

__________________
Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (14-02-2016 um 22:33 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08-10-2011, 14:33   #5
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
"Staatsbankrott" bei Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Staatsbankrott

Finanzkrise
Szenarien für Deutschland und die USA:
http://www.focus.de/finanzen/news/ko...id_416660.html
__________________
Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (08-10-2011 um 14:39 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08-10-2011, 15:30   #6
romko
TBB Family
 
Benutzerbild von romko
 
Registriert seit: Jan 2004
Ort: Bösi Ösi
Beiträge: 9.424
Deutschland bankrott? Dann ist Europa am Ende!
Außerdem denke ich, ihr seid einfach zu gut zur EU ... jetzt (bald) hab ihr den Salat.
__________________
"Ein Spiel dauert 90 Minuten und am Ende gewinnt Deutschland!"
romko ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09-10-2011, 09:55   #7
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Was also wird nun in den USA passieren?

Hier ist meine Meinung:

  1. "Weiter so!"-Politik (Business as usual) bis zum 6. November 2012, dem Tag der US-Präsidentenwahl. Bis dahin kein wirklich relevanter Politikwechsel.
  2. Am 6. November 2012 verliert Obama und gewinnt ein Republikaner, der durch die Tea-Party erpressbar sein wird. Hintergrund dazu in einem meiner letzten Postings woanders im Board.
  3. Nach dem 6. November 2012 beginnt eine mehrere Jahre lange Phase der Symplifizierung (Vereinfachung) der US-Wirtschaft und der hoheitlichen Natur der US-Regierung. Das hochkomplexe und vielfach vernetzte System "USA" ist nicht mehr auf dem gewohnten materiellen Wohlstandslevel finanzierbar. Simplifizierung bedeutet in erster Linie "Leute rausschmeißen", es dürfte also ein Schlachten bei all den vielen Bestandteilen im US-Bundeshaushaltes geben. Jede Menge Einrichtungen werden schlicht geschlossen - oder doch zumindest drastisch verkleinert - und deren Mitarbeiter entsprechend rausgeschmissen werden. Die US-Schuldenaufnahme ebenso wie natürlich die Gesamthöhe des US-Bundeshaushalts wird sehr drastisch zurückgefahren werden.
  4. Diese Phase der "Vereinfachung" hat natürlich ihrerseits Unterphasen. So dürften die ersten Maßnahmen nach der Präsidentenwahl noch einige wenige Jahre (etwa bis 2016?) durchgehalten werden können, ohne dass es zu wirklich großen Unruhen kommt (meine Vermutung: Das kann so bis etwa 2016 noch ohne schwere Verwerfungen durchgehalten werden). Die Bewegung "Occupy Walls-Street" und die tausenden von Unterbewegungen (z.B. "Occupy Denver") wächst, aber hat noch keine wirkliche Schlagkraft. Vermutlich werden sogar viele der Gegensätzlichkeiten von "Tea-Party" und "Occupy XYZ" z.T. in der Zeit aufgelöst. Man ist sich ja einig darin, dass so nicht weitergehen kann! Gleichwohl: Es steigt natürlich in der Zeit die Arbeitslosigkeit und Unzufriedenheit in der US-Bevölkerung weiter an, die Wirtschaftskraft sinkt, der Druck im Kessel steigt. Denn auch in dieser 1. Phase geht es noch immer weiter so: Noch mehr Kürzungen. Steuererhöhungen sind ja tabu, es geht nur kürzen. Ein z.T. grausamer Verteilungskampf um die verbliebenen Ressourcen.
  5. So um 2016 herum - also in rund 5 Jahren von heute gerechnet - erwarte ich die zweite Phase der Vereinfachung: Die ersten schweren Unruhen und Verwerfungen, welche die USA und die ganze Welt zutiefst verunsichern und erschüttern. Börsen-Crash bereits etwa ab etwa 2015, da die Anleger das wie üblich antizipieren werden!
  6. Diese Entwicklung ist dann danach in ihrem Lauf und dessen Ende nach einigen weiteren Jahren unausweichlich: Die USA hören am Ende auf, ein Bundesstaat zu sein. Auch die Bundesstaaten werden als hoheitliche Struktur sehr zurückgefahren worden sein. "Occupy XYZ" wird das zustande bringen. Was bleibt sind die alleinstehenden Strukturen in jeder einzelnen Kommune. Dort werden Gelder "irgendwie" für einen Kommunalhaushalt eingetrieben werden, teilweise einfach erbracht durch manuelle Arbeit der Bewohner in der Kommune. Nur auf Kommunallevel können dann noch Entscheidungen getroffen werden, die dann später in der Realität auch umgesetzt werden können.
  7. Vor allem bedeutet "Simpifizierung" eine Absenkung des materiellen Wohlstands breiter Bevölkerungsschichten. In den USA wird es wieder Hungersnöte geben, z. B. im Winter.
  8. Diese Absenkung des materiellen Wohlstands erfolgt zeitlich nicht symetrisch zur Zeit des Aufbaus dieses Wohlstands, sondern sehr viel schneller. In der Grafik unten die Jahreszahlen unten "ignorieren", richtig sind imo die oben im Text genannten Zahlen.


Es gibt immerhin einen positiven Aspekt bei dieser ganzen Entwicklung für jeden der Leser hier:

Wir genießen das Previleg, zum Peak des materiellen Wohlstands der Menschheitsgeschichte zu leben. Noch niemals ging es Menschen materiell so gut wie zu unseren Lebzeiten. Das sollten wir in aller Demut nicht vergessen und dem Schicksal dafür dankbar sein.

Diese Aussage gilt aber nur eingeschränkt für diejenigen unter uns, die jetzt jünger als etwa 50 Jahre alt sind. Die werden einen großen Teil ihres künftigen Lebens vermutlich sehr wohl unter materiellen Bedingungen leben, die immer mehr in Richtung 19. Jahrhundert gehen dürften.
__________________
Beste Grüße, Benjamin

Geändert von Benjamin (09-10-2011 um 11:18 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09-10-2011, 11:44   #8
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Der Weg der Vereinfachung in größerem Detail - unter der Annahme, dass er konstruktiv gestaltet werden wird:

• Für die Arbeitslosen wird ein Weg gefunden, um sich selber über Wasser zu halten, vor allem sich selber zu ernähren. Es gibt dafür kein Geld, keine Pensionen, keine Fonds – Geld ist knapp. Aber der US-Bundesstaat, die US-Bundesregierungen und einige entmachtete Familien haben große Landflächen. Etwa 1/5 der Landfläche der ganzen USA. Beim Zusammenbruch der Weltwirtschaft wurden viele Ländereien von den alten kapitalintensiven Strukturen aufgegeben. Diese Ländereien werden unter den vielen Arbeitslosen aufgeteilt. Die Flächen werden eingeteilt und bekommen eine eigene Verwaltungsstruktur. Arbeitslose warden mit Schulungen, einfachen materiellen Anfangsausrüstungen ausgerüstet unter der Bedingung, dass sie das Land produktiv bebauen und dann nicht verkaufen können sondern weitervererben müssen zusammen mit den daraus resultierenden Verpflichtungen gegenüber der lokalen Gemeinde. Hoheitliche Zahlungen (Lohn für Angestelltenarbeit, Pensionen, Gesundheitskosten etc.) warden drastisch gekürzt, mindestens halbiert. All diese Leute sind nun verpflichtet, sich primär selber mit Landwirtschaft und dem sich daraus ergebenden Handel über Wasser zu halten, von hoheitlichen Strukturen gibt es nur kleine Beträge.
• Parallel dazu warden die Finanzstrukturen im Gebiet der USA drastisch vereinfacht und verkleinert.
• Die “Transformation” der Gesellschaft erfaßt alle Aspekte: Eine radikale Veränderung der ganzen Gesellschaft mit ihren zentralen und bundesstaatlichen Strukturen. Damit sinken die Transactionskosten der hoheitlichen Strukturen drastisch.
• In den Provinzen und den Strukturen darüber warden z.T. die Strukturen der US-Armee mit denen des zivilen Lebens vereinigt.
• Große Städte mit ihren Gütern werden zu Angriffszielen von Verlierern dieses Prozesses. Sie errichten Barrikaden u. Schutzwälle um sich herum.
• Es gibt kaum noch Bildungseinrichtungen, die Leute haben andere Sorgen und haben schlicht nicht die Zeit für Bildung; sie müssen sich das tägliche Essen erarbeiten. Literatur gibt es nur noch in Form existierender Bücher. Universitäten werden geschlossen. Intellektuell landen wir bei einer „Dark Age” – einer geistig eher leeren Zeit.
__________________
Beste Grüße, Benjamin
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18-03-2012, 12:42   #9
Benjamin
TBB Family
 
Registriert seit: Mar 2004
Beiträge: 10.374
Hier eine Trendfortsetzung bezüglich des Bundeshaushalts Deutschlands,
die von mir überschlägig berechnet wurde und die auf diesen Datenquellen beruht:
http://www.tagesschau.de/multimedia/...#colsStructure
http://www.steuerzahler.de/wcsite.ph..._lkm-24/i.html
Auszug aus letztgenanntern Quelle:
Die Gläubiger des Staates

Über die Gläubigersituation gibt es keine genauen statistischen Angaben. Die Bundesbank schätzt, dass Ende 2010 Deutschland mit rund 400 Milliarden Euro bei Kreditinstituten und mit rund 1.025 Milliarden Euro im Ausland verschuldet war. Daneben haben Privatleute, Sozialversicherungen, Bausparkassen und Versicherungen dem Staat Kapital in Höhe von rund 300 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Tendenz steigend.


Die angenommenen jährlichen Steigerungsraten sind in der weißen Zeile fett gedruckt, die jeweilige Datenquelle wird mit der Hintergrundfarbe in der Tabelle jeweils angegeben.

Die "Gläubigersituation ohne genaue verfügbare statistische Angaben" ist wohl auch die Erklärung dafür, dass die jährliche Neuverschuldung in der Tabelle unten von 2011 auf 2012 so "springt" - denn worauf genau bezieht sich der Bundesfinanzminister (Zeile für 2011), worauf genau der Bund der Steuerzahler (alle weiteren Zeilen) hinsichtlich der Gesamtbundesschulden?

Man kann sich überlegen, ab wann etwa bei einer derartigen Entwicklung die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu akut-krisenhaften Folgen führen dürfte.

Geändert von Benjamin (14-02-2016 um 22:35 Uhr)
Benjamin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25-03-2012, 13:23   #10
Tester32
TBB Family
 
Benutzerbild von Tester32
 
Registriert seit: Jan 2004
Beiträge: 2.210
Zitat:
Zitat von Benjamin Beitrag anzeigen
Der Weg der Vereinfachung in größerem Detail - unter der Annahme, dass er konstruktiv gestaltet werden wird:

• Für die Arbeitslosen wird ein Weg gefunden, um sich selber über Wasser zu halten, vor allem sich selber zu ernähren. Es gibt dafür kein Geld, keine Pensionen, keine Fonds – Geld ist knapp. Aber der US-Bundesstaat, die US-Bundesregierungen und einige entmachtete Familien haben große Landflächen. Etwa 1/5 der Landfläche der ganzen USA. Beim Zusammenbruch der Weltwirtschaft wurden viele Ländereien von den alten kapitalintensiven Strukturen aufgegeben. Diese Ländereien werden unter den vielen Arbeitslosen aufgeteilt. Die Flächen werden eingeteilt und bekommen eine eigene Verwaltungsstruktur. Arbeitslose warden mit Schulungen, einfachen materiellen Anfangsausrüstungen ausgerüstet unter der Bedingung, dass sie das Land produktiv bebauen und dann nicht verkaufen können sondern weitervererben müssen zusammen mit den daraus resultierenden Verpflichtungen gegenüber der lokalen Gemeinde. Hoheitliche Zahlungen (Lohn für Angestelltenarbeit, Pensionen, Gesundheitskosten etc.) warden drastisch gekürzt, mindestens halbiert. All diese Leute sind nun verpflichtet, sich primär selber mit Landwirtschaft und dem sich daraus ergebenden Handel über Wasser zu halten, von hoheitlichen Strukturen gibt es nur kleine Beträge.
• Parallel dazu warden die Finanzstrukturen im Gebiet der USA drastisch vereinfacht und verkleinert.
• Die “Transformation” der Gesellschaft erfaßt alle Aspekte: Eine radikale Veränderung der ganzen Gesellschaft mit ihren zentralen und bundesstaatlichen Strukturen. Damit sinken die Transactionskosten der hoheitlichen Strukturen drastisch.
• In den Provinzen und den Strukturen darüber warden z.T. die Strukturen der US-Armee mit denen des zivilen Lebens vereinigt.
• Große Städte mit ihren Gütern werden zu Angriffszielen von Verlierern dieses Prozesses. Sie errichten Barrikaden u. Schutzwälle um sich herum.
• Es gibt kaum noch Bildungseinrichtungen, die Leute haben andere Sorgen und haben schlicht nicht die Zeit für Bildung; sie müssen sich das tägliche Essen erarbeiten. Literatur gibt es nur noch in Form existierender Bücher. Universitäten werden geschlossen. Intellektuell landen wir bei einer „Dark Age” – einer geistig eher leeren Zeit.
Ich habe dieses Szenario in der ehemaligen Sowjetunion bereits einmal live durchgelebt. Daher ein paar Ergänzungen aus meiner Erfahrung:

1. Man muss nicht komplett die riesigen US-Ländereien unter den Arbeitslosen verteilen, es reicht durchaus, stadtnahe Gebiete für Schrebergärten auszuweisen. Wobei gute Beziehungen zur auf dem Lande lebenden Verwandtschaft wieder wichtiger werden. Wenn die eigenen Eltern oder Großeltern , Tanten usw. noch einen kleinen Bauernhof besitzen, wird man ihnen beim Bestellen helfen (Zeit hat man als Arbeitsloser ja eh) und dafür von der Ernte was zum Essen bekommen. Obst, Gemüse, Kartoffeln, Eier, Eingelegtes, ja sogar Fleischkonserven! In Deutschland würde sowas m.E. nicht funktionieren. Es stehen an großen Städten nicht genug landwirtschaftlich nutzbare Flächen da, die sich frei verteilen ließen.

2. Barrikaden und Schutzwälle wird es nicht geben, genauso wie rumziehenden Banden und große Massen von Verlierern. Von der Mehrheit auf der Straße ist ja nichts zu holen und die Geschäfte sind in den USA bereits jetzt bewacht. So machen Angriffe nicht viel Sinn.

3. US-Armee wird nicht mit der Gesellshaft verschmelzen, sondern auch zerfallen und dahinvegetieren. Ohne Geld für Treibstoff kann ein Kampfjet-Pilot nicht genug Übung bekommen, für neue Technik wird das Geld fehlen, Gehaltssteigerungen werden der Inflation nicht nachkommen und die Motivation für den Wehrdienst senken. Kurz: eine Gesellschaft mit Problemen kann sich eine gesunde, einsatzbereite und schlagkräftige Armee nicht leisten.

4. Ja, Bildung, Medizin, Forschung, Theater, Kino etc. werden vor die Hunde gehen. Das russische Wissenschaftsministerium hat vor kurzem einen Bericht über den aktuellen Zustand der Medizinforschungen in Russland veröffentlicht und ist darin zum Schluss gekommen, dass solche nur noch als Hobby nach der Arbeit existieren. Literatur und Malerei sind davon übrigens sogar noch weniger betroffen, weil sie auch in Zeiten des Wohlstandes nicht genug abwerfen, um davon hauptberuflich leben zu können. Viele Autoren und Maler gehen diesen Beschäftigungen in ihrer Freizeit nach, z.B. der mittlerweile auch in Deutschland ziemlich bekannte Boris Akunin mit seiner „Fandorin ermittelt“-Reihe hat seine ersten zwei Romane zur eigenen Entspannung geschrieben.

Das Positive: die modernen Dark Age Zeiten müssen nicht mehr Jahrhunderte dauern. Ich glaube, dass neue Technologien prinzipiell neue Ressourcen erschließen und auch alte Ressourcen-Quellen wieder wirtschaftlich machen können. Die Russen gewinnen das Öl aus Quellen, die mit alten Technologien nicht mehr gewinnbringend zugängig waren, die Kanadier gewinnen Öl aus Sandschichten usw. Und obwohl die Russen viele Probleme noch nicht gelöst haben, leben sie heute was ihren Wohlstand betrifft, wesentlich besser, als in den sowjetischen Zeiten.
Tester32 ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen

Themen-Optionen
Thema bewerten
Thema bewerten:

Forumregeln
Es ist Ihnen nicht erlaubt, neue Themen zu verfassen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, auf Beiträge zu antworten.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Anhänge hochzuladen.
Es ist Ihnen nicht erlaubt, Ihre Beiträge zu bearbeiten.

BB-Code ist an.
Smileys sind an.
[IMG] Code ist an.
HTML-Code ist aus.

Gehe zu


Es ist jetzt 15:11 Uhr.


Powered by vBulletin® Version 3.8.4 (Deutsch)
Copyright ©2000 - 2024, Jelsoft Enterprises Ltd.