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Alt 24-11-2003, 11:51   #1
OMI
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Lightbulb Wirtschaftswachstum oder Crash?

24.11.2003 11:34


BLUeBULL-Kolumne: US-Zahlen falsch? Expertenstreit entbrannt

"Rasantes Wirtschaftswachstum in USA" lächelte es Anfang November von den Titelblättern der Welt – zunehmender Optimismus und ein kräftiger Kursanstieg waren die unmittelbare Folge. "Die US-Wirtschaft wuchs im dritten Quartal (...) mit einer aufs Gesamtjahr hochgerechneten Rate von 7,2 Prozent. Die deutsche Wirtschaft kommt im gleichen Zeitraum nach Einschätzung von Volkswirten noch nicht einmal auf eine vergleichbare Rate von einem Prozent", sprach etwa Reuters der US-Wirtschaft Respekt aus. Doch der Schein trügt.

Wie weitreichend die US-spezifische Berechnung der jüngsten Zahlen – immerhin das scheinbar größte Wachstum seit 20 Jahren – die Dynamik im Vergleich zu Europa verzerrt, darüber ist ein Expertenstreit entbrannt. Während Heiko Thieme daran festhält, dass die USA "deutlich stärker wachsen als Europa", kontert Fredmund Malik, Schweizer Wirtschaftsexperte, der "Mainstream-Interpretation" von Thieme.

Fredmund Malik hält an seiner Meinung fest: Korrigiert man die US-Wachstumszahlen um bestimmte Effekte (siehe Ende dieses Beitrages), liegen die USA in etwa gleichauf mit Europa. Jeder eifersüchtige Blick nach Übersee, alle plakativen Schlagzeilen der letzten Wochen, wären demnach also hinfällig bis peinlich.

Thiemes Einladung

Erste Episode dieser Meinungsverschiedenheit war ein "BLUeBULL today"-Interview mit Heiko Thieme, der nicht nur anerkannter Börsenexperte ist, sondern auch – quasi vor Ort – in New York lebt. Wie schätzt er vor Hintergrund, dass Fredmund Malik die "amerikanischen Zahlen für weitgehend falsch" hält, das hohe US-BIP-Wachstum ein? Thieme dazu: "Es ist richtig, dass Statistiken in den USA teilweise anders aufbereitet werden als in Europa. Zum Beispiel bemessen wir in den USA das Bruttoinlandsprodukt auf das Quartal, vergleichen es mit dem vorangegangenen Quartal und multiplizieren dann diese Wachstumszahl mit vier. Das ist eine rein statistische Bewertungsbasis. Verfälschung ist das nicht, weil hier die Fakten gleich sind. Ferner steht fest, dass die USA, egal welche Bewertungsmethodik man hier ansetzt, deutlich stärker wachsen als Europa. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen die Steuersenkung, die viele Experten in Europa nicht verstehen. Denn ein Staat, der sich verschuldet, um die Wirtschaft anzukurbeln, handelt richtig. Zum anderen wird immer das US-Handelsbilanzdefizit angegriffen, auch das ist falsch. Amerika ist derzeit die Wachstumslokomotive für die ganze Welt und kann sich beide Defizite leisten.

Die US-Zahlen sind auf keinen Fall verfälscht, man muss sie nur verstehen und richtig analysieren. Und wer dies öffentlich sagt, und das noch als Professor einer Universität, der befindet sich meines Erachtens auf einer äußerst gefährlichen Gratwanderung. Ich würde mich gerne einmal mit Herrn Malik öffentlich darüber unterhalten, damit man beide Seiten sehen kann."

Einladung angenommen

Der damit angesprochene Fredmund Malik hat nun diese Einladung angenommen und gegenüber "BLUeBULL today" geäußert: "Die Meinung von Herrn Thieme zeigt ein sehr eingeschränktes Verständnis der ökonomischen Zusammenhänge. Er vertritt die übliche Mainstream-Interpretation, wie man sie täglich in den einschlägigen Gazetten lesen kann.

Die permanente Wiederholung macht sie nicht richtiger. Sie vermittelt ein falsches Bild des tatsächlichen Zustandes der amerikanischen Wirtschaft. Es wird sich jetzt rasch zeigen, wie desolat der Zustand der US-Wirtschaft ist. Die Börsenerholung ist vorbei, und damit werden die Realitäten sichtbar." Und Malik weiter: "Ich sagte im übrigen nie, dass die US-Zahlen verfälscht sind, sondern dass sie falsch sind. Das sind zwei verschiedene Dinge. Es lässt sich beweisen, dass sie falsch sind."

Maliks Konter

Neben dem Hobby Bergsteigen haben Malik, der ein "crashartiges Einbrechen der Aktienkurse" für hochwahrscheinlich hält, und Thieme, der im "BLUeBULL today"-Gespräch 2004 einen DAX-Anstieg in Richtung 5.000 für möglich hält, nicht viel gemeinsam. Doch zumindest die Hochrechnung der US-Wachstumsraten auf Jahressicht wird von beiden gleichermaßen angeführt. Malik jedoch verweist noch auch weitere Kritikpunkte in einer seiner Kolumnen. Er macht darauf aufmerksam, dass die zweithöchste Position "Ausrüstung und Software" ist, die mit 15,4 Prozent angegeben wird. "Diese Zahl ist mit Sicherheit hedonisch um einen Faktor 5-10 zu hoch ausgewiesen", so der Schweizer Experte. Außerdem seien die Staatsausgaben nur mit 1,3 Prozent ausgewiesen – "vermutlich um einiges zu gering." Im Vorquartal waren es 8,5 Prozent. Zusammengefasst macht Malik darauf aufmerksam, dass die US-Wirtschaft um bisher rund 300 Mrd. Dollar gewachsen ist, also um rund 3 Prozent stärker als Europa. Hierbei seien jedoch die Auswirkungen der hedonischen Statistik (Anmerkung: u.a. Multiplikation des Umsatzes im Computer-Sektor mit dem Faktor 4,42) nicht angezogen. Korrigiere man um diese Effekte, so lägen die USA etwa gleichauf mit Europa. Es gäbe somit gar keine Chance, dass das Jahr 2003 eine Wachstumsrate von der jetzt publizierten Größenordnung haben wird, wie das durch die Schlagzeilen suggeriert werde.

Entscheidung fällt an den Börsen

Wem letztendlich die Entwicklung recht gibt, kann hier und heute natürlich nicht entschieden werden. Doch Heiko Thieme hat nicht unrecht, wenn er über sich selbst sagt: "Ich bin glücklich, in einem Bereich zu arbeiten, in dem Resultate messbar sind, so dass ich jederzeit überprüfen kann, ob ich mit meinen Einschätzungen und mit meiner Marktmeinung richtig liege." Und so wird zumindest ein Blick auf die weitere Börsenentwicklung indizieren, wer bei dieser Frage näher an der Wirklichkeit lag: der Optimist, oder der - freundlich ausgedrückt - Realist. So sagte Heiko Thieme Ende November im "BLUeBULL today"-Interview: "Die Hausse, die in Europa am 12. März begonnen hat, wird mindestens bis zum Ende des nächsten Jahres dauern." Fredmund Malik hingegen hat Anfang November von einem nahendem "crashartigen Einbruch" der Börsen gesprochen, wobei es möglich sei, dass zuvor nochmals neue Hochs erreicht werden, im Dow Jones könne es knapp über 10.000 gehen.

Florian Söllner ist Chefredakteur der BLUeBULL AG - Publikationen "BLUeu", "BLUeBULL today" und "Fondsletter". Mehr Info: www.bluebulltoday.com.

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die Smarthouse Media GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.


Quelle: FINANZEN.NET
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